# taz.de -- Kommentar Wahl in Brasilien: Erschreckende Normalität
       
       > Veranwortlich für die Wahl von Jair Bolsonaro ist auch Brasiliens
       > politische und wirtschaftliche Elite. Für ihren Machterhalt nimmt sie
       > alles in Kauf.
       
 (IMG) Bild: Hat sich bei den Wahlen in Brasilien durchgesetzt: Ex-Fallschirmspringer Jair Bolsonaro
       
       Es war ein zutiefst tragischer Wahltag in Brasilien. Erschreckend war schon
       die Normalität, ja geradezu Gleichgültigkeit, mit der das vorhergesagte
       Ergebnis und der tiefe Einschnitt in die Geschichte des Landes zur Kenntnis
       genommen wurde. Viele Millionen Menschen gaben dem erklärten
       Rechtsextremisten Jair Bolsonaro ihre Stimme. Ab dem 1. Januar 2019 wird
       ein Befürworter von Folter, der sich über Minderheiten lustig macht und
       politische Gegner in den Knast stecken will, das größte Land Lateinamerikas
       regieren.
       
       Es ist über die Landesgrenzen hinaus ein dramatisches Signal. Der
       Rechtsruck in der Region ist endgültig besiegelt. Und die Linie, die
       menschenverachtende Diskurse und ihre Umsetzung in der Praxis notdürftig
       begrenzte, ist weit nach rechts verschoben worden. Tödliche Polizeischüsse,
       Vertreibung von Indígenas, Morde an Andersdenkenden oder -aussehenden und
       die Abholzung des Amazonaswaldes sind jetzt demokratisch legitimiert.
       
       Die Hoffnung, dass Bolsonaro nicht all das umsetzen wird, was er ankündigt,
       ist nachvollziehbar. Nur gibt es wenig Anlass für diese Hoffnung. Die
       rechtsstaatlichen Institutionen in Brasilien, allen voran die machthörige
       Justiz und die Medien, machen nicht den Eindruck, dass sie seinem Tun
       Einhalt gebieten würden. Zumal es nicht nur um seine Taten geht: Genau wie
       er behauptete, keine Schuld an den millionenfach in seinem Namen
       verschickten Fakenews zu haben, genauso wird er es nicht verantworten, wenn
       Schlägertrupps, Milizen und skrupellose Landbesitzer das umsetzen, was er
       mal als Neuanfang, mal als Säuberung und mal als notwendiges Übel
       ankündigte.
       
       Dass es soweit kommen konnte, hat viele Gründe. Die Fehler der gemäßigten
       Linken, die jahrelang an der Macht war und auch gravierende Fehler machte,
       gehören genauso dazu wie die ausgebliebene Aufarbeitung der Militärdiktatur
       (1964-1985) und ein seit langem angefaultes politisches System. Die größte
       und aktive Verantwortung trägt jedoch die politische und wirtschaftliche
       Elite, die für ihren eigenen Machterhalt alles in Kauf nimmt.
       
       Sie hat mit tatkräftiger Unterstützung der Medien ihr politisches
       Gegenüber, die Arbeiterpartei, verteufelt und als das grundsätzlich größere
       Übel dargestellt. Ihr Ziel war nicht, Bolsonaro an die Macht zu bringen.
       Doch mangels eigener konservativer Kandidaten, die alle im Sog von
       Korruption und Vetternwirtschaft untergingen, blieb dieser Elite am Ende
       nur noch die Option des Rechtsextremismus, um eine Neuauflage der durchaus
       erfolgreichen Regierung der Arbeiterpartei zu verhindern.
       
       Unisono zeigten die Massenmedien bereits am Wahlabend, wie es nun
       weitergehen wird: Die Kommentatoren glaubten und lobten Bolsonaros
       Ankündigung, die Verfassung zu respektieren und inneren Frieden herstellen
       zu wollen. Aber die Ankündigung des unterlegenen Fernando Haddad, den
       Rechtsstaat und die Institutionen zu verteidigen, wurde als aggressiv oder
       kontraproduktiv abgetan.
       
       29 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Behn
       
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