# taz.de -- Der Lack ist ab, das Ende nah
       
       > Im Theater am Goetheplatz inszeniert Michael Talke Verdis Oper „Der
       > Maskenball“ als bildgewaltiges Untergangsszenario. Die alten Mächte gehen
       > den Bach runter, während die Verschwörung der Fiesen unaufhaltsam zur
       > gefährlichen Massenbewegung heranwächst
       
 (IMG) Bild: Da geht die Majestät zu Boden: Verdis „Maskenball“ am Goetheplatz
       
       Von Florian Maier
       
       Der Vorhang schimmert in grellem Gold und ziert eine antike Häuserfassade,
       Menschen mit aufwendigen Barockfrisuren versammeln sich davor. Das Bild
       beginnt zu bröckeln, als eine Gruppe schwarz gekleideter Menschen
       bedrohlich über die Bühne geistert. Unwohlsein breitet sich aus und als der
       Vorhang fällt, bricht die Fassade schließlich in sich zusammen. Es bleibt
       nur ein Blick in die Dunkelheit.
       
       Michael Talke inszeniert Giuseppe Verdis „Un Ballo in Maschera“ im Theater
       am Goetheplatz. Von einer Wahrsagerin erfährt Schwedens König Gustav III.,
       dass eine Verschwörung gegen ihn im Gange sei – angeführt von seinem besten
       Freund Renato. Der König glaubt ihr nicht, ignoriert alle Warnungen und
       trifft sich sogar noch mit der Frau des Verschwörers, was diesen wiederum
       bis zur Mordlust erzürnt. Auf einem Maskenball des Königs kommt es zum
       Showdown.
       
       Trotz des historischen Stoffs widmet sich die Inszenierung aktuellen
       politischen Themen. Zu Beginn lässt Talke eine noch kleine Gruppe schwarz
       gekleideter Menschen auf der Bühne erscheinen, die im Laufe des Abends zu
       einer alle vereinnahmenden Bewegung heranwächst: ein starkes Bild vor
       bröckelnder Umgebung, in der die Gruppe die Machtübernahme plant. Die
       herrschaftlichen Straßenzüge fallen mit großem Getöse auseinander und
       geben den Blick auf die dahinter liegenden Streben frei. Ein erinnernder
       Rest vom Prunk aber bleibt: Daran angebrachte Lichter vermitteln festliche
       Jahrmarktstimmung. Für dieses großartige Bühnenbild ist Barbara Steiner
       verantwortlich.
       
       Leichtfüßig, fast schon naiv, wandert der König durch dieses Szenario –
       leider sehr zurückhaltend dargestellt von Luis Olivares Sandoval. Erst der
       Schlussapplaus erinnert daran, wer hier eigentlich die Hauptperson war. Um
       Längen stärker: Romina Boscolo als Wahrsagerin Ulrica. Sie beeindruckt mit
       einem gewaltigen Stimmumfang, der von tiefstem Alt bis zum höchsten
       Mezzosopran reicht. Auch Birger Radde versteht es, einen die Wut und den
       Schmerz des Renato spüren zu lassen, ohne überbordendes Pathos zu bemühen.
       Davon hat die Inszenierung eh mehr als genug zu bieten, wenn etwa Patricia
       Andress als Amelia gestenreich zusammenbricht und dort über die ganze
       nächste Szene liegen bleibt.
       
       Und dann diese wunderbaren Massenszenen des durchweg präzise
       choreografierten Chores. Dieser breitet sich trittsicher im gesamten
       Bühnenraum aus. So werden die schwarz gekleideten Verschwörer tatsächlich
       zur Massenbewegung und versuchen, nach dem Tod des Königs die Krone zu
       ergattern. Ob sie es schaffen, bleibt offen. So lässt sich das Spiel als
       Reflexion der aktuellen politische Situation deuten: Die etablierten Mächte
       schwächeln und schon ist eine zunächst kleine, bösartige Bewegung vor Ort,
       die den Zerfall der Umgebung geschickt ausnutzt. Und schließlich selbst den
       ursprünglich loyalen Renato für sich gewinnt. Er wird zuletzt sogar die
       ausführende Kraft des Umsturzes, als er dem König das Messer in den Rücken
       rammt.
       
       Viel Hoffnung bleibt da nicht: Eine Handlungsanweisung, wie sich die
       Unheilsbewegung stoppen ließe, hat das Stück nicht zu bieten. Es ist ein
       gewaltiges, düsteres Gesamtbild, das so wirkungsvoll ist, gerade weil bei
       aller Opulenz im Rahmen auch die kleinen Bilder in diesem Stück so treffen.
       So findet sich Amelia, die Angebetete des Königs und gleichzeitig Frau von
       Renato, gefangen in einem kleinen Einfamilienhaus mit Mann und Sohn. Der
       eigentliche Wunsch scheint der Ausbruch aus dieser Vorstadtidylle. Hierbei
       kommt der liebestrunkene König gerade recht, der in ihr Gefühle weckt, die
       sie für Renato nicht zu hegen scheint. Die Bühne ist hier gestaltet als
       kleines, zellengleiches Zimmer mit karger Ausstattung und Wandtattoos in
       Blumenoptik. Es wirkt wie das schlimmste Gefängnis.
       
       Verstecken oder Alleinsein scheint hier nicht möglich. Der Ausbruch bleibt
       am Ende die einzige vorstellbare Möglichkeit. Das lückenlose Zusammenspiel
       des Großen mit dem Kleinen ist zeitweise mit dem Holzhammer konstruiert.
       Die Einzelschicksale sind so verwoben mit der großen Politik, jedes kleine
       Problem hat immer gleich dramatische Auswirkungen. Das nimmt der Thematik
       bisweilen ein wenig von seiner Ernsthaftigkeit. Doch immer wieder erkennt
       man die Liebe zum Detail. Kostüm, Bühne und Charaktere sind präzise
       gezeichnet und in Position, wenn es drauf ankommt: wenn Fassaden fallen.
       
       Wieder: 30. 10. sowie 1., 7. und 17. 11., 19.30 Uhr, Theater am Goetheplatz
       
       27 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Maier
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA