# taz.de -- Stimmung zur Fußball-WM: Kein Sommermärchen 2.0
       
       > Ein schwarz-rot-geiles Fahnenmeer kann auch im Jahr 2018 nicht für
       > „gesunden Patriotismus“ stehen. Dafür ist zu viel passiert.
       
 (IMG) Bild: Großevent ohne Magie? Eine Fanmeile kann man Bauen, ein Sommermärchen nicht
       
       „Alter, das macht überhaupt keinen Sinn!“ beschweren sich ein paar
       Teenager, als würden sie sich um den perfekten Hintergrund für ihr Berliner
       Selfie betrogen fühlen. Trotz des strahlend blauen Himmels herrscht etwas
       Unmut unter den Tourist*innen auf dem Pariser Platz, die ihre Smartphones
       für ein Erinnerungsfoto in die Höhe halten. Denn ausgerechnet vor dem
       Brandenburger Tor stehen mit weißer Plane verkleidete Zäune und versperren
       den Blick auf eines der beliebtesten Wahrzeichen der Stadt.
       
       Hinter den weißen Absperrungen laufen derweil die Vorbereitungen für die
       Übertragung der Fußballweltmeisterschaft auf Hochtouren. Insgesamt 13
       Spiele sollen in den nächsten vier Wochen im Tiergarten übertragen werden.
       
       Ist das jetzt der Versuch einer Neuauflage des Sommermärchens von 2006?
       
       Wohl kaum. Es gibt gute Gründe, die dagegen sprechen, dass sich die
       deutsche Dauerparty von damals wiederholt – abgesehen davon, dass
       Deutschland nicht das Gastgeberland ist. Damals vor zwölf Jahren, war die
       Welt, wie es hieß, „zu Gast bei Freunden“. Doch seitdem ist einiges
       geschehen.
       
       ## Keine Rechtspopulist*innen im Bundestag
       
       2006, das war lange vor den Anschlägen auf öffentliche Orte und
       Veranstaltungen in Paris, Barcelona oder [1][Berlin]. Die Stimmung unter
       den Menschen damals ausgelassener, ja ungetrübt.
       
       Besucher*innen von Großveranstaltungen müssen sich heute auf strenge
       Einlasskontrollen einstellen, am Straßenrand platzierte Betonwürfel rufen
       die Gefahr möglicher Angriffe ständig in Erinnerung. Außerdem werden sie
       von hunderten Ordner*innen, Polizeibeamt*innen begleitet – wie auch auf der
       Fanmeile auf der Straße des 17. Juni.
       
       Außerdem: Im Jahr 2006 saß noch keine rechtspopulistische Partei im
       Bundestag, die öffentliche Debatte um Heimat, und Identität war weniger
       stark von rechts besetzt. Es gab keinen Hashtag #nichtmeinemannschaft (Gab
       es Hashtags?), unter dem gegen Merkel und Nationalspieler mit
       Einwanderungsgeschichte gehetzt wurde.
       
       Sicher, auch damals haben Rechtsextreme öffentlich ihre [2][Fahnen
       geschwenkt], doch seit Pegida klebt die braune Mehrdeutigkeit wie ein
       Kaugummi noch penetranter an der Deutschlandfahne. Also nein, keine
       makellose Kulisse vor dem Brandenburger Tor – und eben kein Sommermärchen
       2.0.
       
       15 Jun 2018
       
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