# taz.de -- Kroatiens Präsidentin und die WM: Jubeln mit politischem Kalkül
       
       > Die größte Anhängerin des kroatischen Teams ist Kolinda Grabar-Kitarović.
       > Die Präsidentin will die aufwallenden nationalistische Gefühle für sich
       > nutzen.
       
 (IMG) Bild: Feiert gerne im Fan-Dress auf der Tribüne: Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarević
       
       Zagreb taz | Vor wenigen Wochen war es für kroatische Bekannte und Freunde
       noch unangenehm, über die Aussichten des Nationalteams zu sprechen. Man
       wollte sich nicht so gern aus der Reserve locken lassen. Und schon gar
       nicht überbordende Gefühle zeigen. Wenn es schiefginge, könnte man sich ja
       blamieren.
       
       Diese Gefahr ist jetzt vorbei. [1][Mit dem Einzug ins Halbfinale] hat die
       Mannschaft schon das erreicht, was das legendäre Team um Boban, Šuker und
       Prosinčki 1998 vorgemacht hatte. Auf dem Balkan schaut man aber mit
       zwiespältigen Gefühlen auf den kroatischen Erfolg. Im muslimischen Sarajevo
       freut man sich zwar mit den Nachbarn, muss aber hinnehmen, dass in den
       Kroatengebieten Bosnien und Herzegowinas Hassparolen gegen Muslime gerufen
       werden. „Wir ficken dich, Bosnien“, ist eine der noch harmlosen Parolen aus
       der Kroatenhochburg Široki Brijeg bei Mostar.
       
       In den Serbengebieten und in Belgrad hoffte man im Viertelfinale auf einen
       Sieg der Russen. Das ist angesichts der Geschichte zwischen den beiden
       Nationen verständlich. Doch dass die kroatische Nationalmannschaft zu
       nationalistischen Exzessen neigt, heizt die Stimmung immer wieder
       zusätzlich an. Wenn in der Kabine der Faschistengruß „Spremni za dom“ („Für
       die Heimat bereit“) benutzt wird, wenn die Spieler die Songs der rechten
       Rockband Thomson und andere patriotische Lieder auswendig singen, wenn ein
       Hakenkreuz in den Rasen des Stadions in Split gefräst wird, dann werden von
       Seiten des Fußballs Zeichen gesetzt.
       
       Und damit wird signalisiert, dass man die monströsen Verbrechen der
       kroatischen nationalistischen Extremisten gegenüber Serben im Zweiten
       Weltkrieg zumindest relativiert. „Ach, nimm das alles nicht so ernst,“ sagt
       Freund Stjepan aus Zagreb. „Das alles symbolisiert mehr eine
       Gedankenlosigkeit der Spieler, sie sind Patrioten, wollen das jetzt zeigen,
       denken aber nicht an weitergehende Konsequenzen.“
       
       Die Fußballspieler stammten aus bildungsfernen Unterschichten, seien zwar
       als Profis hochbezahlt und berühmt, aber sie hätten keine höhere Bildung.
       Sie denken also wie die einfachen Leute auch. Sind sie damit repräsentativ?
       Um den nationalistischen Gefühlen da Schranken zu setzen, müsste die
       Politik ein Machtwort sprechen. 1998, kurz nach dem von Kroatien gewonnenen
       Krieg um die Unabhängigkeit von Jugoslawien, wurde das Erreichen des
       dritten Platzes für die erstmals bei einer Weltmeisterschaft startende
       Nation wie ein militärischer Sieg gefeiert.
       
       ## Kabinenbesuch bringt viele Sympathien
       
       Die damaligen Fußballspieler hielten sich mit nationalistischen Ausbrüchen
       zwar eher zurück, aber der damalige Präsident Franjo Tudjman politisierte
       den Erfolg. Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien war für Kroatien ja erst
       seit 1995 beendet. Die Nerven lagen noch blank. Sein Nachfolger, der
       linksliberale Politiker Stipe Mesić, stellte sich dagegen gegen jeglichen
       chauvinistischen Patriotismus. Was ihm von nationalistischer Seite bis
       heute verübelt wird.
       
       Das ist nun wieder anders. Möglicherweise ist es ihr Temperament,
       wahrscheinlich aber eher politisches Kalkül, das die amtierende Präsidentin
       Kolinda Grabar-Kitarović nach dem Viertelfinalerfolg gegen Russland am
       vergangenen Samstag dazu brachte, in die Kabine der Spieler zu gehen und
       „ihre“ halbnackten Jungs zu umarmen und zu herzen.
       
       Grabar-Kitarović sang gemeinsam mit ihnen „patriotische“ Lieder, so über
       die kroatische Mutter, die nicht traurig sein soll: „Ruf, nur ruf, alle
       Falken werden für dich ihr Leben geben …“ Dass sich andere Volksgruppen und
       Nationen dadurch vielleicht beleidigt fühlen könnten, interessierte sie
       nicht. Wie schon bei einigen ihrer Aktionen zuvor, als sie mit
       Falschmeldungen Angst und Schrecken verbreitete, gibt sie sich als
       kämpferische Patriotin.
       
       Sie wiederholt immer wieder, bosnische Kroaten würden mit Gewalt aus ihrer
       Heimat vertrieben. Dabei verlassen angesichts der Arbeitslosigkeit
       Zehntausende von Menschen aller Volksgruppen jährlich das Land.
       Grabar-Kitarović erklärte zudem, an der bosnischen Grenze stünden 60.000
       Salafisten bereit, Kroatien zu überfallen. Immerhin das musste sie
       öffentlich korrigieren.
       
       Der Kabinenbesuch bringt ihr nun aber viele Sympathien. Die in den
       vergangenen Monaten in Umfragen schwächelnde Präsidentin ist damit wieder
       ein beliebtes Staatsoberhaupt geworden.
       
       11 Jul 2018
       
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