# taz.de -- Brennendes Moor bei Meppen: Eine „brenzlige Situation“
       
       > Bei der Stippvisite von Verteidigungsministerin von der Leyen und
       > Ministerpräsident Weil am brennenden Moor bei Meppen beklagen Anwohner
       > mangelnde Transparenz.
       
 (IMG) Bild: „Brenzlig“ fand Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Lage
       
       Evakuierung. Wer dieses Wort hört, weiß, es ist ernst. In Groß Stavern ist
       es kein Wort, das fremd klingt, dieser Tage. Groß Stavern, ein paar
       Kilometer vom Gefechtsstand des Spezialpionierregiments 164 entfernt,
       Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition (WTD) 91, Meppen,
       gleicht einem Ort unter Belagerung.
       
       Heute ist die Luft zwar fast frei von Brandgeruch, und wer zwischen
       Gasthaus Krange und Dorfladen Kemper steht, sieht keine Rauchschwaden. Aber
       das Feuer ist da, das Feuer im Moor, westlich von hier. Und nur wenige
       Einwohner sind zu sehen, dafür Dutzende Einsatzfahrzeuge von Polizei bis
       [1][Katastrophenschutz], eine DRK-Schnelleinsatzgruppe, ein riesiges
       Wasserreservoir des Technischen Hilfswerks (THW).
       
       Niemand hier weiß, ob der Ort geräumt werden muss. Das hängt davon ab, wann
       es wieder regnet, wie vergangenen Nacht. Und vom Wind, der Funken
       kilometerweit tragen kann, über alle Riegelstellungen hinweg.
       
       Zwei Laugenstangen 1,50 EUR, wirbt der Dorfladen, als ob alles hier noch so
       normal wäre wie vor den Luft-Boden-Raketen, mit denen die Bundeswehr das
       Moor [2][Anfang September in Brand geschossen] hat. Aber nichts ist hier
       mehr normal.
       
       Celven Osteresch aus Neudersum, das nicht weit von hier liegt, steht auf
       dem Dorfplatz und wirkt, als könnte er immer noch nicht ganz glauben, was
       er hier gerade sieht. „Was hier los ist“, sagt er, „haben wir erst aus den
       Nachrichten erfahren.“
       
       ## Nach ein paar Minuten sind die Politiker wieder weg
       
       Gutes Stichwort: Die Blaulicht-Kolonne von Verteidigungsministerin Ursula
       von der Leyen (CDU) und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD)
       rauscht ran, Feldjäger vorneweg. Beide werden nur ein paar Minuten bleiben,
       umringt von Bodyguards, schnell ein paar Bilder, schnell ein paar
       belanglose Sätze, schnell weiter ins Meppener Kreishaus. Da warten die
       Bürgermeister der Region.
       
       Ein paar Groß Staverner, die lieber anonym bleiben wollen, schütteln über
       diese Art von Krisentourismus den Kopf, zornig, enttäuscht: „Typisch. Für
       uns Anwohner haben die keine Zeit.“ Wer hier Bundeswehr-Tarnmuster trägt,
       hat es bei ihnen schwer. „An Informationen kam von denen kaum was.“ Ganz am
       Anfang haben Leute von hier angeboten, beim Löschen zu helfen, mit Gülle.
       „Nein, hieß es, machen wir selbst.“
       
       Nur wenige Schritte entfernt ein Kriegerdenkmal, für 1914/18 und 1939/45,
       mit „Heimat“ und „Vaterland“ drauf und „Ruhet sanft in fremder Erde“. Eben
       fährt ein Mädchen auf Inlinern dran vorbei; um den
       Bundeswehr-Verkehrseinweiser kümmert sie sich nicht. Also doch noch ein
       bisschen Normalität hier.
       
       Von der Leyen macht nicht nur in Groß Stavern eine schlechte Figur, an
       diesem 22. September, an dem sie den Meppener Moorbrand besucht. Gut, am
       Ende, umringt von reichlich Uniform- und Anzugträgern, entschuldigt sie
       sich, räumt „Fehler“ ein, die Informationen seien „holprig“ gewesen, man
       habe nicht schnell genug Hilfe geholt, man müsse „eine Scharte auswetzen“.
       Auch von einer „brenzligen Situation“ spricht sie, das klingt dann ein
       bisschen seltsam. Aber es sind pathetische Allgemeinplätze wie
       „Schulterschluss“, die überwiegen. Oberst Thomas Groeters, Stunden zuvor
       auf seiner Lagebesprechung, gespickt mit Worten wie „Führungsfähigkeit“,
       noch betont selbstsicher, sieht plötzlich ziemlich verkrampft aus.
       
       Für einen Blick aufs brennende Moor nimmt von der Leyen sich übrigens keine
       Zeit. Kilometerlange Rauchfahnen machen sich eben nicht gut als
       ministerieller Fotohintergrund.
       
       Sieben Kilometer Brandausdehnung in Nord-Süd-, bis zu zwei Kilometer in
       Ost-West-Richtung? Wer sich das Einsatzgebiet nicht selbst ansieht, aus der
       Nähe, am Boden, versteht nicht, wie riesig das ist. Ein Bus des
       Bundeswehr-Fuhrparks bringt uns hin. „Wir. Dienen. Deutschland.“ steht
       dran. Naja, gerade wohl eher weniger.
       
