# taz.de -- Die Wahrheit: Das Fernmeldegeheimnis
       
       > Technisch vergeigte Telefoninterviews sind Standard. Nur nicht bei
       > EU-Kommissar Günther Oettinger. Wie macht er das bloß?
       
 (IMG) Bild: Ja, hallo? Ist da wer? Vielleicht sogar Günther Oettinger?
       
       Das Instrument des Telefoninterviews stellt Radiojournalisten vor ganz
       besondere Herausforderungen. Anders als die Kollegen vom Print, die ein
       fernmündlich geführtes Interview hinterher „nur“ ins gedruckte Wort setzen
       müssen, sind Radioleute auf eine einigermaßen sendetaugliche Qualität des
       Telefonats angewiesen. Doch daran hapert es häufiger mal, und insbesondere
       live geführte Telefoninterviews geraten dann für alle Beteiligten zur
       akustischen Tortur. Allen voran natürlich für die Radiohörer, die vor ihren
       Empfangsgeräten hocken und – sofern sie nicht Freunde des zeitgenössischen
       O-Ton-Hörspiels oder der Neuen Musik sind – schier verrückt werden.
       
       Da knarzt und knallt es ständig in der gestörten Leitung. Da wird
       genuschelt, zu leise gesprochen oder zu laut geschrien. Da werden
       asthmaanfallartige Geräusche fabriziert oder jedes hörerpassable Gespräch
       durch presslufthammergleiche Hintergrundlautstärken völlig verunmöglicht.
       Zuweilen ist es so schlimm, dass Telefoninterviews vorzeitig abge- oder für
       den Neuaufbau einer stabileren Verbindung unterbrochen werden müssen.
       
       Verursacht werden die Störungen so gut wie immer durch die Interviewten.
       Entweder sind die Fernsprechapparate, die sie nutzen, zu alt, oder die
       Software, mit der sie IP-telefonieren, zu modern. Oder sie telefonieren in
       zu netzschwacher oder zu lärmstarker Umgebung, manche übers Autotelefon
       oder aus dem kilometerlange Tunnel durchfahrenden ICE, dabei ungeniert
       gegen das Getöse anbrüllend. Und einige haben scheint’s noch nie was von
       Funklöchern gehört.
       
       ## Gastauftritt der Digibärin
       
       Darunter die sonst tiptop aufgestellte Staatsministerin fürs Digitale, die
       der Deutschlandfunk-Moderator Mario Dobovisek neulich so einweisen musste:
       „Frau Bär, die Leitung ist ein wenig schwachbrüstig, wahrscheinlich viel
       schwachbrüstiger als Ihre starke Meinung. Vielleicht drehen Sie sich ein
       bisschen zum Fenster und dann stelle ich die Frage noch mal in die
       Richtung.“ Half aber nichts. „Ich glaube, das hat so keinen Sinn mehr, weil
       wir verlieren Sie immer wieder, Frau Bär. Ich mache den Vorschlag, falls
       Sie mich noch hören, dass wir kurz auflegen. Wir rufen Sie noch einmal an
       und spielen solange ein bisschen Musik.“
       
       Manche können schlichtweg ihre Telefone nicht handhaben. Sie sprechen
       konsequent am Mikro vorbei oder halten die Hand davor (vielleicht auch
       ihren Hund) oder den Hörer verkehrt herum – so jedenfalls will es einem
       vorkommen, wenn sich welche anhören, als telefonierten sie aus einem Sarg,
       auf den Erde geschaufelt wird. Dann gibt’s andere, die, während sie
       sprechen, ständig an den Gehäusen ihrer Geräte herumkratzen, -popeln oder
       -klopfen und gar nicht ahnen, welchen infernalischen Lärm sie dadurch im
       Äther verursachen. Oder sie stehen Kopf während des Gesprächs, springen vom
       Zehner, werden intubiert, liegen unterm Teppich oder sind sonst wie seltsam
       positioniert, wie letztens dieser ehemalige Verteidigungsminister, als er
       sich vom eh schneidig auftretenden Deutschlandfunk-Moderator Dirk Müller so
       anschnauzen lassen musste: „Wir haben Schwierigkeiten mit Ihrer
       Handyverbindung, Herr Rühe. Wir erreichen Sie in Hamburg, nicht dass jemand
       denkt, wir telefonieren mit Ihnen in Bagdad oder auch in Kabul. Vielleicht
       können Sie die Position verändern, oder etwas näher noch an den Hörer
       gehen.“
       
       Was man von unerfahrenen Gesprächspartnern nicht unbedingt verlangen kann,
       sollte man von gestandenen Öffentlichkeitsdarstellern wie Berufspolitikern,
       Medienleuten, Kunst- und Sportprofis erwarten dürfen: Dass sie ein
       Telefoninterview störungsfrei absolvieren. Oder das Gespräch nur führen,
       wenn die Voraussetzungen für eine knarz- und knatterfreie Verbindung
       gegeben sind. Zumal es für ihre eigene Reputation besser ist, wenn sie ohne
       zu nerven rüberkommen.
       
       ## Oettinger weiß, wie es geht
       
       Der Langzeitpolitiker und EU-Kommissar Günther Oettinger, der zu den am
       häufigsten telefonisch befragten Gesprächspartnern in der deutschen
       Rundfunkgeschichte gehören dürfte, ist einer der wenigen Politprofis, die
       ihre Interviews technisch nie vergeigen. Jedes Telefonat mit ihm ist
       zuverlässig störungsfrei und von hoher klanglicher Qualität. Eine Brillanz,
       die auf eine ebenso große Erfahrung wie Professionalität schließen lassen.
       
       Aber warum schafft ausgerechnet der Oettinger das? Was macht er anders?
       Welche Technik benutzt er, in welcher Umgebung lässt er sich bevorzugt
       interviewen und zu welchen Tageszeiten am besten gar nicht? Was braucht es
       seiner Erfahrung nach im Detail, um ein störungsfreies Telefoninterview
       geben zu können? Dies alles und einiges mehr (Wann hat er sein erstes
       Telefoninterview gegeben? Welches war das schönste und eindrücklichste? Wie
       viele waren es bislang? Wie lautete die dümmste Frage?) beantwortet zu
       bekommen, wäre sicher durch ein Telefoninterview zu beantworten gewesen.
       Allein, eine entsprechende, allerdings schriftlich eingereichte Anfrage an
       sein Brüsseler Büro blieb leider unbeantwortet.
       
       17 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fritz Tietz
       
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