# taz.de -- Rainer Schäfer Radikale Weine: Weininseln mit roten Herzchen
       
       Lange Zeit galt Rheinhessen als rückständiges Weinanbaugebiet, als
       Produzent konturloser Massenweine und als ein Landstrich, wo Wein
       ausschließlich Männersache war. Viele Winzerinnen von dort erzählen, dass
       sie in der Ausbildung vor allem die Kaffeemaschine bedienen mussten oder
       als Weinköniginnen und hübsche Staffage bei folkloristischen
       Veranstaltungen eingesetzt wurden.
       
       Inzwischen ist Rheinhessen ein lebendiges Zentrum der deutschen Weinszene –
       auch weil immer mehr junge Frauen starke Akzente setzen. Eine davon ist
       Sina Mertz. Die 26-Jährige hat erst wenige Jahrgänge erzeugt, aber die
       zeigen ihr großes Talent.
       
       Seit 2016 hat Mertz das Sagen im elterlichen Weingut in Eckelsheim, einem
       unscheinbaren Dorf in der rheinhessischen Schweiz. Dass hier noch mal große
       Träume und Ziele verfolgt werden, war nicht abzusehen. Nachdem der ältere
       Bruder, der das Weingut übernehmen sollte, bei einem Autounfall ums Leben
       gekommen war, hätten ihre Eltern „resigniert“, sagt Sina Mertz.
       
       Notwendige Investitionen wurden aufgeschoben, die Weine spiegelten den
       allgemeinen Gemütszustand. Doch dann stieg Sina Mertz ein, die zuvor ihre
       Lehre bei Klaus Peter Keller absolviert hatte – einem rheinhessischen
       Spitzenwinzer, der im Übrigen seine Kaffeemaschine selbst bedienen kann.
       
       Längst hat sich Sina Mertz über die Region hinaus einen Namen gemacht, auch
       wenn sie, wie sie erzählt, „immer noch erstaunt ist, wenn es an der Haustür
       klingelt und jemand nach meinen Weinen fragt“. Ihre Parzellen sind leicht
       zu erkennen: Mertz hat rote Herzchen auf die Markierungspfosten gemalt. Auf
       elf Hektar hat die Winzerin ihre Weinberge aufgestockt, wie Inseln ragen
       sie aus der geschwungenen Landschaft heraus.
       
       Der Untergrund besteht aus Kalkmergel und Porphyr, einem seltenen
       vulkanischen Gestein, das den Weinen eine würzige Note mitgibt. Dazu weht
       in diesen „Cool-Climate-Lagen“ ein steter Wind: Ideale Bedingungen, um
       Weine zu erzeugen, die von Leichtigkeit und Finesse durchzogen sind. So wie
       der delikate Weißburgunder vom Kalkmergel. Er duftet nach Nuss, Kern- und
       Zitrusfrucht, ist schlank gebaut und gefällt mit seinem cremigen Charme
       sowie einer feinen Säure.
       
       Sina Mertz hat noch einiges vor. Als Erstes will sie den Keller ausbauen
       und nach und nach in neue Fässer investieren. Am liebsten würde sie alles
       gleichzeitig und sofort angehen, man spürt ihre Aufregung, den Willen und
       die große Begeisterung. „Wir sind die neue Lust-Generation in Rheinhessen“,
       sagt Sina Mertz und genau so schmecken ihre Weine.
       
       24 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rainer Schäfer
       
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