# taz.de -- Wahlkampf in Hessen: Ein Griff ins Schulklo
       
       > Bildungspolitik gilt als Top-Wahlkampfthema in Hessen. Während die CDU in
       > die Defensive gerät, versuchen Grüne das Kloproblem zu nutzen.
       
 (IMG) Bild: Die Grünen versprechen Schultoiletten, vor denen sich niemand ekeln muss
       
       Wiesbaden taz | Bis zum vergangenen April galt das Problem in Hessen als
       überwunden: [1][systematischer Unterrichtsausfall]. Zumindest laut der
       schwarz-grünen Landesregierung: Durch großzügige Lehrerzuweisung seien 105
       Prozent der vorgeschriebenen Unterrichtsstunden abgedeckt und es gebe
       genügend Luft für Vertretungsunterricht bei Krankheit und Klassenfahrten.
       Die Oppositionsparteien und die Bildungsgewerkschaft GEW wiesen diese
       Rechnung jedoch als Schönrednerei zurück.
       
       Die entscheidende Argumentationshilfe für sie kam mitten im
       Landtagswahlkampf vom pfiffigen Landesschülerrat (LSR). Dieser hatte
       Schülervertretungen aufgefordert, die Vertretungspläne ihrer Schulen an
       einem beliebig ausgewählten Mittwoch, den 11. April, zu fotografieren und
       einzureichen. In den 97 Schulen, die mitgemacht hatten, waren an diesem Tag
       1.605 Stunden ausgefallen; übertragen auf die über 1.000 Schulen in Hessen
       bedeute das einen Ausfall von 16.500 Stunden, rechnete der LSR.
       
       Landesschülersprecher Fabian Pflaume nannte die Zahlen „schlichtweg
       erschlagend“. Die erhobenen Daten seien „offensichtlich nicht
       repräsentativ“, erklärte dagegen das Kultusministerium. Die Erzählung von
       lückenloser Unterrichtsabdeckung gilt trotzdem als widerlegt.
       
       Der Streit um Schulpolitik ist im [2][hessischen Landtagswahlkampf] laut
       Umfragen das wichtigste Thema. Fragt man die WählerInnen, welche Parteien
       in der Schulpolitik besonders kompetent sind, rangiert die SPD deutlich vor
       CDU und Grünen. Die CDU und ihr Kultusminister Alexander Lorz haben
       offensichtlich ein Problem. Beim Bildungspodium des hessischen Fernsehens,
       bei dem VertreterInnen der sechs aussichtsreichsten Parteien zu Wort kamen,
       geriet der Kultusminister in die Defensive.
       
       ## SPD wirft Grünen Lehrermangel vor
       
       Konfrontiert mit Berichten von Eltern und Schülern über Unterrichtsausfall,
       zog er zwar eine positive Bilanz seiner Arbeit: Noch nie habe es in Hessen
       so viele LehrerInnen für so wenige SchülerInnen gegeben wie heute.
       Allerdings könne er sich vorstellen, „die Vertretungsregeln zu
       überarbeiten“, sagte Lorz. Bislang wird zum Beispiel Unterricht in der
       Oberstufe grundsätzlich nicht durch Vertretungen ausgeglichen.
       
       Die Oppositionsparteien stellen Lorz und der schwarz-grünen Schulpolitik
       ein miserables Zeugnis aus. Die FDP, die bis 2015 die Kultusministerin
       stellte, wirft Lorz vor, sich bewusst blind zu stellen. Die Linken sprechen
       angesichts Hunderter fehlender GrundschullehrerInnen von einer „völlig
       verfehlten Planung“. SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel zieht mit der Formel
       durchs Land: „[3][Unterrichtsausfall und Lehrermangel] tragen in Hessen die
       Farben Schwarz-Grün!“
       
       Und am Ende wird bei jeder Veranstaltung zur hessischen Schulpolitik der
       [4][erbärmliche Zustand von Schultoiletten] angesprochen. So war es auch
       bei der Diskussion mit dem Wiesbadener Jugendparlament, zu der
       Kultusminister Lorz als dortiger CDU-Direktkandidat eingeladen war.
       
       ## Sanierung von Schultoiletten
       
       Als es um die Schultoiletten ging, schob Lorz eine kleine Belehrung über
       den „Aufbau unseres Staatswesens“ ein: Für die Schulbauten und deren
       Unterhalt seien die Städte und Landkreise zuständig; das Land helfe den
       Kommunen mit vielen Milliarden Investitionshilfe, über die Städte und
       Gemeinden jedoch selbständig verfügten, so Lorz.
       
       Auch der Grüne Mathias Wagner, der als möglicher nächster Kultusminister
       gehandelt wird, machte die Kommunen verantwortlich. Anders als der
       Kultusminister ging er aber in die Offensive. Im grünen Wahlprogramm sei
       ein millionenschweres Investitionsprogramm für die Kommunen vorgesehen –
       zweckgebunden für die Toilettensanierung.
       
       Seine Partei werde dafür sorgen, „dass es in fünf Jahren keine
       Schultoilette mehr gibt, vor der man sich ekeln muss“, versprach der Grüne
       Wagner und bekam viel Beifall. Damit versprach er die Lösung eines
       Problems, das die CDU an die Kommunen weiterreicht. Die Grünen zögern
       nicht, sich gelegentlich auf Kosten des Partners zu profilieren –
       vielleicht deshalb der Höhenflug.
       
       27 Oct 2018
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christoph Schmidt-Lunau
       
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