# taz.de -- ZDF-Kochsendung „Küchenschlacht“: Zu Besuch im Proseccohimmel
       
       > Fünf Hobbyköche treten gegeneinander an, jeden Tag fliegt einer raus. Das
       > simple Show-Konzept wird nur von Moderator Johann Lafer übertroffen.
       
 (IMG) Bild: Star Johann Lafer (2.v.r.) umringt von den Kandidaten
       
       Hamburg taz | Die Getränke sind umsonst – Krebs kann Sie das Leben kosten“
       steht auf einer Spendendose am Tresen, und ich nehme einen Prosecco, bitte.
       Geschmacklich ist der Morgen eh schon hinüber, zack, einmal in die falsche
       Bahnhofsbäckerei geraten und einen Milchkaffee bestellt, den die
       Verkäuferin-Verräterin vor meinen Augen mit gesundheitsgefährdend-ekliger
       H-Milch statt normaler Milch zubereitet und mit bösen Blicken endlich
       restlos ungenießbar macht. Aber was tun, drei Euro sind schließlich drei
       Euro, also rein damit. Rachen verpelzt, Zunge verschlammt, Gaumen verödet:
       Da kann man ruhig schon um zwölf Uhr was trinken.
       
       Wer sich den Namen „Küchenschlacht“ für die gleichnamige [1][Kochsendung]
       ausgedacht hat, kann dumm nicht gewesen sein – ist doch die Küche der zum
       Glück einzige Ort, an dem in diesem Land noch Schlachten geschlagen werden.
       Das dann aber dafür richtig, mit Nachbarn umbringen und Leberwurst machen.
       Armin Meiwes, der „Kannibale von Rotenburg“, ist ja im Prinzip auch nur ein
       Koch mit Ambitionen.
       
       Zusammen mit ihren Proseccogläsern, ggf. Ehemännern und mir warten etwa
       fünfzig ältere Damen, ungeduldiger werdend, auf den Beginn der
       Aufzeichnung. (Ein wahres Paradies für Erbschleicher, nur so als Tipp.)
       
       ## Ein Gesicht wie seltenes Gemüse
       
       Dann geht es ins Studio rein, in dem auch „Markus Lanz“ gedreht wird.
       [2][Johann Lafer ist der Moderator dieser „Küchenschlacht“-Folge], das
       wechselt immer, aber er ist auch eindeutig der coolste. Sein Gesicht sieht
       aus wie ein seltenes Gemüse, er kommt aus Österreich, hat einen
       Michelin-Stern, einen Helikopterführerschein, schon eine Bewährungsstrafe
       bekommen und einmal 370.000 Euro zahlen müssen wegen Hinterziehung von
       Steuern und Sozialabgaben seiner Angestellten.
       
       Das Prinzip der „Küchenschlacht“ ist einfach: Fünf Hobbyköche treten
       gegeneinander an, jeden Tag fliegt einer raus. Palavern und pürieren: Damit
       hat das ZDF schon geradezu lindenstraßenartige 1.300 Folgen gefüllt; im
       Januar feierte die Show ihr zehnjähriges Jubiläum. Zur tausendsten Sendung
       kam Ilse Aigner zum Fressen. Ein solider Sockel an Perversen sorgt für
       Quote – zwar nicht ganz so doll wie beim Konkurrenzformat „Bares für Rares“
       (moderiert von Horst Lichter, ebenfalls Koch), aber es suppt sich ganz
       schön was dahin.
       
       Auch ich war dabei vor dem Schirm, schon als Kind, nach der Schule, zum
       Runterkommen und weil ich nicht kochen wollte. Das ist nämlich meine
       Theorie über Kochshows: Entgegen allen Beteuerungen der Moderatoren (Kochen
       ist doch gar nicht so schwer, komm, hopp, hier, ein bisschen Aubergine und
       Pumpernickel, auch ihr, liebe Leute da draußen) gucken die meisten Leute
       die diversen, auch schon oft und gerne totgeglaubten Kochformate, um eben
       nicht kochen zu müssen.
       
