# taz.de -- Blutiger Wahlkampf in der Türkei: Drei Tote in kurdischer Kleinstadt
       
       > Ein AKP-Abgeordneter besucht die kurdische Kleinstadt Suruç. Es kommt zu
       > Protesten und einem Handgemenge, am Ende sind drei Männer tot.
       
 (IMG) Bild: Präsident Erdoğan lässt sich im Wahlkampf bewachen
       
       Istanbul taz | Am Donnerstagnachmittag ist es in einer kurdischen
       Kleinstadt nahe der syrischen Grenze zu einem schweren Zwischenfall im
       türkischen Wahlkampf gekommen. Während eines Besuches des AKP-Abgeordneten
       İbrahim Halil Yıldız in der kurdischen Kleinstadt Suruçkam es nach einem
       Handgemenge zwischen den Anhängern und Personenschützern von Yıldız und
       örtlichen kurdischen Ladeninhabern zu einer Schießerei, bei der zunächst
       ein Bruder von Yıldız getötet wurde. Später töteten Anhänger des
       Abgeordneten zwei schwer verletzte Mitglieder der kurdischen
       Şenyazar-Familie in der Notaufnahme des Krankenhauses von Suruç.
       
       Der genaue Ablauf des Zusammenstoßes ist nach wie vor unklar und wird nun
       von der Staatsanwaltschaft der nahen Provinzhauptstadt Urfa untersucht.
       Nach Angaben von Hürriyet hat die Staatsanwaltschaft bereits drei
       Haftbefehle ausgestellt. Staatspräsident Erdoğan machte für den
       Zusammenstoß die kurdisch-linke HDP und die PKK verantwortlich. Der
       Gouverneur von Urfa sprach dagegen von einer Schlägerei zwischen zwei
       Gruppen und versuchte den Zusammenstoß politisch zu entdramatisieren.
       
       Suruç ist eine kurdische Stadt, die der syrisch-kurdischen Stadt Kobane
       direkt gegenüberliegt. Im Sommer 2015 [1][wurden dort bei einem
       Terroranschlag 34 junge Leute getötet] und weitere 90 schwer verletzt, die
       sich in Suruç versammelt hatten, um Aufbauhilfe im zerstörten Kobane zu
       leisten. Für den Anschlag wurden Islamisten verantwortlich gemacht. Das
       Verhalten von Erdoğan während der Kämpfe gegen den IS in Kobane hat ihn und
       die AKP in Suruç verhasst gemacht. Viele Kurden dürften den Auftritt des
       AKP-Abgeordneten in Suruç deshalb als Provokation empfunden haben.
       
       Die AKP versucht nun aus dem Vorfall politisches Kapital zu schlagen, indem
       sie die PKK und die HDP dafür verantwortlich macht. Erdoğan hatte in den
       letzten Tagen mehrfach bei Wahlveranstaltungen gesagt, der Kandidat der
       HDP, Selahattin Demirtaş, dürfe eigentlich gar nicht am Wahlkampf
       teilnehmen, weil er ein „Terrorist“ sei. Demirtaş [2][sitzt seit November
       2016 in Untersuchungshaft im Gefängnis] in Edirne.
       
       Die HDP und die Mitte-Links-Oppositionspartei CHP riefen dazu auf, Ruhe zu
       bewahren und den Vorfall nicht zu verallgemeinern. Wie angespannt die Lage
       ist, zeigte sich freitagfrüh in der westtürkischen Kleinstadt Kazan, wo
       Erdoğan-Anhänger sich versammelten, um auf das örtliche HDP-Büro
       loszugehen. Sie zerstreuten sich erst wieder, als die Polizei drei große
       Wahlplakate der HDP abhängte.
       
       15 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kommentar-Tuerkei/!5094240
 (DIR) [2] /Praesidentschaftswahl-in-der-Tuerkei/!5509039
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Türkei
 (DIR) Schwerpunkt Türkei
 (DIR) Recep Tayyip Erdoğan
 (DIR) Präsidentschaftswahl in der Türkei
 (DIR) taz.gazete
 (DIR) HDP
 (DIR) Präsidentschaftswahl in der Türkei
 (DIR) taz.gazete
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Inhaftierter Journalist in der Türkei: „Verstörende Nachrichten“
       
       Nedim Türfent hat einen Brief aus dem Gefängnis geschrieben. Wie sieht er
       die kommenden Wahlen und die Lage der Journalisten in der Türkei?
       
 (DIR) Präsidentschaftswahl in der Türkei: Kurdischer Stachel in Erdoğans Fleisch
       
       Trotz Sperrklausel: Die kurdisch-linke Partei HDP mit ihrem inhaftierten
       Spitzenkandidaten Demirtaş könnte die Wahl entscheiden.
       
 (DIR) Türkei vor der Präsidentenwahl: Erdoğan kriegt die Wirtschaftskrise
       
       In einem Monat ist Wahl in der Türkei. Präsident Erdoğan könnte scheitern –
       an Wirtschaftsdaten und an einem Anti-AKP-Bündnis.
       
 (DIR) Türkisch-kurdischer Konflikt: Wer steckt hinter dem Anschlag von Ceylanpınar?
       
       Der Mord an zwei Polizisten in Ceylanpınar markierte das Ende des
       Friedensprozesses in der Türkei. Die Hintergründe bleiben jedoch weiter im
       Dunkeln.
       
 (DIR) Kommentar Türkei: Die Geister, die Erdogan rief
       
       Die Sonderjustiz gegen Generäle in der Türkei droht zu einem Staat im
       Staate zu werden. Ministerpräsident Erdogan wehrt sich und gerät unter
       Druck.