# taz.de -- Kurdisches Filmfestival in Berlin: Yılmaz Güney, unvergessen
       
       > Der Eröffnungsfilm des Kurdischen Filmfestivals geht dem Leben und Werk
       > des legendären Filmemachers Yılmaz Güney auf die Spur.
       
 (IMG) Bild: Yılmaz Güney revolutionierte das türkische Kino
       
       „Yılmaz Güney hat vielleicht sieben Leben auf einmal gelebt. Sobald du eine
       Tür seines Lebens öffnest, kommen weitere Türen in den Blick. Auch jetzt
       noch, nachdem der Film fertig ist“, erzählt Regisseur Hüseyin Tabak, als er
       am Donnerstagabend bei der Eröffnung des Kurdischen Filmfestivals im Kino
       Babylon mit seinem Filmteam auf der Bühne steht und Fragen aus dem Publikum
       beantwortet. Das persönliche Leben mit dem künstlerischen und politischen
       Werk des berühmten kurdischen Regisseurs zu verbinden, ist kein einfaches
       Unterfangen, schließlich lebte Güney viele Leben zugleich: als
       Schauspieler, Regisseur und politischer Aktivist.
       
       Der Dokumentarfilm Die Legende vom hässlichen König ist eine vorsichtige,
       tastende Reise hin zu einem Portrait von Güney. Der deutsch-kurdische
       Regisseur Tabak führt Gespräche mit Güneys Wegbegleitern und
       Familienangehörigen, die mit Archivmaterial und originalen Filmszenen zu
       einer Einladung arrangiert sind, sich ihm als Menschen zu nähern. Es ist
       auch eine Einladung, Fragen zu verhandeln: Was macht einen Menschen zu dem,
       was sie oder er ist? Wie verhält sich biografisches Leben zu filmischem
       Werk?
       
       Güney revolutionierte das türkische Kino und gilt als Vater des kurdischen
       Kinos. Für viele ist er daher der Filmemacher, der Brücken schlägt zwischen
       Kurd*innen und Türk*innen. Sogar türkische Nationalist*innen mögen Güneys
       Filme und im Übrigen auch Die Legende vom hässlichen König, wie Tabak
       fröhlich erzählt.
       
       Das ist wegen Güneys antifaschistischem, sozialistischem Engagement
       außergewöhnlich. Es zeigt aber zugleich, dass er in der türkischen
       Mehrheitsgesellschaft für seine Filme berühmt war und nicht für sein linkes
       politisches Projekt, das ihm insbesondere in der zweiten Hälfte seines
       Lebens immer wichtiger wurde.
       
       ## Intime, rhythmische Szenen
       
       Tabaks Film erzählt auch seine eigene Reise zu Yılmaz Güney. Die Kamera
       fängt ein, wie er umfangreiches Material über ihn zusammenstellt, sich
       großformatige Notizen an der Wand macht, Güneys Drehbücher studiert, sich
       einfühlt, so wirkt es. So gibt es beispielsweise eine Szene, in der Tabak
       an seinem Schreibtisch sitzt, das Zimmer abgedunkelt, und halblaut Güneys
       Texte liest. Er scheint andächtig in den Texten versunken zu sein, auf die
       Wand ist eine Fotografie von Güney projiziert.
       
       Es sind diese intimen und rhythmischen Szenen, die einladen, sich gemeinsam
       mit ihm auf eine Suche zu begeben. Immer wirkt diese Suche ergebnisoffen,
       als schreite Tabak mit offenen Ohren und Augen behutsam die Wege Güneys ab.
       In geschickter Parallelmontage spekuliert der Film, wie Erlebnisse aus
       Güneys Leben seine Filmstoffe bergen und erschafft im Ablaufen der Filmzeit
       ein Fragment, das sich, trotz des Nicht-Anspruches auf Wahrheit, immer
       weiter verdichtet und entfaltet, wie Pinselstriche auf einer Leinwand.
       
       Es ist die Türkei der 80er Jahre nach dem Militärputsch und Güney ist das
       zweite Mal in Haft. Hier schreibt er das Drehbuch für Yol (dt. „Der Weg“)
       und beauftragt seinen Vertrauten Şerif Gören, Regie zu führen. Es ist der
       erste regimekritische Film in türkischer Sprache, in der das Wort Kurdistan
       vorkommt. Weil Güney hundert weitere Jahre Haft drohen (zehn Jahre für
       jeden sozialistischen Artikel) entscheidet er sich, aus der Türkei zu
       fliehen und findet in Frankreich politisches Asyl. Yol wird 1982 in Cannes
       uraufgeführt und gewinnt die Goldene Palme.
       
       Güney ist einer der Filmemacher, denen im konventionellen Kanon des
       Weltkinos unverdienterweise nur ein Auftritt am Rand zukommt. Deutlich wird
       dies anhand der Anekdote, die Produzent Mehmet Aktaş nach der
       Filmvorführung erwähnt. In einem Interview soll Martin Scorcese sinngemäß
       gesagt haben: „Hätte ich Güneys Filme vorher gesehen, so hätte ich Taxi
       Driver anders gedreht.“
       
       ## Fragen nach Identität, Konflikten, Geschichte
       
       Regisseur Tabak erzählt von Güney in einer Vielschichtigkeit, die
       unabgeschlossen ist und nicht damit endet, eine Art aktualisierter Legende
       zu erschaffen – ohne ihn zur mythischen Figur zu verklären. So entsteht ein
       dynamischer und aufrichtiger Kinoraum, der trotz großer existenzieller
       Fragen, die Güney Zeit seines Lebens bearbeitet, genug Platz für Humor,
       Kritik und Menschsein lässt.
       
       Es gibt ein Hauptthema in Yol: Die Leute seien lieber gefangen als frei,
       heißt es in Tabaks Film. Damit ist Yol auch ein Kommentar auf die zur Zeit
       hoch im Kurs stehende Ansicht, man könne durch den Ausbau von
       Sicherheitsregimes die Freiheit retten. Ein passender Anlass, mehr Filme
       von Güney zu zeigen, zu sehen und zu diskutieren. Damit Güneys filmisches
       Erbe und politisches Engagement lebendig bleibt und wieder mehr Menschen
       seine Filme schauen, ist Tabaks Film ein Einstieg in sein Werk und zugleich
       eindrucksvolles Dokument des kurdischen Kampfes um Freiheit.
       
       „Kunst ist nicht für die Elite, der Kampf des ärmsten Volkes darf nicht
       entfernt von der künstlerischen Arbeit sein“, wird Güney im Film zitiert.
       In diesem Sinne ist das Programm des Filmfestivals gestaltet, über vierzig
       Spiel-, Dokumentar – und Kurzfilme geben einen Eindruck der vielfältigen
       Positionen und Stimmen aus Kurdistan und der Diaspora. Sie verhandeln
       Fragen nach Identität, Konflikten, Geschichte. Zum ersten Mal gibt es in
       diesem Jahr das Sonderprogramm „Fokus Armenien“, in dem drei Filme aus
       Armenien gezeigt werden, unter anderem auch The Cut von Fatih Akin. Ein
       Kinderprogramm, Podiumsdiskussionen und Workshops ergänzen das
       Arthouse-Filmprogramm.
       
       Das Festival läuft noch bis Mittwoch, den 29.08. 2018 im Kino Moviemento in
       Berlin Kreuzberg. Mehr Informationen unter
       [1][http://kurdischesfilmfestival.de/profil-2018/]
       
       24 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://kurdischesfilmfestival.de/profil-2018/
       
       ## AUTOREN
       
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