# taz.de -- SPD-Forderungen zur Regierungsbildung: Bis über den Rubikon
       
       > Nun werden sie wieder überall bemüht und gezogen im politischen Betrieb –
       > die berühmten roten Linien. Hat das Gewese um Jamaika gar nichts
       > gebracht?
       
 (IMG) Bild: Der Weg zum Kanzleramt ist mit roten Linien gepflastert
       
       Man würde sie gern mal sehen, mit ihrem „Riesenrucksack voll roter Linien“.
       Die SPD-Fraktionsvorsitzende „Bätschi“ Nahles brachte jenen Rucksack
       vergangene Woche [1][im Deutschlandfunk ins Gespräch], allerdings ohne
       genauer zu definieren, wie der aussehen könnte. Eher schmal und hoch? Oder
       flach und breit, was ja vielleicht unpraktisch wäre, zum Beispiel beim
       Fahrradfahren. Wäre er eher ein Tages- oder ein Reiserucksack, gilt er also
       nur für heute oder für die kommenden Wochen?
       
       Eigentlich sind diese Fragen aber auch unerheblich, denn schließlich lehnt
       Nahles den Rote-Linien-Rucksack ab. „Man geht nicht in Verhandlungen mit
       einem Riesenrucksack von roten Linien“, sagte sie im Deutschlandfunk über
       die anstehenden Gespräche mit der Union. „Dann kann man das sich mit den
       Verhandlungen auch sparen.“
       
       Das ist ein, wenn auch grammatikalisch etwas holpriger, aber kluger Satz.
       Nur zeigt sich in der Realität, in der medialen und politischen, dass
       dieser Satz offenbar niemanden interessiert. Zurzeit kommt man jedenfalls
       kaum voran, ohne irgendwo über eine rote Linie zu stolpern. Der Beamtenbund
       [2][sieht eine in der Bürgerversicherung], Christian Lindner zog sie
       während der Jamaika-Verhandlungen [3][bei der Europapolitik], die Grünen
       legen sie in Schleswig-Holstein gerade bei den [4][Kita-Gebühren aus.] Und
       Donald Trump überschreitet sie eh mit verlässlicher Regelmäßigkeit, aktuell
       in Jerusalem.
       
       SPD und Union haben noch nicht zu sondieren begonnen, da reden Journalisten
       und Parteikollegen schon wieder in Dauerschleife von roten Linien. Wo sie
       sein sollen oder wo eben nicht. Dabei hat uns doch gerade das Gewese um
       Jamaika gezeigt, wohin die Suche nach harten roten Linien führen kann.
       
       Bemerkenswert ist dabei nicht nur das Vokabular, sondern auch der Ton. Da
       wird so viel „gewarnt“ (SPD-Vize Ralf Stegner „warnt“ die CDU vor roten
       Linien), „gemahnt“ (CDU-Vize Thomas Strobl mahnt, es gehe jetzt nicht um
       ein „Wunschkonzert sozialdemokratischer Forderungen“) und „appelliert“ (an
       die staatspolitische Verantwortung der SPD), als müssten sich zwei
       verfeindete Gegner in Stellung bringen und nicht etwa die beiden, die für
       die Politik der vergangenen Jahre gemeinsam verantwortlich sind.
       
       So funktioniert die fein abgestimmte Maschine aus journalistischen und
       sozialen Medien und dem politischen Betrieb mittlerweile. Der
       Deutschlandfunk will morgens bespielt werden, die Talkshows am Abend
       besetzt. Und worüber redet man, wenn sich die Regierungsbildung zieht wie
       ein Kaugummi? Richtig, darüber, welche Form dieser Kaugummi annehmen
       könnte, wenn er doch dann irgendwann würde, wie er sollte oder könnte. Nur:
       Müssen es rote Linien sein? Die haben doch, spätestens seit Obama
       stillschweigend dabei zusah, wie Assad seine rote Syrien-Linie begaste,
       sowieso keinen Bestand mehr.
       
       Man kennt das ja auch selbst von den roten Linien zu Hause. Der Dreijährige
       soll nicht zu viel fernsehen – außer beim Autofahren: Da ist das iPad ja so
       praktisch. Der Putzplan in der Küche definiert, dass Sonntagabend die
       Wohnung zu blitzen hat. Na gut, außer dieses Wochenende, da waren wir
       verreist. Der Wecker am Morgen ist erbarmungslos, deswegen ab jetzt immer
       vor Mitternacht ins Bett. Außer heute, wegen der neuen Staffel von „The
       Crown“.
       
       Vielleicht ist das Problem also seltener das Überschreiten, sondern eher
       das Aufstellen der roten Linie. Andrea Nahles und die SPD haben das
       erkannt, weswegen sie statt roter Linien elf Kernforderungen definiert
       haben, mit denen sie nun in die Gespräche mit der Union gehen. Das ist doch
       mal was! Die Forderung, abends vor Mitternacht ins Bett zu gehen, lässt
       sich im Kern ja auch einhalten. Nur manchmal eben nicht. Aber wenn das zu
       oft passiert, dann ist der Rubikon wirklich überschritten.
       
       11 Dec 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.deutschlandfunk.de/spd-vor-gespraechen-mit-der-union-nicht-mit-rucksack-voll.694.de.html?dram%3Aarticle_id=402620
 (DIR) [2] http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-11/beamtenbund-lehnt-spd-buergerversicherung-ab
 (DIR) [3] https://de.reuters.com/article/deutschland-wahl-fdp-idDEKCN1BS0CL
 (DIR) [4] https://www.shz.de/lokales/wedel-schulauer-tageblatt/rote-linie-fuer-die-kita-gebuehren-id18448271.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Fromm
       
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