# taz.de -- Parlamentswahl in Kambodscha: Der Sieger steht schon fest
       
       > Verhaftete Regierungskritiker, Schließung missliebiger Medien,
       > Gewaltdrohungen an das Volk. Wer am Sonntag die Wahlen gewinnt, ist jetzt
       > schon klar.
       
 (IMG) Bild: Hun Sens Regierung lässt am Mittwoch vor der Wahl die Sicherheitskräfte aufmarschieren.
       
       PHNOM PENH taz | In Kambodschas Hauptstadt ist es ruhig. Weit und breit ist
       nichts von Wahlkampf zu merken. Keine Politveranstaltungen, keine
       Tuk-Tuk-Korsos von Parteianhängern, keine Wahlplakate. Nach dem Verbot der
       oppositionellen „Partei zur nationalen Rettung Kambodschas“ (CNRP) steht
       die „Kambodschanische Volkspartei“ (CPP) von Premierminister Hun Sen längst
       als Sieger der Wahl am 29. Juli fest. Der seit 1985 amtierende Hun Sen
       verweist gern auf die anderen 19 Parteien als Beweis der lebendigen
       Demokratie in Kambodscha. In Wahrheit aber handelt es sich um chancenlose
       Miniparteien, von denen die meisten als Stellvertreter der CPP gelten.
       
       An diesem Mittwoch flackert in Phnom Penh dann doch etwas Wahlkampf auf.
       Auf einem einsamen dunkelgrünen Armeepick-up weht die Nationalflagge,
       umgeben von den blauen Fahnen der CPP. Aus einem Lautsprecher dröhnt
       Wahlpropaganda. Abwesend sind aber Zuhörer, wahlkämpfende CPP-Anhänger und
       auch der Fahrer.
       
       Vannath Khema will am Sonntag wählen. Wen, verrät der Mitarbeiter eines
       Mobilfunkunternehmens nicht. Traurig sagt er: „Es gibt keinen Wettstreit
       der Parteien wie früher.“ Der 32-Jährige ist aber überzeugt, dass sich zwar
       viele Wähler am Sonntag aus Selbstschutz mit Tinte die Finger schmutzig
       machen, aber ungültige Stimmzettel abgeben werden.
       
       Jeder Wähler muss sich nach Stimmabgabe einen Finger blau färben lassen.
       Was der Vermeidung von Mehrfachstimmabgaben dienen soll, wurde von der CPP
       in ein Kontrollinstrument verwandelt. Wessen Finger nach der Wahl sauber
       sind, muss als offensichtlicher Anhänger der Opposition Repressionen
       fürchten. Denn die hat zum Wahlboykott aufgerufen.
       
       ## Friedhofsruhe statt Volksfeststimmung
       
       Bei der Wahl 2013 herrschte noch Volksfeststimmung. Der damalige
       Oppositionsführer Sam Rainsy durfte aus dem Exil nach Kambodscha
       zurückkehren und brachte die CPP an den Rand einer Niederlage. Als die
       Opposition dann auch bei der Kommunalwahl im Juni 2017 überraschend gut
       abschnitt, schien ein Machtwechsel in diesem Jahr greifbar.
       
       Diesen vor Augen zog Hun Sen die Reißleine. Sam Rainsy ist längst wieder im
       Pariser Exil und twittert unermüdlich gegen die „Fake Election“ und für den
       Wahlboykott. Kem Sokha, sein Nachfolger als CNRP-Chef, sitzt wegen
       Hochverrats im Gefängnis, der Rest der CNRP-Führung ist ins Ausland
       geflohen.
       
       Regierungskritiker wurden verhaftet, [1][kritische Medien geschlossen] und
       dem Volk mit Gewalt gedroht. „Kambodschas zunehmend diktatorisch agierende
       Einparteienherrschaft wird von Generälen der Sicherheitskräfte gestützt,
       die für schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen verantwortlich
       sind“, schrieb die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
       
       Als Zuckerbrot erhöhte Hun Sen den Mindestlohn für Textilarbeiterinnen und
       stellt für 2019 niedrigere Elektrizitätspreise in Aussicht. Die zählen zu
       den höchsten der Welt. Die staatliche Firma Electricite du Cambodge
       kassiert von Privatkunden umgerechnet bis zu 0,64 Eurocent pro
       Kilowattstunde, das Fünffache des Strompreises in Singapur.
       
       ## Ein zu deutlicher Sieg untergräbt die Legitimation
       
       Die konkurrenzlose CPP steckt aber in einem Dilemma. Einerseits will sie
       mit dem Einsatz von Polizei, Soldaten und Beamten im Wahlkampf in den
       Provinzen einen Wahlboykott im großen Stil verhindern. Doch andererseits
       fürchtet sie auch einen zu hohen Wahlsieg. „Ein umfangreicher Boykott
       schadet ihrem Image, alles im Griff zu haben. Zu viele Prozente aber
       stärken Zweifel an der Legitimität der Wahl“, sagt ein westlicher Diplomat,
       die lieber anonym bleiben möchte.
       
       EU und USA stellten ihre Wahlunterstützung aus Protest gegen die
       Unterdrückung der Opposition ein. China hingegen liefert Wahlurnen,
       Computer und Wahlbeobachter. Auch die kambodschanische
       Bürgerrechtsorganisation Licadho stellt keine Beobachter. „Wir wissen doch,
       wer gewinnt“, sagt Licadho-Direktorin Naly Pilorge.
       
       Der potemkinsche Wahlkampf mit dem unbemannten Armeepick-up findet
       ausgerechnet wenige Meter von The Factory entfernt statt, einer zu einem
       Coworking Space für Jungunternehmer umfunktionierten Fabrik. In dem hippen
       Ambiente hat auch die von dem politischen Analysten Ou Virak gegründete
       Denkfabrik Future Forum ihren Sitz. Sie fördert junge Akademiker mit
       einjährigen Stipendien, damit sie aus ihren Träumen konkrete Konzepte für
       den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel ihrer Heimat entwickeln
       können. Getreu dem Motto, das in riesigen Lettern am Eingang prangt:
       „Träume werden wahr“.
       
       26 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kontrolle-von-Kambodschas-Medien/!5504692
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Lenz
       
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