# taz.de -- Drei-Religionen-Kita: Begegnung auf Augenhöhe von klein an
       
       > Die Idee: In der Kita sollen sich jüdische, muslimische und christliche
       > Kinder respektvoll begegnen. Einen konkreten Ort für das Projekt gibt es
       > noch nicht.
       
 (IMG) Bild: Die Initiatorinnen der Drei-Religionen-Kita: Kathrin Janert, Gesa Ederberg und Iman Andrea Reimann
       
       „Wir bringen etwas ganz Neues in die Stadt“, sagt Iman Andrea Reimann vom
       deutschsprachigen Muslimkreis Berlin, eine der Initiatorinnen einer
       Drei-Religionen-Kita. „Die Kinder werden zu Respekt vor Vielfalt und den
       anderen Religionen erzogen.“ Drei Kitas – eine muslimische, eine
       christliche und eine jüdische – sollen auf einem gemeinsamen Campus
       entstehen. Dafür sammeln Reimann und ihre Mitstreiterinnen Spenden wie
       neulich bei einer Gala in der Berliner Stadtmission.
       
       Vereinfacht erklärt, soll der neue Kita-Campus so aussehen: Drei
       konfessionelle Träger bringen in drei eigenständigen Gebäuden jeweils 45
       Kinder der eigenen Religionsgemeinschaft unter. Alle drei verfolgen dabei
       ihr eigenes pädagogisches Konzept. Die jeweiligen Fest- und Feiertage wie
       Chanukka, Ramadan und Weihnachten bestimmen den Verlauf des Jahres in jeder
       Einrichtung anders.
       
       Auf dem gemeinsamen Campus sollen die Kitas dennoch nicht voneinander
       abgeschottet sein – ein Vorwurf, den sich sonst vor allem muslimische Kitas
       häufig gefallen lassen müssen.
       
       „Es wird einen gemeinsamen Spielplatz und ein viertes Gebäude mit einem
       Familienzentrum geben. Hier sollen sich Kinder und ihre Eltern begegnen
       können“, sagt Kathrin Janert vom Evangelischen Kirchenkreisverband für
       Kitas in Berlin Mitte-Nord, eine weitere Initiatorin des Projekts. Eine
       Großküche soll alle drei Kitas mit Essen versorgen. Und weil dabei nur an
       vegetarische Kost gedacht ist, erübrigen sich Diskussionen darüber, ob das
       Essen halal oder koscher ist.
       
       Beginnen soll der Bau 2019. 2021 will man dann den Betrieb in der
       Drei-Religionen-Kita aufnehmen.
       
       Ob der Kita-Campus in dieser Form aber realisiert werden kann, muss sich
       noch zeigen. Erste Hürden gibt es bereits. Einen konkreten Ort für den
       Campus können die Gründerinnen derzeit nicht nennen. In Medienberichten vom
       November war noch von Moabit die Rede. Mit dem Ort steht und fällt aber das
       ganze Vorhaben – auch die Finanzierung, etwa durch das Kita-Ausbau-Programm
       für Berlin. Der Rest muss aus Spenden kommen. Die ersten Eltern haben
       bereits ihr Interesse an dem Kitaprojekt geäußert.
       
       ## Ein Gleichheit konstruieren
       
       Für Janert ist das Besondere an der Drei-Religionen-Kita, dass eine
       Begegnung der drei Religionsgemeinschaften auf Augenhöhe stattfindet. „Wir
       konstruieren eine Gleichheit, die es so in anderen konfessionellen Kitas
       nicht gibt“, sagt sie.
       
       In der Regel überwiegt in anderen konfessionellen Kitas die Erziehung in
       nur einer Religion, vor allem der christlichen, auch wenn die
       Zusammensetzung der Kinder längst multireligiös ist. In manchen christlich
       orientierten Kitas hat ein Großteil der Kinder einen Migrationshintergrund,
       viele sind muslimisch. Dennoch feiern die Kinder Weihnachten und Ostern, in
       manchen konfessionellen Kitas gibt es sogar Bibellesungen, als wäre das für
       alle Kinder und ihre Familien selbstverständlich. Muslimische Feiertage
       sind, wenn überhaupt, höchstens mal Gesprächsthema im gemeinsamen
       Morgenkreis.
       