       Eine endlose Straße liegt vor uns, gerade wie mit dem Lineal gezogen,
       gesäumt von Schläuchen, Pumpen, Generatoren, Brandwachen. Überall
       flackerndes Blaulicht, gellende Kompressorfanfaren. Wieder und wieder rote
       Ampeln an Wegen in die Kiefernwälder: „Schießbetrieb. Lebensgefahr.“
       
       ## Das verwundete Moor
       
       Und dann geht es diesen Gitterturm hoch, je höher, desto schwankender, und
       da ist er dann, der Blick übers verwundete Moor, und die Einsatzfahrzeuge
       sehen nicht nur von hier ziemlich mikroskopisch aus.
       
       Wer mit Henning Groth redet, der am Haupttor des WTD 91 die rein- und
       rausfahrenden Einsatzkräfte registriert, am THW-Zugtruppfahrzeug, merkt
       schnell, welche Ausmaße der Einsatz hat. Groth kommt vom Ortsverband
       Itzehoe, fast 300 Kilometer entfernt von hier, und „was da draußen im
       Gelände los ist“, weiß er nicht. Bis Dienstag wird Groths Einheit bleiben.
       
       Der 22. September ist der erste Tag, an dem die WTD 91 sich daran erinnert,
       was Transparenz bedeutet. Der Schlagbaum öffnet sich, gleich links das
       Zeltfeldlager des THW. Es wächst und wächst. Im Regimentsgefechtsstand ist
       ein Kanister Kaffee aufgebaut, Kekse liegen in Reih und Glied. Und dann
       heißt es warten. Auf die Ministerin. Und Sarkasmen sind zu hören: Da wird
       doch nicht etwa ihr Helikopter ausgefallen sein? Wäre ja kein Wunder beim
       Zustand der Bundeswehr …
       
       ## Ernste Blicke
       
       Die gibt sich staatstragend. Allerdings mit Pausen. Läuft eine Kamera, sind
       die Blicke ernst und betroffen, läuft keine, werden auch schon mal Witze
       gerissen. Am Nachmittag soll ein Luftwaffen-„Tornado“ das Moor überfliegen,
       heißt es, – auf der Suche nach Glutnestern, per Wärmebild. Eine Gruppe
       Käppi- und Barett-Träger sieht sich an und grinst. Heißt wohl: Falls das
       Ding nicht vor Altersschwäche abstürzt.
       
       Die WTD 91 tut, was sie kann, um fotogen auszusehen: Karten liegen
       malerisch auf Motorhauben, die Combatboots sind auf Hochglanz poliert,
       Tarnfleckentrüppchen stehen malerisch neben Unimogs, Landcruisern und
       G-Klasse-Benzen. Die WTD 91 tut alles, um kompetent rüberzukommen.
       
       Oberst Groeters sagt zackige Sachen wie: „Morgens um 700“, als ob jeder
       wüsste, dass das 7 Uhr ist. Die WTD 91 tut auch alles, um locker
       rüberzukommen: „Moin!“ heißt es am Kaffee-Kanister. Aber diese Lockerheit
       ist mit Nervosität durchsetzt, mit Skepsis. Wer dringt hier ein, in unsere
       Stacheldrahtfestung? Ehrlicher ist da schon der harsche Kommandoton, mit
       dem man uns weiterscheucht: „Nicht stehenbleiben hier! Da vorn geht’s rum!“
       
       ## Schießplatz seit der Kaiserzeit
       
       Andreas Sagurna, Leiter der Brandbekämpfung der Bundeswehr, darf einen
       Lagebericht abgeben. Er macht es in einer KfZ-Halle. Auch das ein betont
       cooles Setting. Unfreiwillig komisch dagegen Details wie dieser
       stylisch-nachtschwarze Klo-Wagen direkt davor. „V.I.P.“ steht dran. Darf
       aber jeder drauf.
       
       Das beißt sich dann ein bisschen mit dem demonstrativen
       Traditionsbewusstsein: Vorn am Haupttor eine Weltkriegs-Flak, auf einer
       Wiese Museums-Panzer. Und, Moment, gab’s den Schießplatz nicht schon in der
       Kaiserzeit? Stimmt, da wurde hier ja sogar der legendäre
       42-Zentimeter-Mörser „Dicke Bertha“ erprobt, Verdun lässt grüßen.
       
       Ach ja, die Evakuierung von Groß Stavern. Die scheint dann doch erst mal
       vom Tisch, zumindest für heute. Okay, es sind Orkanböen angekündigt, aber
       der Wind dreht von Groß Stavern weg.
       
       Der Bundeswehr dagegen weht derweil der Wind immer stärker ins Gesicht.
       Nicht nur, dass ein behördlicher Katastrophenalarm auf ihr Konto geht. Die
       Staatsanwaltschaft ermittelt, wegen fahrlässiger Brandstiftung. Deutschland
       dienen sieht anders aus.
       
       23 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
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