# taz.de -- Guido Knopp wird 70: Im bildungsbürgerlichen Giftschrank
       
       > Geschichte und Unterhaltung: Guido Knopps Werk wird oft als
       > „Histotainment“ abgetan. Diese Art der Inszenierung nutzen längst auch
       > andere.
       
 (IMG) Bild: Machen wir uns nichts vor: Guido Knopp lebt
       
       Machen wir uns nichts vor, Guido Knopp war und ist unten durch. Er betreibe
       Geschichtspornografie, heißt es seit den 1990er Jahren. Hitler-besessen
       sei er ja sowieso. 2006 wurde auf einer Historikertagung über den „Herrn
       K.“ gelästert. Der ehemalige Zeit-Chefredakteur und
       SPD-Bürgermeisterkandidat in Hamburg, Michael Naumann, schrieb im selben
       Jahr: „Vermeiden Sie Guido Knopps zeithistorische Dokumentationen im
       Fernsehen.“
       
       Es fehlte eigentlich nur noch ein Warnhinweis auf seinen Büchern und Dokus.
       Nur gut, dass Knopps Zeit beim ZDF 2013 zu Ende ging.
       
       Aber, machen wir uns auch da nichts vor: Guido Knopp lebt. Also zum einen
       so richtig, er wird schließlich an diesem Montag 70 Jahre alt. Zum anderen
       aber auch durch seine rund 2.000 Stunden Geschichtsfernsehen, die er von
       1978 bis zu seinem Ruhestand 2013 laut eigener Zählung verantwortet hat.
       
       Knopp schlummert in den Videoschränken vieler Geschichts- und
       Gemeinschaftskundelehrer – und wird vermutlich an jedem Schultag in
       irgendeinem Klassenzimmer in Deutschland zum Leben erweckt: Medienwagen in
       den Klassenraum geschoben, VHS-Kassette oder DVD rausgeholt, los geht’s mit
       „Hitlers Helfer“ oder „Hitlers Krieger“ oder „Hitlers Frauen“ oder „Hitlers
       Manager“.
       
       Oder seinem letzten Werk „Weltenbrand“, in dem er noch mal so richtig auf
       die Kacke haute, in acht Teilen den ganz großen Bogen von 1914 bis 1945
       schlug, gleich im ersten Akt Adolf Hitler auftauchen ließ, Klaus Doldinger
       die Musik beisteuerte, alte Aufnahmen nachkoloriert und Szenen nachgespielt
       wurden – und das Ganze dann dröhnend als der „Dreißigjährige Krieg des 20.
       Jahrhunderts“ vermarktete.
       
       ## Hitlertainment
       
       Ganz so, als hätte es Knopp seinen Kritikern zum Abschied noch mal richtig
       schön leicht machen wollen. Als wollte er noch mal allen zeigen, wer der
       König des Histotainments ist. Denn so wurden seine Doku-Reihen genannt.
       Zumeist wurde dieser aus History und Entertainment zusammengesetzte Begriff
       wie ein Schimpfwort benutzt: Oberflächlich; unzusammenhängend; der
       Komplexität von Geschichte nicht gerecht werdend; die Deutschen aus der
       Schuld nehmend; nur von oben, von den Mächtigen, meist den übelsten
       Schurken würde bei ihm erzählt. Aus Histotainment wurde mit Blick auf Knopp
       sogar Hitlertainment.
       
       An Knopp schien all die Kritik nicht haften zu bleiben. Er hatte ja seinen
       Professorentitel, wichtige Fernsehpreise, darunter sogar einen Emmy, seine
       Werke liefen international gut. Knopp schien seine Außenseiterrolle, fernab
       der seriösen Wissenschaft, gar zu genießen. Viel Feind, viel Ehr.
       
       Und tatsächlich mutet es bizarr an, dass in einer Zeit, in der über
       mangelnde Bildung geschimpft, [1][um verpflichtende KZ-Besuche gestritten]
       und das Verlorengehen des Wissens über Naziherrschaft und Holocaust
       bedauert wird, einer wie Knopp wie ein Aussätziger betrachtet wird.
       Zumindest von weiten Teilen der wissenschaftlichen Elite.
       
       Dabei könnte man Knopps Histotainment auch schlicht anerkennen: Er hat
       geschmeidig wie niemand vor ihm Geschichtsunterricht mit Unterhaltung
       verwoben. Seine Dokus liefen um 20.15 Uhr. Primetime. Eine Folge „Hitlers
       Helfer“ erreichte mit rund acht Millionen ZuschauerInnen mehr als doppelt
       so viele Menschen wie alle Staatlichen Museen zu Berlin im gesamten Jahr
       2016 (3,647 Millionen).
       
       Ja, seine Botschaften waren und sind simpel: Nazis – schlecht,
       Antisemitismus – schlecht, Holocaust – schlecht, eine Mauer zwischen
       Staaten bauen – schlecht. Aber kann es – wenn man sich mal umschaut –
       eigentlich genug Leute geben, die diese simplen Botschaften den Menschen in
       die Hirne hämmern?
       
       ## Netflix-Dokus werden gefeiert
       
       Nehmen wir sein womöglich oberflächlichstes Werk: „100 Jahre“. Diesen
       Querfeldeinlauf ins 20. Jahrhundert, der immer wieder an Feiertagen bei
       Phoenix lief. Was ist so schlimm daran, ein großes Publikum darauf
       hinzuweisen, dass die Kaiserzeit vor der Mondlandung endete? Und das dann
       auch noch halbwegs unterhaltsam zu verpacken?
       
       Erstaunlich ist, dass Netflix-Dokumentationen, die sich teilweise sehr
       scharf am Rande der Inszenierung bewegen, von der Kritik gefeiert werden;
       dass Biopics wie „The Crown“ – [2][eine Serie über das Leben von Elizabeth
       II.] – geliebt werden, obwohl auch deren Wahrheitsgehalt in weiten Teilen
       nicht nachprüfbar ist; dass die BBC für den knoppschen Werken nicht
       unähnliche Dokus gelobt wird. Dass Filme aus der Feder Guido Knopps aber im
       bildungsbürgerlichen Giftschrank zu landen haben.
       
       Ja, Knopps pathetische Pose mag verhindern, dass er so verkultet wird wie
       andere Prominente: Sein Projekt „Gedächtnis der Nation“, das
       Zeitzeugeninterviews sammelt, nennt er „ein Projekt von nationalem Rang“.
       Drunter macht es ein Guido Knopp nicht. Und wer will, kann sich auf einer
       Kreuzfahrt („Dubai trifft Östliches Mittelmeer“) von Knopp persönlich den
       Mauerfall, das Deutschsein und seine Biografie nacherzählen lassen.
       Autogrammstunde inklusive.
       
       Wem das zu blöd ist, dem bietet die Zeit zum Glück eine Alternative: eine
       Kreuzfahrt mit Zeit-Redakteuren. Gute Reise!
       
       29 Jan 2018
       
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