# taz.de -- Neue Vorfälle im Hambacher Forst: Kartoffelmesser unter Terrorverdacht
       
       > Malutensilien zur Waffe erklärt, Bündnismobil abgefackelt: Vor der
       > befürchteten Räumung nehmen Schikane, Staatsgewalt und Nervosität zu.
       
 (IMG) Bild: Proteste auch von ganz oben: ein Baumhaus der Besetzer des Hambacher Forstes
       
       Hambach taz | Der Countdown läuft, die Stimmung wird nervöser. Ab dem 1.
       Oktober will RWE mit der Rodung des Hambacher Forstes bei Aachen beginnen.
       Der Energiekonzern behauptet, ohne Rodung und Abbau der Braunkohle würde
       die Stromversorgung unterbrochen. 200 bis 300 Menschen haben aus Protest
       gegen die Rodung den Wald besetzt. Irgendwann im September rechnen sie mit
       dem Tag X – ein Räumkommando von mindestens 5.000 Polizisten wird erwartet.
       
       Viele der Menschen, die derzeit im „Hambi“ leben, haben sich weit oben
       zwischen den Wipfeln kaum zugängliche Baumhäuser gebaut. Täglich ziehen
       neue Leute in den Wald. Seit einer Woche stehen an jeder Feldwegkreuzung
       Polizeifahrzeuge. Das Gebiet wird von der Staatsmacht mittlerweile
       weiträumig als „gefährliches Gebiet“ definiert. In der Praxis bedeutet das:
       Jeder und jede kann kontrolliert und durchsucht werden – und wird es meist
       auch. JournalistInnen berichten davon, bei der Arbeit behindert zu werden.
       Presseausweise werden vorläufig beschlagnahmt. Die Stimmung ist aufgeheizt.
       
       Die NRW-Regierung warnt erneut vor „gewaltbereiten Linksextremisten aus
       ganz Europa“. Immer wieder ist von neuen Angriffen auf Polizeikräfte die
       Rede, die die WaldbewohnerInnen dementieren.
       
       RWE argumentiert weiterhin, dass die Bäume auf jeden Fall weichen müssten.
       Denn das Gelände müsste bis zu 450 Meter tief zum größten Loch der Welt
       abgeflacht werden. Laut RWE ein langfristiges Sicherheitsrisiko.
       KritikerInnen argumentieren, dass man das Loch an den Hängen schräg
       verfüllen könne. Aber: das würde teurer.
       
       ## Ein Malverbot im Wald
       
       Das Leipziger Künstlerehepaar Helge und Saxana Hommes lebt seit zwei Wochen
       im Wald. Beide malen großformatige Naturmotive, sogenannte Himmelskinder.
       Für sie eine Form des „poetischen Widerstandes“. Über die AktivistInnen im
       Wald sagt das Paar: „Die Haltung, die diese jungen Menschen haben, die
       leben sie auch. Wer hier nicht in Demut versinkt, der hat all seine Gefühle
       verloren.“
       
       Doch als die beiden am Freitag mit Spraydosen, Farbtuben und zwei großen
       Keilrahmen für letzte 12-Quadratmeter-Bilder vom Baumarkt zurückkamen,
       wurden ihre Utensilien beschlagnahmt. Die Begründung der Polizei: Aus
       Holzständern könnten Speere geschnitzt und Farben zu Molotowcocktails
       gerührt werden. Und auch wenn man ihnen eine solche Absicht nicht
       persönlich unterstelle – andere AktivistInnen könnten ihnen die Utensilien
       entwenden.
       
       Folglich sprach die Einsatzleitung ein Malverbot im Wald aus. Ehepaar
       Hommes kündigte umgehende Klage an. Die beschlagnahmten Kunst-Waffen gab es
       tags darauf zwar zurück, sie mussten aber außerhalb des Waldgebietes
       gelagert werden. Gut einhundert WaldspaziergängerInnen holten sie am
       Sonntag zurück in den Hambacher Forst.
       
       ## Im nahen Buir gab es einen Brandanschlag
       
       Im drei Kilometer entfernten Buir gab es Sonntagnacht einen Brandanschlag.
       Das Bündnismobil der Initiative „Buirer für Buir“, ein umgebauter alter
       Feuerwehrwagen, brannte mitten im Wohngebiet aus. Die Kriminalpolizei
       beschlagnahmte die verkohlten Reste und ermittelt. Die Buirer sind
       fassungslos. Darf man erwarten, dass ein RWE-Mitarbeiter seinen
       Dienstausweis hat daneben liegen lassen, dass ein aufgestachelter Bürger
       einen Bekennerbrief schreibt? Wohl kaum. Eine Zwille wurde im Wrack
       gefunden. Aha! Ein Waldbewohner, der sich auf Twitter #oaktown nennt,
       twitterte aus dem Wald: „Wie hat eine Zwille das Feuer überlebt, wenn sogar
       der Teer unter dem Fahrzeug geschmolzen ist?“
       
       Fast täglich gibt es neue Razzien. Im Wiesencamp am südlichen Waldrand
       schleppte die Polizei mit vorgehaltenen Waffen alles Werkzeug weg und
       zerstörte ein Holzhaus. Am Montag der nächste Besuch: Küchenutensilien
       wurden beschlagnahmt, gewaltbereite Gabeln und linksterroristische
       Kartoffelmesser. Im „gefährlichen Gebiet“ darf die Polizei fast alles.
       
       Am Sonntag raunte einer der Waldbewohner von sicheren Informationen aus
       Polizeikreisen, dass ab diesem Mittwoch der Wald komplett abgeriegelt
       würde. Das Wochenende wäre auch günstig. Da werden keine Hundertschaften in
       der Fußball-Bundesliga gebraucht, weil spielfrei ist.
       
       Und die Politik? Ministerpräsident Armin Laschet (Aachen, CDU) verweist auf
       die Rechtslage und taucht ab. Nicht einmal zu einem Appell an die
       Besonnenheit kann er sich durchringen. Zumal es nach dem Brandanschlag auf
       das Bündnismobil eine neue Angst gibt: Brandstiftung im ausgetrockneten
       Wald.
       
       4 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Müllender
       
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