# taz.de -- Meeresrauschen per Handgriff
> Vom Streichen und Streicheln, Wischen und Wahrnehmen: Das
> Ausstellungsprojekt „Touch“ in der Neuen Gesellschaft für bildende Kunst
> nimmt Berührung als eine ambivalente Geste der Gegenwart ins Visier
(IMG) Bild: Florian Meisenberg„Wembley, farewell my concubine“, 2013, FilmstillFoto: Barbara Proschak/nGbK
Von Julia Gwendolyn Schneider
Eine Hand streichelt eine Katze. Gewissermaßen zumindest: Der Kurzfilm von
Florian Meisenberg zeigt eine Katze, die sich in einem Schaufenster
aufhält. Die Hand berührt nur die Scheibe. Den Austausch scheinen trotzdem
sowohl die Person als auch die Katze zu genießen. Zu sehen ist die Arbeit
in der Ausstellung „Touch“, zu sehen aktuell in der nGbK. Diese zeigt
zeitgenössische Kunst, bei der Berührung im Fokus steht. Passend zur
Dauerpräsenz von Touchscreens ist dabei das Berühren von technischen
Geräten ein wesentlicher Aspekt. Das Kuratorenteam fragt danach, welchen
Einfluss das Bedienen von Smartphones und anderen taktilen Technologien auf
den Körper, die Kommunikation und das Verständnis von Berührung hat.
Im Katzenfilm spiegelt sich die Illusion der Berührung wider, die über
digitale Geräte erzeugt wird. Das Streichen über einen Touchscreen kommt
der Geste des Streichelns schließlich recht nahe. Dabei kann die
Urerfahrung des Streichelns in eine ökonomische Strategie überführt werden,
die Nutzer stärker an Waren bindet als das umständliche Tippen auf Tasten.
In seiner zweiteiligen Videoarbeit „What Shall We Do Next?“ (2007–2011 und
2014) geht Julien Prévieux auf die Geschichte der Patentierung physischer
Gesten ein, wie das Wischen und Heranzoomen. Die Arbeit betont, wie Gesten
zu kommerzialisierten Normierungsapparaten werden, die die menschliche
Kommunikation mit Displays steuern. Ein Animationsfilm zeigt ein Archiv
gestenbasierter Bedienungen, die beim Patentamt der Vereinigten Staaten
urheberrechtlich geschützt wurden, um sie künftig zu nutzen. Im zweiten,
sehr sehenswerten Teil, verwandeln sechs Performer die patentierten
Handgesten in Tanznotationen und unterwandern damit die praktische
Funktion.
„Phone Etching“ (2015) von Andrea Büttner benutzt Fingerspuren, die die
Künstlerin auf ihrem Smartphone-Display hinterlassen hat. Die Spuren des
manuellen Wischens wurden stark vergrößert und in eine Radierung
übertragen, die an gestisch abstrakte Malerei erinnert. Geschickt zeigt die
Künstlerin eine massenhaft vollzogene Geste, die als individueller Ausdruck
normalerweise unsichtbar bleibt. Vielleicht verweisen die Fingerabdrücke
aber auch auf die persönlichen Spuren, die man unbewusst im Netz
hinterlässt?
Stephanie Kiwitts fotografische Arbeit thematisiert die gesellschaftliche
Transformation, die mediatisierte Prozesse in der Arbeitswelt auslösen. Bei
den Tagelöhnern einer Werft in Antwerpen fällt durch den Gebrauch von
Tablet-Computern – mit denen die Arbeiter nun von zu Hause aus anheuern –
der Moment des gemeinsamen Wartens am Morgen weg. Kiwitts Fotografien
halten das Warten und Anheuern der Hafenarbeiter wie auch die Einführung in
die digitale Anheuerung fest – mit einem Anteil nehmenden Blick, frei von
einer direkten Bewertung.
Gegen das Diktat des Visuellen in der bildenden Kunst richten sich zwei
sehr unterschiedliche Arbeiten. Ruth Buchanan kommentiert einen
museumspädagogischen Film aus den 1970er Jahren, der Kinder in physischer
Interaktion mit musealen Exponaten zeigt. Ein Angebot zum aktiven Berühren
von Objekten geht auch von Cevdet Ereks Soundarbeit aus. Ein Stück Teppich,
das wie ein Gemälde an der Wand aufgehängt ist, fordert dazu auf, mit den
Händen darüberzustreichen, um eine Art Meeresrauschen zu erzeugen.
Zentral für die Thematik der Ausstellung ist auch die Arbeit von Maja
Zimmermann. In Gesprächen mit Personen, deren Arbeitsalltag auf physischer
Berührung basiert, wird deutlich, wie komplex das Zusammenspiel von
Selbstbestimmung, Abgrenzung und die Versicherung körperlicher Präsenz ist.
Während man in der Touchscreengesellschaft zunehmend auf die Oberfläche
fokussiert ist, wächst das Angebot an Körper- und Heilpraktiken. Auch
verweisen die Kuratoren auch auf das Netzkultur-Phänomen ASMR – kurz für
Autonomous Sensory Meridian Response –, ein beruhigendes Kribbeln auf der
Haut, das etwa das Knistern von Papier oder das Kneten von Teigmasse
auslösen kann. Bevor die eigentliche Ausstellung beginnt, wird das Phänomen
anhand einer YouTube-Playlist und eines Instagram-Feeds präsentiert.
Obgleich ASMR unzählige Klicks erzeugt, ist es als Phänomen noch
unerforscht.
Mit dieser Ouvertüre stellen die Ausstellungsmacher eine wichtige Frage in
den Raum, auch wenn sie ihre Ausstellung nicht explizit darauf ausgerichtet
haben, diese zu erkunden: Was würde es bedeuten, wenn sich tatsächlich eine
Verschiebung der Wahrnehmung anbahnt – und wir Befriedigung zunehmend in
virtuellen Formen der Berührung finden?
„Touch“, nGbK, Oranienstr. 25, bis 18. November
11 Oct 2018
## AUTOREN
(DIR) Julia Gwendolyn Schneider
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