# taz.de -- ZDF-Krimiserie „Nachtschicht“: Eine Nacht mit Gangstern auf St. Pauli
       
       > Fünfzehn Jahre, fünfzehn Folgen. Wie immer überzeugt die „Nachtschicht“
       > nicht mit einem genialen Plot, sondern mit der Starbesetzung.
       
 (IMG) Bild: Nicht nur Frederick Lau aus „4 Blocks“ ist dabei, sondern auch Almila Bagriacik (r.)
       
       Da variieren sie diesmal also das Motiv aus „Immer Ärger mit Harry“, jenem
       lustigsten aller Hitchcock-Filme, in dem eine Leiche – Harry – mehrfach
       wieder ausgebuddelt wird und irgendwie immer im Weg ist. Nur das Harry hier
       eben Johnny heißt. Gestorben ist er einen Tod, wie Berlins peinlichster
       [1][Playboy Rolf Eden] ihn sich wünschen würde: beim Beischlaf. Der Johnny
       war ein ganz ähnlicher Aufreißer wie Eden, nur hat er sein Geld nicht mit
       Nachtclubs gemacht, sondern mit Möbelmärkten.
       
       Nun stört Johnnys Leiche den Betrieb im Puff und muss weg. Keine große
       Sache, sollte man meinen, wenn die Bullen von der Nachtschicht eine Leiche
       nicht mal erkennen, wenn sie vor ihnen an der Bar sitzt: „Wir sind die
       Nachtschicht. Wir sind die Müllabfuhr. Wir können doch nicht jeden
       Betrunkenen erst mal umdrehen und gucken, ob er noch lebt!“ Keine große
       Sache, meinen auch die Zuhälter und erörtern Fragen wie, wer die Schaufel
       trägt. Keine große Sache, meinen sie auch noch, als sich herausstellt, dass
       die Leiche gar keine Leiche, sondern quicklebendig und außerdem
       geschäftstüchtig ist.
       
       Statt Schweigegeld kassiert Johnny einen Schuss in den Rücken. „Nur nach
       Gehör“, will sagen: Der Zuhälter macht das offenbar nicht zum ersten Mal.
       Seine Gangsterkollegen von der Abteilung „Finanzberatung“ unterhalten sich
       indes auf dem Weg zur Arbeit über die Menopause wie einst John Travolta und
       Samuel L. Jackson über Hamburger.
       
       Apropos: Wir sind natürlich in Hamburg, und irgendwann begrüßt sie alle
       Armin „Bierchen“ Rohde alias Erich Bo Erichsen in der gläsernen Zelle auf
       seinem Kiez-Revier: „Jetzt habt ihr noch freie Sitzplatzwahl. Unser maximal
       zugelassenes Sitzplatzvermögen beträgt zwölf Leute. Aber heute ist Freitag,
       da kann’s richtig voll werden!“
       
       ## Seit 15 Jahren die gleichen Ermittler
       
       Die „Nachtschicht“ geht nach fünfzehn Jahren in die fünfzehnte Folge – da
       weiß man, [2][was man bekommt, wie beim „Traumschiff“]. Ja was eigentlich –
       außer den Ermittlern Rohde und Minh-Khai Phan-Thi, die alleine von der
       Ur-Besetzung noch dabei sind, und Barbara Auer, die in Folge vier dazukam?
       Ganz so gemütlich und menschelnd wie am Vorabend im „Großstadtrevier“
       geht’s nicht zu, obwohl dem Personal nichts Menschliches fremd ist.
       
       Doch, es hat schon auch etwas von Millowitsch, pardon, wir sind ja in
       Hamburg – sagen wir also Ohnsorg, in jedem Falle: Volkstheater. Die
       Derbheit. Die Nummernrevue. Der Slapstick und die Kalauer, mal mehr, mal
       weniger, in dieser Folge: mehr als genug. Die Figuren, die wahnsinnig
       authentisch, doch auch immer gnadenlos überzeichnete Kunstfiguren sind. Das
       Spielerische, die Schaustellerei, der Spaß an der Räuberpistole. Keine
       überambitionierte Milieu-Kolportage-Kiez-Saga à la „Der König von St.
       Pauli“, sondern eine nur etwas aus dem Ruder gelaufene Nachtschicht auf St.
       Pauli eben.
       
       „Nachtschicht“-Erfinder, -Autor und -Regisseur Lars Becker hat sich über
       die Jahre sein eigenes Genre geschaffen, das er souverän bespielt. Der Plot
       ist relativ egal, die Priorität liegt bei der Besetzung und den Auftritten
       des Ensembles, also vor allem Rohdes, und toller Gastschauspieler, die sich
       von Becker offenbar nicht lange bitten lassen. In dieser Folge: Natalia
       Wörner („Unter anderen Umständen“) als coole Ex-Prositutierte/Witwe, als
       Frau mit Vergangenheit, auch mit Erichsen: „Ich war 20 Jahre auf der Meile,
       Schätzchen, jede fucking Nacht“; Gustav-Peter Wöhler („Erleuchtung
       garantiert“) als schmieriger Gangster-Anwalt und Porschefahrer, der
       erklärt: „Solange es Polizisten wie Sie gibt, Erichsen, arbeite ich sogar
       umsonst!“; Philipp Hochmair („Vorstadtweiber“) als Vogelkundler; Frederick
       Lau („Victoria“) und [3][Kida Khodr Ramadan („4 Blocks“)] in ihren
       Paraderollen als Proll vom Dienst und als Gangster vom Kiez, St. Pauli
       statt Neukölln.
       
       Ach so, und am Ende wird Johnny tatsächlich wieder ausgebuddelt.
       
       12 Nov 2018
       
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