# taz.de -- Kommentar Sexuelle Gewalt in der Kirche: Bedauern reicht nicht
       
       > Die katholische Kirche will ernsthafte Lehren aus der Missbrauchsstudie
       > ziehen. Dann muss sie endlich auch Täternamen öffentlich machen.
       
 (IMG) Bild: Der Papst entschuldigte sich bei den Opfern von sexueller Gewalt – mehr ist bislang nicht passiert
       
       Die katholische Kirche hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn es um die
       Aufarbeitung sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen geht. Bislang
       wurde man den Verdacht nicht los, dass sie sich mehr oder weniger sträubt,
       die seit 2010 öffentlich gewordenen [1][massiven Vorfälle] ernsthaft
       aufzuarbeiten. Diesem Eindruck versuchen die Kleriker nun mit einer groß
       angelegten Studie entgegenzuwirken, die die Strukturen eines
       missbrauchsfördernden Systems offenlegen soll.
       
       Die Studie, die am Dienstag in Fulda vorgestellt wurde, ist ein erster
       Schritt. Auch wenn das Projekt Mängel hat, die die ForscherInnen selbst
       benannten. So bekamen sie keinen direkten Zugang zu den Originalakten und
       waren auf freiwillige Mitarbeit der Bistümer angewiesen. Von diesen hat
       jedoch nur ein Drittel seine Archive geöffnet. Die Befunde, die die
       ForscherInnen aus kirchlichen Personalakten, Strafakten und Interviews mit
       Betroffenen ziehen, zeichnen daher nur ein unvollständiges Bild der
       Gewalttaten. Die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher, da sind sich
       die ExpertInnen einig, sie sprechen bei ihren Ergebnissen von „der Spitze
       eines Eisberges“.
       
       Bislang blieben Reaktionen von Kirchenvertretern [2][bis hinauf zum Papst]
       nach solch beschämenden Enthüllungen meist auf der Bekenntnisebene stecken:
       Die Kleriker missbilligen und verurteilen sexuelle Gewalt in den eigenen
       Reihen. Genau das kostet die katholische Kirche Glaubwürdigkeit. Das
       scheint sie – so hofft man – mittlerweile verstanden zu haben.
       
       Am Dienstag zumindest sagte Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der
       Bischofskonferenz: „Es geht hier nicht um Rettung einer Institution.“ Ein
       Satz, den man so von einem hohen Würdenträger noch nie gehört hatte.Will
       die katholische Kirche ernsthaft das System von sexueller und seelischer
       Gewalt an Minderjährigen offenlegen und so weit es geht beseitigen, kommt
       sie wohl nicht drumherum, auch Namen zu nennen. Obwohl Marx im Hinblick auf
       die Familien der Beschuldigten genau davor warnt.
       
       Täternamen zu veröffentlichen tut weh, Täternamen dürften die
       Glaubensinstitution in ihren Grundfesten erschüttern. Aber will die
       katholische Kirche jemals wieder glaubwürdig sein und das Vertrauen in die
       Sicherheit von Schutzbefohlenen zurückerlangen, sollte sie diesen Schritt
       nicht scheuen. Und im nächsten Schritt die Täter entlassen und nicht – wie
       mitunter geschehen – versetzen und befördern.
       
       Nur wenn Täternamen bekannt sind, wird sich tatsächlich etwas ändern. Es
       ist wie mit der #MeToo-Kampagne: Das System sexueller Gewalt an Frauen in
       nahezu allen Branchen ist seit Langem bekannt. Doch solange keine Namen
       fielen, wurde [3][den Opfern kaum Glauben geschenkt], die Täter durften
       sich sicher fühlen, verfolgt wurden sie nur selten. Das änderte sich erst,
       als die Weinsteins und Wedels tatsächlich abtreten mussten. Es geht dabei
       keineswegs um willkürliches und rachsüchtiges Anprangern. Es geht um die
       körperliche und seelische Unversehrtheit von Minderjährigen. Und das ist
       ein Menschenrecht – auch in der Kirche.
       
       25 Sep 2018
       
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