# taz.de -- SPD-Parteitag in Baden-Württemberg: Nahles als Geburtshelferin
       
       > Die Partei ist zerstritten, einigt sich aber doch auf Andreas Stoch als
       > Vorsitzenden der Südwest-SPD. Die Chefin der Bundespartei bleibt fern.
       
 (IMG) Bild: Das war knapp: Mit nur acht Stimmen mehr wurde Andreas Stoch (r.) zum Landeschef gewählt
       
       Sindelfingen taz | So eine Umwegskür gibt es wohl nur bei den
       [1][Sozialdemokraten in Baden-Württemberg]. Beim Mitgliedervotum Anfang
       November wird erst Amtsinhaberin Leni Breymaier mit 39 Stimmen Vorsprung
       gegenüber ihrem Gegner Lars Castellucci bestätigt. Der reicht aber die
       knappe Mehrheit nicht, [2][weshalb sie sich zurückzieht]. Und was macht der
       Parteitag? Der wählt vier Tage später, am Samstag, nun nicht Castellucci,
       sondern einen Dritten zum Vorsitzenden: Andreas Stoch.
       
       Andreas Stoch steht am Samstagnachmittag auf dem Stuhl und reckt die Arme
       in die Luft. Die Delegierten jubeln, auch wenn das Ergebnis denkbar knapp
       ist. Mit acht Stimmen Vorsprung hat Stoch die Abstimmung gegen seinen
       Gegner für sich entschieden. Der Parteitag scheint erleichtert. Die
       Führungskrise der Südwest-SPD ist fürs Erste beendet.
       
       Der Parteitag kennt gleich mehrere Verlierer. Da ist zuerst Leni Breymaier
       und ihre glücklose Generalsekretärin Luisa Boos. Die ehemalige
       Verdi-Landeschefin Breymaier hatte 2016 nach dem für die SPD bitteren
       Wahlergebnis von 12,7 Prozent den Vorsitz übernommen, um die Partei zu
       reformieren. Der traditionell eher konservative Landesverband hatte sich im
       Kontrast zum Vorgänger Nils Schmid bewusst für die eher linke und recht
       kantige Schwäbin entschieden.
       
       Als nach zwei mühsamen Jahren die Wiederwahl anstand, sah sich Breymaier
       plötzlich einem Herausforderer der konservativen Netzwerker gegenüber: dem
       Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci. Breymaier schlug einen
       Mitgliederentscheid vor, den sie klar zu gewinnen hoffte. Als dann in der
       Nacht zum Montag eine weitere Auszählung notwendig wurde, war es Breymaier
       offenbar zu viel. Am Dienstag erklärte sie ihren Rückzug und schlug ihrem
       Herausforderer Castellucci vor, sich ebenfalls zurückzuziehen. Erst danach
       wurde bekannt, dass Breymaier eigentlich mit 39 Stimmen Vorsprung gewonnen
       hatte.
       
       Mit dieser Vorgeschichte tritt Lars Castellucci am Samstag vor den
       Parteitag, beschwört Willy Brand und seine Herkunft als Sohn eines
       italienischen Einwanderers. Sein Gewissen habe ihn verpflichtet, heute für
       den Parteivorsitz anzutreten, obwohl er bei der Befragung unterlegen
       gewesen sei. Es sind vor allem die Jungen, die Castellucci an diesem
       Vormittag bejubeln. Die Jusos in Baden-Württemberg sind, anders als in
       anderen Landesverbänden, eher auf dem konservativen Flügel der Partei zu
       finden.
       
       Frank Mentrup, Oberbürgermeister von Karlsruhe, spricht dann aus, was viele
       denken: Neuer Vorsitzender könne nicht jemand sein, der einen
       Mitgliederentscheid verloren hat. „Wenn Lars gewählt wird, haben wir ein
       Glaubwürdigkeitsproblem“, so Mentrup. Der Parteitag folgt dieser
       Einschätzung und wählt Andreas Stoch mit der denkbar knappsten Mehrheit im
       ersten Wahlgang zum Vorsitzenden. Der Fraktionschef im Stuttgarter Landtag
       hatte bis Donnerstag mit seiner Kandidatur gewartet. Er fühlt sich keinem
       Flügel zugehörig, gilt als einer, der Konsens herstellen kann. Stoch kam
       2009 als Nachrücker in den Landtag, war ab 2013 im grün-roten Kabinett
       Kultusminister. Mit Stoch wurde Sascha Binder zum Generalsekretär gewählt.
       
       Luisa Boos war nach Breymaiers Rücktritt nicht mehr angetreten. Mit der
       Zerstrittenheit soll es in der Landes-SPD unter neuer Führung vorbei sein,
       verspricht Stoch. Die Gegner stünden außerhalb. Eigentlich meint er damit
       die AfD und die „arrogante Politik“ von Schwarz-Grün im Land. Viele
       Parteimitglieder meinen aber eher den SPD-Bundesvorstand. Die größte
       Einigkeit herrscht auf dem Parteitag, als sich der Unmut über Andrea Nahles
       Bahn bricht. Die Parteivorsitzende war als Rednerin angekündigt, sagte aber
       am Samstag in einer Telefonkonferenz mit führenden Parteimitgliedern ab.
       
       Offizieller Grund: Die Landespartei müsse erst ihre Führungskrise beilegen.
       Der tatsächliche Grund dürfte ein Streit der Landespartei mit der
       Bundespartei über die Besetzung der Liste für die im kommenden Jahr
       anstehende Europawahl sein. Zwei verdiente Mitglieder aus dem Südwesten
       verloren ihre sicheren Listenplätze zugunsten jüngerer Kandidaten. Eine
       davon ist die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Evelyne Gebhardt. Dass
       Nahles sich vor der Diskussion in Sindelfingen gedrückt hat, kommt in
       Baden-Württemberg flügelübergreifend nicht gut an, erfüllt aber für den
       Parteitag seinen Zweck: gemeinsame Feinde einen.
       
       25 Nov 2018
       
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