# taz.de -- Parlamentswahl in Afghanistan: Erst die Wahl, dann das Chaos
       
       > Nach der Wahl in Afghanistan im Oktober hängt die Auszählung Wochen
       > zurück. Stimmen aus der Hauptstadt werden jetzt komplett annulliert.
       
 (IMG) Bild: Der Wahltag selbst geriet zur Farce, doch diese Wählerin schaffte es abzustimmen
       
       Berlin taz | Afghanistans ohnehin schon chaotischer Wahlprozess ist auf ein
       neues Hindernis gelaufen. Fast sieben Wochen nach der Parlamentswahl vom
       20. und 21. Oktober, mitten im andauernden Auszählungsprozess, hat die
       Unabhängige Wahlbeschwerdekommission (IECC) am Donnerstag alle Stimmen der
       Provinz Kabul annulliert.
       
       Das sind etwa eine Million Stimmen – ein Viertel der, jedenfalls nach
       offiziellen Angaben, abgegebenen Stimmen landesweit. Die Oktoberwahl war
       die bisher folgenreichste an zivilen Opfern seit 2001 und Kabul die am
       stärksten betroffene Region.
       
       Quelle offizieller Zahlen ist die Unabhängige Wahlkommission des Landes
       (IEC), die unabhängig von der IECC operiert. Ihr Chef Guladschan Abdul Badi
       Sajad beschwerte sich gestern, dass die IECC ohne vorherige Konsultation
       entschieden habe.
       
       Allerdings ist Sajads Kommission Kern der Probleme. Sie operiert nach der
       ersten, ausschließlich von afghanischen Behörden organisierten Wahl seit
       dem Ende des Talibanregimes 2001 mit extrem wenig Transparenz. Weder legte
       sie genaue Zahlen zur Wahlbeteiligung vor noch schaffte sie es, ein
       verlässliches Wählerregister anzulegen.
       
       Zudem hängt die Auszählung Wochen hinter dem ursprünglichen Zeitplan
       zurück. Alle offiziellen Zahlenangaben müssen deshalb mit Vorsicht genossen
       werden. Der Wahltag selbst geriet zur Farce. Selbst in Kabul standen
       Wählerinnen und Wähler, die getrennt voneinander abstimmen, stundenlang vor
       zu spät oder gar nicht öffnenden Wahllokalen.
       
       Der Schritt der Beschwerdekommission kam nicht unerwartet. Anfang des
       Monats musste Sajad schon den Chef seiner Kabul-Abteilung feuern, das
       gesamte Zählpersonal auswechseln und eine Neuauszählung beginnen. Auch die
       scheint nun aus dem Ruder gelaufen zu sein. Die Beschwerdekommission
       beanstandet unter anderem „Missmanagement und Verletzung der Wahlgesetze“
       sowie „Pflichtverletzungen durch die Wahlkommission“. Sie beantragte die
       Strafverfolgung von fünf namentlich genannten hochrangigen Mitarbeitern.
       
       ## Vermittlung geplant
       
       Aber auch die Beschwerdestelle IECC agiert nicht überzeugend. Hohe
       Beteiligungsraten in Taliban-kontrollierten Provinzen deuten darauf hin,
       dass dort in den wenigen, von Taliban eingekreisten Gebieten mit
       Regierungskontrolle massiv Stimmen gefälscht wurden. Trotzdem ließ sie zum
       Beispiel schon verkündete Ergebnisse aus Urusgan und Farah unbeanstandet
       durchgehen.
       
       Am späten Donnerstagnachmittag wollte Präsident Aschraf Ghani zwischen
       beiden Kommissionen vermitteln. Doch selbst wenn das gelingt, sind die
       grundsätzlichen Probleme in Afghanistans Wahlsystem nicht ausgeräumt. Ob
       das bis zur geplanten Präsidentenwahl am 20. April 2018, bei der Ghani
       wieder antritt, möglich ist und es dafür überhaupt den politischen Willen
       gibt, ist fraglich.
       
       6 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Ruttig
       
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