       ## Der Star mit eigenem Magazin
       
       Und natürlich um Johann Lafer anzuschauen, dessen Aura heller glüht als
       jedes Ofenrohr. Im Zentrum des dann vollends perfekten Gesichts (s. o.)
       steht das Herzstück dieses menschlichen Wunders: der stets perfekt
       getrimmte Schnurrbart, Markenzeichen des sonoren Steirers, wie das letzte
       noch fehlende Gewürz. Lafer ist die Helene Fischer des Kochens. Seit Kurzem
       sogar mit eigenem Magazin: dem Johann Lafer Journal. Für immerhin fünf Euro
       liest man darin, wie der Meister – und „Editor at Large“ – sich mit Mona
       Lisa vergleichen lässt, den Bundespräsidenten (nicht Johann Lafer) nach
       ausgefallenen Mahlzeiten fragt („Der komplette Hammelkopf samt Augen!“),
       Schleichwerbung für Dunstabzugshauben macht und Fachbegriffe wie „Sulmtaler
       Huhn“ oder „Gebrannter Joghurt“ fallen lässt. Tochter Jennifer Lafer darf
       derweil von ihrer Reise zu japanischen „Oktopus-Lollis“ berichten und
       Ehefrau Silvia Lafer vom Serviettenfalten.
       
       Bei eingehender Lektüre kommen allerdings weniger friedvolle Assoziationen:
       „Da gab es im Winter zum Beispiel immer eine köstliche Speise von meiner
       Mutter zur Belohnung, wenn ich den Schnee um das Haus weggeschaufelt
       hatte.“ Was das wohl für eine „köstliche Speise“ gewesen sein mag? „Die
       Haut am Halsende mit Küchengarn so festbinden, dass die Luft nicht mehr
       entweichen kann.“ Alles klar. „Wir sind mehr Bakterie als Mensch.“ Warum
       nicht? Lafers Geheimnis: „Ich will keine Kompromisse. Ich will alles
       perfekt machen.“ So wie Armin Meiwes also.
       
       „Grün“ lautet das Motto dieser Sendung, wegen Ostern, Frühling und so (auch
       wenn zum Zeitpunkt der Aufzeichnung eine dicke Eisschicht die Elbe
       bedeckt). Doch vorher kommt noch ein Anheizer mit Quietschstimme und
       innerlich tot, und betütert die Alten, wie eigentlich nur ihrerseits Alte
       es können: gerade sitzen, liebe Kinder, sich einen lächeln und sich freuen.
       „Egal, ob das unnatürlich wirkt. Die Leute zu Hause wollen glückliche
       Menschen sehen!“ Erstaunlich oft zweifelt er (im Spaß natürlich) an, dass
       sie freiwillig hier seien.
       
       ## Grün, grün, grün ist der Frühling
       
       Zu [3][Aretha Franklins „Respect“], dem Titellied der „Küchenschlacht“, in
       dem es ja auch irgendwie um den Haushalt geht, wird dann eingeklatscht.
       Lafer schwebt ins Studio, schüttelt drei Publikumshände und bringt einen
       Witz nach dem anderen. Mit dem Namen des Jurors Ali Güngörmüş, den er so
       schwer aussprechen könne, mache er es sich heute mal einfacher und nenne
       ihn Ali Grüngemüs.
       
       Eben wegen des Mottos „Grün“. So viele Lebensmittel seien das ja, also
       grün, wegen des Chlorophylls in den Pflanzen. „Hoffnung“ und „Frühling“ und
       „Gesundheit“, sagen dann die drei Hobbyköche, danach gefragt, was sie denn
       mit dem Motto „Grün“ verbänden. Für den Juror mit dem schwierigen Namen
       erschaffen sie währenddessen so Dinge wie „Kräuterfrikadellen“, „Ei im
       Wasserstrudel“ oder „in Bierteig gebackenen Spargel“ und werden von Lafer
       im Wechsel mit seiner Körperlichkeit umgeben, der Ratschläge gibt und im
       Essen rumfuchtelt.
       
