# taz.de -- Proteste in Bangladesch: Kinder machen Dhakas Straßen sicher
       
       > Seit dem Verkehrstod zweier SchülerInnen protestieren tausende Kinder in
       > Bangladesch für mehr Sicherheit – und kontrollieren sogar Minister.
       
 (IMG) Bild: Sie kontrollieren die Straßen: Kinder und Jugendliche in Bangladesh
       
       Berlin taz | Es ist eine bezeichnende Nachricht, die am Donnerstag in
       Bangladesch gemeldet wurde: Der Polizeichef der Hauptstadt Dhaka hat seine
       Beamte angewiesen, ihre Führerscheine stets bei sich zu tragen. Der Anlass:
       Kinder und Jugendliche, die für mehr Verkehrssicherheit demonstrieren. Seit
       fünf Tagen besetzen sie die wichtigsten Kreuzungen, kontrollieren die
       Papiere von Fahrzeugen und Fahrern und setzen diejenigen fest, die keine
       haben – sogar Minister und Polizisten.
       
       Die Straßen in Bangladesch sind berüchtigt unsicher, jährlich sterben
       mehrere Tausend Menschen bei Zusammenstößen. Vergangene Woche starben zwei
       SchülerInnen, die nun zum Auslöser des aktuellen Protestes wurden. Die zwei
       Kinder, ein Junge und ein Mädchen, hatten am Straßenrand auf ihren Bus
       gewartet, als sie von zwei um die Wette fahrende Bussen erfasst und getötet
       wurden. Seitdem sind tausende Kinder, die meisten zwischen 13 und 15 Jahren
       auf der Straße. Die Familien der Getöteten sollen vom Busunternehmen
       [1][jeweils 5.000 Euro Entschädigung erhalten], der Firmenbesitzer wurde
       festgenommen.
       
       Die Wut der Kinder sorgt für ungewohnte Szenen: Wo früher Fahrradrickschas
       wuselten und oft auch die Gegenfahrbahn nutzten, stehen jetzt geordnete
       Reihen, Autos und Busse werden reihenweise kontrolliert. Erst am Mittwoch
       wurde der Industrieminister [2][Tofail Ahmed in seinem Auto von
       SchülerInnen umringt und zurückgeschickt], als er versuchte auf der
       falschen Fahrbahn durchzukommen. Videos im Netz zeigen, wie die
       SchülerInnen Polizisten zwingen, sich gegenseitig Strafzettel wegen
       fehlender Fahrerlaubnis auszustellen. Am Donnerstag stoppten die Kinder
       auch [3][das Auto des Vize-Generalinspekteurs der Polizei], weil er keine
       Papiere dabei hatte.
       
       Unterdessen streiken die Busunternehmen in Dhaka und werfen den
       SchülerInnen vor, bis zu 300 Busse demoliert zu haben. In Dhaka sind Busse
       das einzige Massenstransportmittel, so dass viele Berufstätige nun schon
       seit Tagen Schwierigkeiten haben, sich durch die Stadt zu bewegen. Als
       Reaktion auf die Proteste [4][kündigte Transportminister Obaidul Quader nun
       ein neues Verkehrsgesetz] und eine Verkehrssicherheitskampagne an und
       wandte sich an die Kinder: „Bitte, kehrt in eure Klassenräume zurück“.
       
       ## Repressionen gegen die Opposition
       
       Die Proteste kommen zu einer Zeit, in der die Regierung Bangladeschs
       politische Gegner heftig unterdrückt. Am Wochenende fanden in drei Städten
       Bürgermeisterwahlen statt, bei denen [5][der regierenden Awami Liga
       Wahlfälschung vorgeworfen] wird. So sollen Parteiaktivisten zahlreiche
       Wahllokale besetzt und die Urnen mit gefälschten Stimmzetteln vollgestopft
       haben. Eine oppositionelle Kandidatin wurde angegriffen. Vor wenigen Wochen
       ließ die Regierung Studentenproteste für die Abschaffung von
       Immatrikulationsquoten von der Polizei niederschlagen und ließ
       verlautbaren, [6][diese seien von oppositionellen Islamistenparteien
       angezettelt worden].
       
       Doch bei den SchülerInnen funktionieren die bisherigen
       Repressionsstrategien nicht. Noch traut sich niemand, den Kindern eine
       politische Unterwanderung zu unterstellen und auch die Forderung nach mehr
       Verkehrssicherheit lässt sich nicht als Oppositionsgejammer abstempeln. Auf
       Polizeigewalt haben die SchülerInnen dagegen mit gängigen
       Schulfhofbeschimpfungen reagiert: „Wessen Schamhaar ist die Polizei?“ heißt
       ihr verächtlicher Slogan gegenüber Beamten. Noch scheinen sie nicht bereit,
       wieder in die Schulen zurückzukehren.
       
       2 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.thedailystar.net/city/dhaka-airport-road-accident-writ-seeks-compensation-for-two-victims-1613383
 (DIR) [2] https://m.bdnews24.com/en/detail/bangladesh/1525045
 (DIR) [3] https://www.thedailystar.net/city/students-stop-police-dig-finds-no-license-or-papers-students-block-streets-in-dhaka-1614904
 (DIR) [4] https://www.dhakatribune.com/bangladesh/dhaka/2018/07/31/quader-requests-protesting-students-to-go-back-to-classes
 (DIR) [5] https://www.thedailystar.net/3-city-polls/voting-ends-elections-rajshahi-barisal-sylhet-city-corporations-2018-banglade
 (DIR) [6] https://bdnews24.com/bangladesh/2018/07/19/bangladesh-disappointed-at-foreign-diplomats-remarks-on-attack-on-quota-prote
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lalon Sander
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bangladesch
 (DIR) Öffentlicher Nahverkehr
 (DIR) Protest
 (DIR) Bangladesch
 (DIR) Bangladesch
 (DIR) Bangladesch
 (DIR) Bangladesch
 (DIR) Schwerpunkt Myanmar
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Fotograf in Bangladesch festgenommen: Nach kritischem Interview entführt
       
       Der preisgekrönte Fotograf Shahidul Alam stellte sich auf die Seite der
       protestierenden Schüler in Bangladesch. Kurz darauf kam er in Haft.
       
 (DIR) Verkehrssicherheit-Demos in Bangladesch: Regierung lässt Kinder verprügeln
       
       Tausende Jugendliche demonstrieren seit einer Woche für sicheren Verkehr.
       Nun lässt die Regierung Kinder und auch Journalisten verprügeln, Dutzende
       sind verletzt.
       
 (DIR) Textil-Abkommen in Bangladesch: Es hapert beim Brandschutz
       
       Modefirmen haben sich verpflichtet, Fabriken in Bangladesch zu sanieren.
       Jetzt wird das Abkommen verlängert. Denn nur wenige sind sicher.
       
 (DIR) Urteil wegen Korruption in Bangladesch: Fünf Jahre Haft für Oppositionführerin
       
       Bangladeschs Ex-Premierministerin Zia muss fünf Jahre in Haft. Die Chefin
       der größten Oppositionspartei könnte deshalb von der Wahl ausgeschlossen
       werden.
       
 (DIR) Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch: Das Schweigen der Zivilgesellschaft
       
       Mehr als 600.000 Rohingya hat Bangladesch mit offenen Armen aufgenommen.
       Doch eine Integration der Flüchtlinge ist nicht vorgesehen.