# taz.de -- Serbien kämpft um die Schrift: Kyrillisch oder lateinisch?
       
       > In Serbien wird ein Gesetz vorbereitet, das die kyrillische Schrift
       > schützen und die lateinische degradieren soll. Nun wird in Belgrad
       > diskutiert.
       
 (IMG) Bild: Im Straßenbild von Belgrad gehören beide Schriften zum alltag
       
       „Wir schreiben in lateinischer Schrift. Weil wir es uns wegen dem Internet
       und wegen den Smartphones so angewöhnt haben“, sagen Hana und Iva aus
       Belgrad, beide 13 Jahre alt. Wie alle SchülerInnen in Serbien haben sie in
       der Grundschule zuerst das kyrillische und dann das lateinische Alphabet
       gelernt. Sie dürfen sich aussuchen, in welcher Schrift sie ihre
       Schulaufgaben schreiben.
       
       Das soll sich nun ändern. Das serbische Kultur- und Informationsministerium
       hat eine Gesetzesänderung vorbereitet, die die kyrillische Schrift schützen
       soll und die lateinische zur „Hilfsschrift“ degradieren würde. So soll die
       Kommunikation zwischen staatlichen Institutionen, öffentlichen Betrieben
       oder Fachorganisationen ausschließlich in kyrillischer Schrift
       stattfinden.
       
       Auch Rechnungen sollen in kyrillischer Schrift gedruckt werden müssen,
       ebenso Zeitungen in Staatsbesitz. Private Zeitungen sollen steuerliche
       Erleichterungen bekommen, wenn sie in kyrillischer Schrift erscheinen. Und
       ja, Schulaufgaben müssten natürlich in kyrillischer Schrift geschrieben
       werden.
       
       „Die kyrillische Schrift ist in Serbien bedroht“, erklärte Kultur- und
       Informationsminister Vladan Vukosavljević. Er sei wegen des
       „überdominanten“ Gebrauchs der lateinischen Schrift besorgt, für den er die
       „Globalisierung“ und den „Zeitgeist“ verantwortlich machte. Der Minister
       zeigte sich entschieden, gegen den Zeitgeist zu steuern, weil sich immer
       mehr junge Serben – „vor allem wegen des Internets“ – der lateinischen
       Schrift zuwendeten. Der kyrillischen Schrift drohe der „Nichtgebrauch“, was
       zu ihrem „Aussterben“ führe, schloss Vukosavljević. Für die Missachtung der
       geplanten Regelungen, die die kyrillische Schrift begünstigen sollen, sind
       hohe Geldstrafen vorgesehen.
       
       Noch bevor die Gesetzesänderung ins Parlament kam, entfaltete sich in
       Belgrad eine heftige „Schriftendebatte“. Der Applaus für das Vorhaben
       übertönte die Kritik. Befürworter des „proaktiven“ Kampfes für die
       kyrillische Schrift meinen, es gehe um nichts Geringeres als die Bewahrung
       der „serbischen Identität“, die von allen Seiten bedroht sei. Manche
       bezeichneten die lateinische Schrift gar als „Okkupationsschrift“, die den
       Serben aufgezwungen worden sei.
       
       ## Eine Qual für die Alten
       
       Gegner der umstrittenen Schriftregelung erkennen in der „kyrillischen
       Hysterie“ dagegen retrograden Nationalismus, „falsch verstandenen“
       Patriotismus und eine Einschränkung der Bürgerrechte. „Wenn mir jemand
       vorschreibt, statt der lateinischen die kyrillische Schrift zu verwenden,
       empfinde ich das als Bedrohung meiner Grundrechte“, erklärt Dejan Ilić,
       Redakteur im Verlag „Buchfabrik“ in Belgrad. Der Staat habe kein Recht,
       jemandem Kulturgewohnheiten aufzudrängen und so letztendlich die Identität
       der Bürger zu gefährden.
       
       In der Praxis wäre es für viele ältere Bürger, die seit Jahrzehnten in
       lateinischer Schrift schreiben, eine Qual, auf die kyrillische Schrift
       umzuschalten, wenn sie zum Beispiel Formulare ausfüllen müssen oder ein
       Paket mit der Post senden wollen. Zwar können alle Serben beide Schriften
       lesen und sind sich oft gar nicht bewusst, welche Schrift sie gerade vor
       Augen haben. Doch Schreiben ist etwas anderes.
       
       In Serbien sind fast alle Schulbücher in kyrillischer Schrift gedruckt,
       ebenso Magazine und Comics für Kinder. Auch Geburtsurkunden und
       Schulzeugnisse oder Personalausweise, Führerscheine und Reisepässe sind in
       kyrillischer Schrift. Straßennamen und Wegweiser sind sowohl in
       kyrillischer als auch in lateinischer Schrift geschrieben.
       
       Deshalb ist der bekannte Sprachprofessor Ranko Bugarski überzeugt, die
       kyrillische Schrift sei gar nicht bedroht. Außerdem sei sie von der
       Verfassung als Amtsschrift geschützt. Die angekündigten gesetzlichen
       Zwangsmaßnahmen hält Bugarski für verfassungswidrig, weil die serbische
       Verfassung ausdrücklich jedwede Diskriminierung verbiete.
       
       8 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrej Ivanji
       
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