       Für Gesa Ederberg vom dritten Träger, dem jüdischen Verein Masorti, gibt es
       gute Gründe für die Autonomie der einzelnen Kitas auf dem Campus. „Die
       muslimischen und jüdischen Kinder müssen nicht immer wieder mühsam
       erklären, warum sie beispielsweise keine Gummibärchen mit Gelatine aus
       Schweinefleisch essen“, sagt die Rabbinerin. „Zugleich findet unter den
       Religionsgemeinschaften eine intensive Begegnung statt, mit Lernchancen,
       auf die sich Eltern und Kinder unserer Kitas bewusst einlassen.“
       
       Das soll in einer gewünschten Nachbarschaft passieren, in der man sich dann
       und wann zwanglos treffe. „Feiert die jüdische Kita beispielsweise
       Chanukka, so könnte sie die Kinder der anderen beiden Kitas einladen“, so
       Ederberg. Oder Kindergruppen gehen, „wenn sie Fragen zu den anderen
       Religionen haben, rüber zu den Experten in der jeweils anderen Kita“, fügt
       Kathrin Janert hinzu.
       
       ## Interreligiöse Erziehung
       
       Der Religionspädagoge Friedrich Schweitzer von der Universität Tübingen
       begrüßt jedes Kita-Projekt, das interreligiöse Erziehung ermöglicht. „Auf
       dem neuen Kita-Campus können die Kinder die eigene Tradition und zugleich
       die der anderen kennenlernen,“ sagt Schweitzer, der seit vielen Jahren zum
       Thema forscht. „Deutsche Kitas sind nach wie vor zu wenig auf die zunehmend
       multireligiöse Zusammensetzung der Kinder vorbereitet“, sagt er.
       
       Auch in anderen Einrichtungen soll Begegnung mit den verschiedenen
       Traditionen stattfinden. Kitas mit einem interkulturellen und inklusiven
       Ansatz haben den Anspruch, die Kulturen und Religionen möglichst aller
       Kinder in die pädagogische Arbeit einzubeziehen. Ein Anspruch, der Annett
       Neumann, Leiterin einer evangelischen Kita im interkulturellen
       Familienzentrum Tam in Kreuzberg, sich oft fragen lässt: „Berücksichtigen
       wir auch alle Religionen? Oder grenzen wir ungewollt eine aus?“ Die Kita
       ist eine von acht Berliner Modellkitas, die im Auftrag der Senatsverwaltung
       ihre Erfahrungen bei der Integration von Familien mit Fluchterfahrung mit
       anderen Kitas austauschen und gute Beispiele liefern sollen.
       
       Diese Zweifel muss es bei den Kitas auf dem Campus theoretisch nicht geben.
       Denn sie beschränken sich ja von vornherein auf drei Religionen. Ein erster
       Vorbehalt kommt allerdings von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und
       Familie: „Es ist wichtig, dass auch Kinder in die Einrichtung aufgenommen
       werden, die nicht religionsgebunden sind“, sagt eine Sprecherin.
       
       In der Idee und dem Aufbau nach erinnert die Drei-Religionen-Kita an das
       House of One, ein schon länger geplantes Projekt: Unter einem gemeinsamen
       Dach sollen am Petriplatz in Mitte ab 2019 eine Moschee, eine Synagoge und
       eine Kirche entstehen, mit einem Raum für Begegnungen dazwischen. Und noch
       ein weiteres Drei-Religionen-Vorhaben tauchte vergangenes Jahr zumindest
       als Idee auf. Der „Campus der Theologien“ für die Humboldt-Universität ist
       allerdings bisher nicht umgesetzt worden.
       
       ## Öffentlichkeitswirksame Ausnahmen
       
       Für den Religionswissenschaftler Andreas Feldtkeller von der
       Humboldt-Universität stellen überkonfessionelle Projekte wie das House of
       One oder die Drei-Religionen-Kita Ausnahmen dar. „Religionsgemeinschaften
       haben heute ein sehr starkes Abgrenzungsbedürfnis gegeneinander. Man denke
       nur an die islamfeindliche Pegida-Bewegung“, sagt der Experte für
       Interkulturelle Theologie. Deshalb würden Projekte auffallen, die sich um
       eine friedfertige Koexistenz der Religionen bemühen. Und diese zögen dann
       die ganze Aufmerksamkeit auf sich, meint Feldtkeller.
       
       Das Projekt der Berliner Drei-Religionen-Kita ist nicht das einzige seiner
       Art. In Pforzheim in Baden-Württemberg wollen gleich mehr als doppelt so
       viele Religionsgemeinden wie in Berlin, darunter auch Katholiken und
       Jesiden, eine multireligiöse Kita gründen.
       
       2 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hülya Gürler
       
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