# taz.de -- Das Funkhaus Berlin: Neuklassisch
       
       > Das Funkhaus in Oberschöneweide kann mit Ostschick prunken und gilt als
       > Konzertbühne bereits als die neue Philharmonie für Neo-Klassik.
       
 (IMG) Bild: Ein schöner Ort für Musik: ein Klavier in einem ehemaligen Sendesaal im Funkhaus
       
       Man muss nur ein Stückchen raus aus der Berliner Innenstadt fahren, nach
       Oberschöneweide. Kurz vor einer Datschensiedlung führt ein kleiner Weg
       direkt in die DDR.
       
       Die Zeit scheint im Funkhaus Nalepastraße, direkt an der Spree gegenüber
       dem Spreepark gelegen, fürwahr irgendwann in den siebziger Jahren
       angehalten worden zu sein. In dem gigantischen Gebäudekomplex, in dem bis
       zur Wende der Rundfunk der DDR beheimatet war, bewegt man sich durch
       riesige Foyers, Flure und mächtig hohe Räume wie durch eine andere Welt.
       Ostschick und Retrocharme in seiner glamourösesten Variante ist hier zu
       bestaunen, mächtige Säulen, Marmorböden und aufwendige Holzverkleidungen
       vor Decken und Wänden.
       
       Direkt am Spreeufer steht ein Futuro, eines dieser extrem seltenen Häuser,
       die aussehen wie Ufos und die sich der finnische Architekt Matti Suuronen
       Ende der Sechziger ausgedacht hat. Ein wenig etwas von einem Freiluftmuseum
       wird hier einem also gleichfalls noch geboten. Kein Wunder, dass inzwischen
       auch kommerzielle Touren über das Funkhausgelände, das sich über 13 Hektar
       erstreckt, buchbar sind.
       
       Das gesamte Rundfunkprogramm der DDR wurde früher in der Nalepastraße in
       mehreren Studios und Aufnahmesälen produziert, bis zu 5.000 Personen
       arbeiteten hier in den Siebziger Jahren, und auf dem Gelände gab es alles,
       was man so brauchte, alles vom Restaurant bis zum Friseur.
       
       ## Wechselhafte Geschichte
       
       Nach der Wende jedoch begleitete das Funkhaus eine wechselhafte Geschichte.
       Verschiedene kleinere Radiosender nisteten sich hier für eine Weile ein und
       zogen dann wieder aus, Investoren und neue Besitzer des Geländes kamen und
       gingen. Teile der Räumlichkeiten wurden als Ateliers und Musikstudios
       genutzt, sogar eine Autowerkstatt war einmal hier mit untergebracht. Das
       Filmorchester Babelsberg mietete sich eine Zeit lang ein und auch Platten
       wurden produziert – sogar Sting und die Black Eyed Peas sind bis nach
       Oberschöneweide gekommen. Die Akustik, so glaubt nicht nur Berliner
       Dirigent Daniel Barenboim, der hier ebenfalls Alben mit klassischer Musik
       eingespielt hat, sei eben ganz besonders in den holzvertäfelten
       Aufnahmesälen.
       
       Doch seit Mitte 2015 ist nochmals alles anders in der Nalepastraße. Seitdem
       gehört das Gelände dem Investor Uwe Fabich, der in Berlin bereits mehrere
       Immobilien unterhält, unter anderem den Postbahnhof in Friedrichshain. 12
       Millionen Euro hat er investiert und gleich verkündet, dass er das Funkhaus
       Nalepastraße zu einem weltweit führenden Zentrum für Musik umgestalten
       möchte.
       
       Was sich dann gleich rasend schnell seit der Übernahme geändert hat, ist
       vor allem die öffentliche Wahrnehmung des Hauses durch den forcierten
       Konzertbetrieb. Innerhalb kürzester Zeit hat man es geschafft, das Funkhaus
       Nalepastraße als ganz besondere Location für ganz besondere Konzerte zu
       etablieren. Bislang war es ein recht exklusiver Markenkern der Volksbühne,
       ein Ort mit besonderer Aura zu sein, in der die Lieblingsband gleich viel
       besonderer klingt als irgendwo anders. Den Ruf, der außergewöhnlichste Ort
       für außergewöhnliche Konzerte in Berlin zu sein, hat jedoch jetzt das
       Funkhaus Nalepastraße.
       
       ## Bestimmter Sound
       
       Dazu beigetragen hat sicherlich, dass man bei dem Konzertprogramm bewusst
       auf einen ganz bestimmten Sound setzt, auf eine bevorzugt warme,
       retroselige Musik, die perfekt zu den Gegebenheiten im Funkhaus passt. Man
       lässt neben Vertretern der avancierteren elektronischen Musik, wie etwa
       Kaitlyn Aurelia Smith, die vor Kurzem hier auftrat, vor allem die großen
       Namen der sogenannten Neo-Klassik auftreten.
       