       Kandidatin Renate (Marianne? Gisela?) aus Baden-Württemberg macht einen
       „Rucola-Mango-Smoothie“ – sprich: Smuhsi –, worüber Lafer schmunzeln muss.
       Smuhsis: Ihr schmecken die eigentlich auch nicht so recht, gibt sie zu. Das
       Rezept habe sie im Internet gefunden. „Ach, macht man das heutzutage so?
       Ist das Internet jetzt das neue Hilfsmittel beim Kochen?“ „Das ist für
       ziemlich viele Bereiche ein gutes Hilfsmittel, finde ich.“ Eine Kandidatin
       aus Bayern, die mit dem Bierteig, erzählt von den vielen
       Einsatzmöglichkeiten für Weißbier.„Zum Beispiel, wemma kei Milch hat fürn
       Pfannkuchenteig.“ „Da schlafen die Kinder dann gut“, scherzt Lafer und
       hilft ihr mit der „Bindung“ bei der Sauce hollandaise. Die sei nämlich
       total schwierig.
       
       Doch, huch, das Frikadellendrama interferiert: Michael (oder so), Polizist
       aus Schleswig-Holstein, hat die „Kräuterfrikadellen“ versalzen! Und Lafer
       wäre nicht Lafer, täte er nicht alles, um sie zu „retten“! (So wie Jesus
       unsere Seelen vor dem Teufel gerettet hat.) Aber womit bloß? Spucke?
       Marmelade? Weißbier? Einen halben Liter Sahne kippt er in die Masse, „und
       noch einen geriebenen Apfel, dann wird es richtig schön fluffig!“
       
       Fluffig, fluffig … so fluffig wie nur Lafer selbst. Allein schon, wie er
       das Wort „Butter“ sagt! Sanft, aber doch bestimmt; kühn, aber doch mit der
       Ruhe des Profis. Und er sagt es oft. Butter! Butter! Butter! Butter!
       Einfach himmlisch. Würde jedenfalls Lafer wohl sagen, könnte er sich selber
       jetzt sehen. Es ist, als bräuchte er gar nicht die Hände zum Kochen, als
       reichte der Mund dafür schon völlig aus. Sein Reden: ein einziges Brutzeln
       und Zischen und Löschen. Ein Gedicht für die Zunge.
       
       ## Zweite Folge direkt im Anschluss
       
       Das ist sein wahres Geheimnis. Und die blendend weiße Küchenschürze
       natürlich. Hat jemand schon mal so eine Küchenschürze gesehen? Und sie
       harmoniert ja so gut! Mit seinen Haaren! Seinem Bart! Gesicht! Butter!
       Butter! Butter! Butter! Das Salzdebakel bemerkt Güngörmüş natürlich doch,
       der Polizist fliegt raus, Ende. Ich gehe wieder zum Tresen, diesmal gibt es
       ein Glas Cola. „Du warst am meisten im Bild“, sagt der Eingießer und
       zwinkert mir zu.
       
       Direkt im Anschluss beginnt die zweite Folge, und der Quäker schnattert
       wieder los. Er sagt alles, ich schwöre, Wort für Wort haargenau so wie beim
       letzten Mal. Lächeln, freuen, gerade sitzen. Wenn nicht der Moderator
       dieses Mal ein ganz anderer wäre, ich würde mich mit der Zeitschleife
       mittreiben lassen und irgendwo anders fein wieder rauskommen, vielleicht
       als Teller oder so. Wer weiß das schon? Und woher? Oder wie?
       
       Leider ist der Moderator dieses Mal doof, nuschelt und spricht über sich
       selbst in der dritten Person. Einen tollen Moment gibt es aber noch: als
       der eine Kandidat mit einer Zucchinischeibe fast die Küche abfackelt. Da
       habe ich mich mal wieder so richtig lebendig gefühlt.
       
       5 Apr 2018
       
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