# taz.de -- Die Wahrheit: Glücklich sein mit Harzer Käse
       
       > Nicht jeder, der ein heimeliges Schlafwagenabteil sein eigen nennt, darf
       > auch darin schlafen. Die Geschichte eines Sommertrips …
       
 (IMG) Bild: Ein wiederkehrendes Phänomen: Überfüllter Zug, hier in Hamburg im Jahr 2014
       
       Wir waren jung und hätten das Geld gebraucht. Die Semesterferien lagen vor
       uns, und drei Monate „Banane an Bord“ hätten ein Jahr Dolce Vita zur Folge
       gehabt. „Banane an Bord“ war ein Knochenjob im Hafen, bei dem man
       stundenlang monströse Bananenstauden in ein Kühlhaus schleppte. Dafür war
       die Entlohnung fantastisch.
       
       Schade nur, dass wir es viel reizvoller fanden, die Rucksäcke zu schultern
       und in den Süden zu brausen. „Granada, Córdoba, Sevilla“, säuselte ich:
       „Der Glanz der Kalifen!“ „Du weißt, das heißt ein Jahr Harzer Käse“, sagte
       Walter. Ich nickte. Und schon waren wir weg.
       
       Allerdings ist es auch bei ausgedehnten Reisen nicht von Übel, die Taschen
       voller Geld zu haben, und weil wir viel zu selten Bananenstauden
       schulterten, war unsere Reisekasse mehr als mau. Um immerhin die Bauwerke
       Andalusiens betreten zu dürfen, unterwarfen wir uns einem rigiden
       Spardiktat, und das bedeutete zu trampen statt den Zug zu nehmen, oft wild
       zu campen und bei der Ernährung – denn Harzer Käse kennt der Spanier nicht
       – ausschließlich auf Brot mit Knoblauch zu setzen.
       
       So kam es, dass wir nicht völlig pleite waren, als wir auf dem Rückweg die
       spanisch-französische Grenze bei Cerbère wieder erreichten. Es war schon
       trostlos Herbst in dieser Gegend, und so kauften wir zwei Studententickets
       in den Norden. „Wir Glückspilze!“, flüsterte Walter, als wir den Nachtzug,
       der schon am Gleis stand, durchstreiften und auf ein letztes leeres Abteil
       stießen. Wir zogen die Sitze aus und die Vorhänge zu, riefen: „Occupé!“,
       sobald jemand klopfte, und fanden, dass dieses Luxuslager eine angemessene
       Entschädigung für die vielen harten Schlafsacknächte der letzten Wochen
       war.
       
       Dann aber klopfte es wieder, und draußen standen zwei junge Frauen. Jeder,
       der bei Verstand ist, weiß, dass das Schicksal dir niemals zusätzlich zu
       einem leeren Abteil auch noch zwei hinreißend Lächelnde vorbeischickt. Doch
       genau dieses Lächeln hatte das Licht in unseren Schädeln bereits
       ausgeknipst, und so ließen wir sie blöde grinsend rein und marschierten
       bereitwillig zum Waschraum, als sie meinten, dass unsere Füße doch recht
       bestialisch müffeln würden.
       
       Als wir zurückkamen, standen unsere Rucksäcke draußen. Drinnen bei den
       Ladys saßen zwei mit Popperfrisuren, die auch in den nächsten Monaten
       wieder an unserer Statt mit diesen Anbetungswürdigen herumziehen würden,
       weil sie ihnen mit Hilfe von Papas Dauerauftrag etwas anderes bieten
       konnten als bestialisch müffelnden Käse mit Trockenbrot.
       
       Und weil sie die Abteiltür obendrein mit einem Vierkantschlüssel abgesperrt
       hatten, blieb uns nichts übrig, als im Gang zu fläzen und zur Melodie von
       „Es muss nicht Hummer sein mit Mayonnaise / man kann auch glücklich sein
       mit Harzer Käse“ wegzudämmern.
       
       20 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joachim Schulz
       
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