# taz.de -- Rainer Schäfer Radikale Weine: Knochentrockene Landwein-Rebellen
       
       Baden ist ein eher konservativer Flecken Erde, auch in Weinfragen. Noch
       immer halten hier viele Genossenschaften und Winzer das Ideal des
       sonnenverwöhnten und speckigen Burgunders hoch. Einer wie Dirk Brenneisen
       eckt deshalb an. Bei der Qualitätsweinprüfung wurden seine Weine regelmäßig
       als „untypisch“ kritisiert und ihnen die AP-Nummer verwehrt, wie die
       Amtliche Prüfungsnummer im Winzerjargon heißt.
       
       „Wenn ein Wein dem Prüfer gefallen hat, dann hat er mir nicht geschmeckt“,
       sagt Brenneisen. So einer kann in Baden schnell zum Rebellen werden, dabei
       ist Brenneisen, Jahrgang 1972, gar kein Typ, der auf Krawall gebürstet ist.
       Ruhig und zurückhaltend ist er, man muss genau hinhören, wenn er im Dialekt
       des Markgräflerlands spricht, dem südlichsten Zipfel Badens, der direkt an
       die Schweiz grenzt.
       
       Seine Weine baut der Winzer aus Egringen im Holz aus und lässt sie lange
       auf natürlichen Hefen liegen, also auf dem, was auf der Beerenhaut und im
       Keller lebt. Diese durchgegorenen Weine schmecken anders als der
       Mainstream, der mit Reinzuchthefe im Edelstahlfass ausgebaut und möglichst
       früh abgefüllt wird, was oft sehr fruchtige Weine zum Ergebnis hat.
       
       Dass diese als gebietstypisch gelten, während „Weine mit individuellem
       Charakter“ abgekanzelt werden, konnte Dirk Brenneisen nicht akzeptieren.
       2006 kratzte er alle Etiketten mit AP-Nummer von seinen Flaschen, seitdem
       füllt er nur noch Landwein ab – das ist die Kategorie im deutschen
       Weinrecht, die keine amtliche sensorische Prüfung mehr erfordert. „Ich
       hatte deswegen einige schlaflose Nächte“, gibt Brenneisen zu, der zu den
       Initiatoren des Badischen Landweinmarkts zählt, der 2017 zum ersten Mal
       ausgerichtet wurde.
       
       Was diese Landwein-Rebellen anbieten, lohnt sich zu entdecken. Es sind
       handwerklich erzeugte und oft unkonventionelle Weine wie Brenneisens
       Chardonnay Schwyzer aus dem Jahrgang 2014, den er „auf Langlebigkeit
       vinifiziert hat“: die Trauben hat Brenneisen nicht überreif geerntet. Sie
       haben einen höheren Säuregehalt, brauchen im Barrique länger zur
       Entfaltung, haben auch eine längere Lebensdauer.
       
       Die Reben des Schwyzer stehen in einer Lage auf 260 Metern. Der Wein ist
       knochentrocken und sehnig gebaut, mit seiner selbstbewussten Säure erinnert
       er an die berühmten Meursault-Weine aus dem Burgund, aber mit Markgräfler
       Handschrift und Dialekt. Er bereitet jetzt schon Trinkvergnügen, kann aber
       auch noch weiter reifen.
       
       27 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rainer Schäfer
       
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