# taz.de -- Arte-Doku zu „1968“: Wie das alles so war
       
       > Globalisierung der Revolution: Der Arte-Zweiteiler „1968 – Die globale
       > Revolte“ erzählt von einer Bewegung, die um die Welt geht.
       
 (IMG) Bild: Auch vor 1968 war schon was los. Zum Beispiel auf dem Monterey Pop Festival 1967
       
       „Ihr lieben 68er“, sang 2001 PeterLicht in seinem gleichnamigen Lied,
       „macht euch noch eine schöne Zeit / Und erzählt euch untereinander wie das
       alles so war.“ Nun ist es endlich so weit: Der Kultursender Arte berichtet
       heute Abend über drei Stunden lang [1][von dem großen Dia-Abend der 68er].
       
       Natürlich läuft der Diskursmotor um die tatsächlichen oder angeblichen
       Verdienste der 68er seit Jahren. Die kritischen Chronisten Gerd Koenen und
       Wolfgang Kraushaar haben sich in etlichen Publikationen daran abgearbeitet;
       die traumatischen Kindheitserfahrungen von Jan Fleischhauer und Bettina
       Röhl mit ihren Eltern sind für sie ergiebiger Quell immer neuer
       Nestbeschmutzungen.
       
       Aber es ist das 50. Jubiläumsjahr. Die TV-Sender wähnen sich in der Pflicht
       (zum Beispiel die ARD am 26. 3.: „Deutschland ’ 68. (K)ein Jahr wie jedes
       andere!“). Da lässt auch Arte seinen 68er, den Regisseur Don Kent, den man
       nicht kennen muss, los, um zu erzählen und sich (nicht nur) von anderen
       68ern erzählen zu lassen, wie das alles so war.
       
       Was Kents Film von den anderen im deutschen Fernsehen unterscheidet, ist
       seine globale Perspektive. Es geht einmal nicht mit dem Schah-Besuch und
       Benno Ohnesorg los. Das kommt alles vor, mit den gleichen ikonischen
       Bildern wie immer, aber da ist der Film schon 42 Minuten alt.
       
       ## Mythos „1968“
       
       Vorher durfte der Zuschauer mit Kent etwa die Unruhen in Watts in Los
       Angeles im August 1965, den Militärputsch in Brasilien im April 1964 und
       die Straßenschlachten zwischen Rockern und Mods im britischen Brighton im
       selben Jahr rekapitulieren. Spätestens seit der Serie „Mad Men“ weiß ja
       jeder, dass die gesellschaftlichen Veränderungen ein das ganze Jahrzehnt
       beanspruchender Prozess waren – und dass „1968“ ein Mythos ist.
       
       Kent sieht das – dem Titel seines Films zuwider – nicht anders. Seine
       Klammer ist der 1965 eskalierende und bis 1975 fortdauernde Vietnamkrieg.
       Benno Ohnesorg wurde nicht erst 1968, sondern bereits 1967 erschossen. Auch
       in Japan und Italien wurde der Tod eines demonstrierenden Studenten zum
       Fanal.
       
       Kents Panoramaperspektive erhellt die Parallelität der Ereignisse. Die
       Auswahl der Talking Heads reicht von der Feministin Judith Butler über die
       brasilianische Ex-Präsidentin Dilma Roussef, den Musikjournalisten Greil
       Marcus und den Che-Guevara-Kampfgefährten Régis Debray bis zum
       Verbraucheranwalt Ralph Nader – um nur die Prominentesten zu nennen.
       
       Dass Deutschland von dem offenbar unvermeidlichen Politikwissenschaftler
       Wolfgang Kraushaar und dem Fernsehphilosophen Richard David Precht
       repräsentiert wird, ist da schon ein bisschen enttäuschend. Precht hat sein
       Aufwachsen im linksalternativen Milieu schon in dem Film „Lenin kam nur bis
       Lüdenscheid“ (2008) leidlich launisch verwurstet und sagt jetzt Sachen wie:
       „Also eine Revolution war es nicht. Es war ein Sturm im Wasserglas.“
       
       ## Echte Aktivisten
       
       Wenn dagegen die italienischen Interviewpartner echte Aktivisten waren,
       hört sich das eben gleich ganz anders an. „In Italien hatte es keine
       Säuberungsprozesse gegeben. Das gesamte Personal der Polizei in den
       Präsidien, im Innenministerium bestand aus alten Faschisten“, erinnert sich
       Erri De Luca, ehemaliges Mitglied der Bewegung Lotta Continua.
       
       Oder Antonio Negri, Gründer von Potere Operaio, der selbst gesessen hat,
       erzählt: „Ich war bei der Beerdigung der Genossen, die im Gefängnis in
       Stammheim starben. Und noch heute quält mich die Erinnerung an ihre
       Isolationshaft. Wie sie gebrochen und aus der Gesellschaft entfernt
       wurden.“ Da können die Deutschen nicht mithalten.
       
       Die Ziffer „1968“ steht für Don Kent schließlich auch für die Frauen-, die
       Schwulen- und die Umweltbewegung. „1970 findet nahe dem Atomkraftwerk Bugey
       am Oberlauf der Rhône die erste Großdemonstration der Anti-Atom-Bewegung in
       Frankreich statt. Es war ein herrlicher Sommertag. Und ich war dabei!“ Und
       es war schon mehr als ein Sturm im Wasserglas.
       
       22 May 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.arte.tv/de/videos/RC-016168/mai-68/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Müller
       
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