       Joep Beving, Francesco Tristano und Hauschka waren alle schon hier. Und
       natürlich Nils Frahm, sozusagen der Hauskomponist des Funkhauses, der Ende
       Januar gleich vier Konzerte hintereinander hier geben wird.
       
       Verantwortlich für das Musikprogramm im Funkhaus Nalepastraße ist Felix
       Grimm, der nebenbei auch als Manager von Nils Frahm fungiert. Er habe sich
       schon weit vor der großen Erfolgswelle der Neo-Klassik, bei der, grob
       gesagt, Elemente der Popmusik mit denen der Klassik verbunden werden, für
       diese Art Klanggestaltung interessiert, sagt er. Bereits vor zehn Jahren
       sei ihm der Trend aufgefallen, dass zwei bislang weitgehend voneinander
       isolierte Musikkulturen neu nach Anschlussmöglichkeiten suchen. Dass er für
       seine von ihm veranstalteten Konzerte aus diesem Bereich mit dem Funkhaus
       den idealen Ort gefunden hat, sei da natürlich eine glückliche Fügung und
       mitverantwortlich für den Erfolg seiner Veranstaltungen. „Jeder, der
       hierherkommt“, sagt er, „merkt sofort, dass die Räume hier einfach ganz
       besonders sind.“
       
       Inzwischen, so glaubt Horst Weidenmüller vom Berliner Pop- und
       Elektroniklabel K7, der seit Kurzem auch eine Plattenfirma für Neo-Klassik
       betreibt, sei Berlin die Welthauptstadt der boomenden Musik zwischen den
       Stühlen, „und das Funkhaus Nalepastraße ist die neue Philharmonie dieser
       Szene.“
       
       ## Das Studio von Nils Frahm
       
       Felix Grimm führt einen irgendwann auch in das Studio von Nils Frahm, der
       sich dieses exklusiv in einem der ehemaligen Aufnahmeräume einrichten
       durfte und hier auch sein komplettes neues Album „All Melody“ eingespielt
       hat, das Ende Januar erscheinen wird.
       
       Überall stehen alte Moogs, Klaviere und sogar eine selbstgebaute, über den
       Computer steuerbare Orgel herum. Es sieht eindrucksvoll aus, aber nicht
       nur, weil so viele Geräte und Musikinstrumente auf einen Haufen einfach
       faszinieren, sondern weil man sofort versteht, dass ein analoger
       Synthesizer in diesem Raum, in dem man automatisch das Gefühl bekommt,
       Erich Honecker müsse noch leben, sicherlich besonders analog klingen wird.
       
       „So ein Ort braucht viel Arbeit“, sagt Felix Grimm, wenn man mit ihm weiter
       durch die endlosen Flure und Säle im Funkhaus Nalepastraße zieht. Und er
       meint damit, dass so ein denkmalgeschütztes Gebäude eben ständig gehegt und
       gepflegt gehört, denn zwischen Retro-Look und Verfall liegt manchmal nur
       ein schmaler Grat. „Man muss mal hier am Holz arbeiten, mal dort den Marmor
       schleifen“, sagt er.
       
       Noch viel mehr Arbeit scheint jedoch gerade in den weiteren Ausbau und die
       programmatische Neuorientierung des Ortes gesteckt zu werden. Manche
       Stockwerke werden jetzt erst neu erschlossen, und eine Schule für
       Tontechniker ist jüngst in das Funkhaus gezogen. Vor Kurzem fand hier eine
       zweitägige Musikmesse der Berliner Software-Firma Native Instruments statt,
       und Silvester wurde die riesige, zum Komplex gehörende Shedhalle im großen
       Stil mit einer Party eingeweiht. Und mit dem Monom hat man gerade auch noch
       einen neuen Experimentier- und Konzertsaal bekommen, in dem einem ein nie
       gehörtes, dreidimensionales Klangvergnügen versprochen wird.
       
       „Hier passiert noch viel mehr in den nächsten Jahren“, sagt Felix Grimm,
       „am Ende stelle ich mir vor, dass das Funkhaus ein wenig wie das Barbican
       in London sein soll“, und verweist auf das riesige, interdisziplinäre
       Kulturzentrum von Weltruf in Englands Kapitale. In Oberschöneweide hat man
       ganz offensichtlich noch Großes vor.
       
       17 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Oberschöneweide
 (DIR) Popkultur
       
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