# taz.de -- Kommentar zum Elfmeterschießen: Anlauf! Schuss! Aus!
       
       > Über den Elfmeter lässt sich streiten. Ein Nervenspiel, ein TV-Spektakel,
       > an Spannung kaum zu überbieten. Doch eins ist es nicht: Glücksspiel.
       
 (IMG) Bild: Jordan Pickford hält den Elfmeterschuss von Kolumbianer Carlos Bacca
       
       Es gibt den handelsüblichen Fußball, wie er bei der WM gespielt wird, in
       der Bundesliga und in der Kreisklasse. Es gibt den Hallensport Futsal. Auch
       als Beachsoccer kann man mittlerweile unter dem Dach der Fifa spielen. Und
       es gibt das Elfmeterschießen. Es ist eine eigene Disziplin. Sie wird
       benötigt, um Spiele zu entscheiden, bei denen es einen Verlierer und einen
       Gewinner geben muss. Es ist ein Spiel nach dem Spiel. Und was für eins!
       
       Nicht jede Mannschaft beherrscht diese Disziplin. [1][Manche Teams brauchen
       wie die Engländer Jahrzehnte, um sie zu erlernen]. Am Ende gewinnt nicht
       die Mannschaft, die besser Fußball spielen kann, es gewinnt die Mannschaft,
       die im Elfmeterschießen besser ist. Fußballpuristen mögen das bedauern. Da
       siegt kein ausgeklügeltes Positionsspiel gegen athletisches Pressing. Da
       siegt ganz einfach, wer häufiger ins Schwarze trifft. Rumms! Peng! Alles
       klar!
       
       Es ist ein Nervenspiel, klar, das als TV-Ereignis an Spannung kaum zu
       überbieten und für die Fans im Stadion schier unerträglich ist. Aber eins,
       und das macht das Elfmeterschießen so schön, es ist nicht: eine Lotterie –
       auch wenn man das bisweilen immer noch hört. Es beginnt mit einer Lotterie.
       Die Münze wird geworfen, um auszulosen, wer mit dem Spektakel beginnen
       darf. Wäre das Elfmeterschießen eine Lotterie, man könnte an dieser Stelle
       aufhören und den Gewinner benennen. Aber nein, jetzt geht es erst los. Es
       soll gewinnen, wer es besser kann.
       
       Wer das Elfmeterschießen als Glücksspiel bezeichnet, der muss auch die
       Schießwettbewerbe aus dem Olympischen Programm als solches bezeichnen. Die
       wären dann ja auch nur Lotterie. Niemand würde das behaupten. Und jeder
       weiß, dass auch bei Olympia am Ende nicht immer diejeinige die Goldmedaille
       um den Hals gehängt bekommt, die eigentlich die beste Schützin ist und im
       Training nie auch nur einen halben Punkt verschenkt.
       
       Es gewinnt, wer im Nervenkampf neben den anderen Schützinnen stehend die
       meisten Punkte macht. Das Nervenspiel ist Teil des Wettkampfs. Nicht anders
       ist es beim Elfmeterschießen. Man muss eben mehr als gut kicken können. Das
       ist Teil des Spiels.
       
       ## Wenn nicht Elfmeter, was dann?
       
       Ja, es ist die Fußballweltmeisterschaft, es wird nicht der Weltpokal im
       Elfmeterschießen vergeben. Schon richtig. Aber die Spiele müssen nun mal
       entschieden werden. Noch länger als 120 Minuten zu spielen und wie im
       Eishockey Spieler vom Feld zu nehmen, um mehr Platz zu schaffen? Nein, das
       will niemand sehen. Schon jetzt ist es kaum mit anzusehen, wie manch ein
       Spieler seinen von Krämpfen geplagten Körper über das Feld schleppt.
       
       Es soll ja bloß nicht die fitteste Mannschaft gewinnen. Es wird eh schon
       genug mit allen möglichen pharmazeutischen Hilfsmitteln auch im Fußball
       gearbeitet, man sollte ihn nicht zum totalen Ausdauersport machen.
       
       Ball auf den Punkt, fertig aus! Aber ist es nicht unschön, dass durch das
       Elfmeterschießen vielleicht eine Mannschaft ausscheidet, die das ganze
       Spiel über dominiert hat, während ein Team weiterkommt, dass nur verteidigt
       hat? Man kann sich das fragen nach einem Spiel wie Russland gegen Spanien
       und glatt eine Idee aus den 50er Jahren ausgraben. 1957 und 1958 gab es
       neben dem DFB-Pokal den Flutlicht-Pokal. Der wurde in Hin- und Rückspiel
       ausgetragen. Bei Torgleichheit entschied das Eckenverhältnis über das
       Weiterkommen.
       
       Die Spiele möchte gewiss niemand sehen, in denen es den Mannschaften darum
       geht, in der Eckenstatistik Punkte zu machen. Spanien hätte in der Tat
       gewonnen, allerdings nur hauchdünn. Das Eckenverhältnis betrug 6:5. Wäre
       das gerecht gewesen?
       
       Und wenn der weiterkommt, der fairer war? Um Gottes willen! Irgendwann
       würde dann ein Kommentator sagen: „Eine Gelbe Karte würde dem Spiel jetzt
       gut tun.“ Das hätte dann mit Fußball wirklich nichts mehr zu tun. Wie schön
       ist es da doch, dass dieser wunderbare Sport die schöne Disziplin des
       Elfmeterschießens entwickelt hat. Möge der bessere gewinnen! Anlauf!
       Schuss! Aus!
       
       4 Jul 2018
       
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