# taz.de -- Die Wahrheit: Ein Musiklehrer für einen Sack Reis
       
       > Valium fürs Volk: Die „Bild“-Zeitung hievt eine Affäre der
       > Exbundespräsidentengattin Bettina Wulff auf Seite eins des Blattes.
       
 (IMG) Bild: Gleich fällt in China ein Mann mit einem Sack Reis um
       
       Es ist der Bild zwar keine Sonderausgabe wert, aber doch immerhin fast die
       gesamte Titelseite: „Ex-First-Lady Bettina Wulff: Sie liebt den Musiklehrer
       ihrer Söhne“.
       
       Das Blatt hätte die Meldung natürlich auch verklausulierter formulieren
       können: Leute, macht euch keine Sorgen. Die Welt fliegt uns um die Ohren,
       entweder weil die Rechten aller Länder schon für Krieg sorgen werden oder
       weil uns der Planet einfach unterm Arsch wegschmilzt; das ist ja auch
       schlimm, so etwas will man gar nicht ständig lesen, deshalb hier mal
       einfach was ganz anderes.
       
       Solche Meldungen sind Valium fürs Volk. Nach Einnahme der Tagesdosis kannst
       du ihm im Grunde alles und nichts erzählen, es spielt keine Rolle. Seite
       zwei: Der Mann im Mond hat eine Neue. Seite drei: In Helmstedt haben
       Feministinnen einem auf der Parkbank schlafenden Feuerwehrmann sämtliche
       Organe geraubt und an Islamisten verschenkt. Letzte Seite: In China haben
       sich ein Sack Reis und ein Fahrrad getrennt – nachdem beide in verschiedene
       Richtungen umgefallen sind, war das Tischtuch praktisch zerschnitten.
       
       ## Pfiffiger Musiklehrer
       
       An Valium gewöhnt man sich schnell. Ich bete, dass morgen mehr über den
       Musiklehrer drinsteht. Liebt er sie auch? Was für ein Instrument spielt sie
       und wie oft und wie gut und wie lange schon? Ist das den Kindern denn nicht
       peinlich? Warum ist er überhaupt Musiklehrer geworden? Hat er sich gedacht,
       er könnte auf diese Tour mehr Exgattinnen von Exbundespräsidenten
       abgreifen? Da hat er offensichtlich richtig kalkuliert. Ein pfiffiges
       Kerlchen von gerade mal sechsundvierzig Jahren.
       
       Als Höhlenforscher zum Beispiel wäre seine Chance viel kleiner gewesen. Der
       ist ja immer in der Höhle, wo ihn keiner sieht. Da müsste folglich die Frau
       zu ihm in die Höhle kommen und die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Was
       will sie denn auch da? Als Musiklehrer aber stehst du im Licht der
       Öffentlichkeit. Dasselbe gilt natürlich auch für Reit-, Tennis- und
       Tantralehrer. Die Leute kommen zu dir, irgendwann kommen sie zwangsläufig
       alle. Du musst im Grunde nur warten wie eine Spinne in ihrem Netz auf
       Exgattinnen von Exbundespräsidenten.
       
       Das sind Themen, die noch richtig fetzen. Und nicht so ein fader Politkäse.
       Ich will auf der ersten Seite der größten deutschen Tages- beziehungsweise
       Boulevardzeitung nichts über die humanitäre Katastrophe im Jemen lesen – so
       etwas will keiner wissen, das ist doch überhaupt nicht schön. Außerdem sind
       die bestimmt mal wieder selbst dran schuld mit ihrem ständigen Allah und
       mit dem Betäubungslaub, das sie die ganze Zeit kauen, und die glauben auch
       nicht an den Weihnachtsmann und haben ihre Schuhe nicht geputzt, vor allem
       die Säuglinge nicht. Erschwerend hinzu kommt, dass der Jemen nicht
       Großburgwedel ist. Kennt also keiner.
       
       Rechtsruck? Völlig uninteressant. Wenn der Bürger über sich selbst lesen
       will, guckt er sich seinen Personalausweis an. Umweltkatastrophen ziehen
       sogar noch weniger. Klimawandel, Primawandel. Solange man im Garten grillen
       kann, ist alles super.
       
       ## Amoklauf gegen Langeweile
       
       Die Erderwärmung hat imagemäßig das Pech, dass ihre Kinder keinen
       Musiklehrer haben, der der Neue der Exfrau des Expräsidenten ist. Sie ist
       einfach nur die Erderwärmung. Das finden die Leute langweilig – da muss sie
       sich schon mehr einfallen lassen. Einen Amoklauf vielleicht, mit zwanzig
       Grad wärmer auf einmal und Feuerwerk, oder sie macht einen antisemitischen
       Rapsong. Am besten, sie krallt sich gleich mal ein paar gute Key
       Influencer.
       
       Frau Wulff macht vor, wie es geht. Allerdings könnte mittelfristig auch der
       Sensationsfaktor ihres Geturtels mit dem Musikus abnehmen. Denn man
       munkelt, dass der ihre Söhne gar nicht mehr unterrichtet. Er wäre somit nur
       noch der Exmusiklehrer der Kinder der Exgattin des Expräsidenten. Also nix
       von nix von nix, wie der Statistiker sagt. Da muss die Frage nach der
       Halbwertszeit für Prominente schon erlaubt sein: Ab wann ist eine Person
       eigentlich nicht mehr wichtig?
       
       Falsch gefragt, denn wichtig war sie ja im Grunde noch nie. Besser: Wann
       wird eine Person, die für wichtig gehalten wird, nicht mehr für wichtig
       gehalten? Oder ist der Status lebenslänglich garantiert? Und so bleibt auch
       der Exturnlehrer der Nichte von Hitlers Exsekretärin für immer im Gespräch:
       Wer unterrichtet seine Katze am Kratzbaum und welches Verfallsdatum hat das
       Toastbrot in seinem Kühlschrank?
       
       Apropos Toastbrot: Was macht eigentlich Carsten Maschmeyer? In der
       aufregendsten Stadt des Universums passieren täglich so viele spannende
       Dinge. Bild- Hannover, es gibt noch viel zu tun!
       
       13 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
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