# taz.de -- Deutschland ist führerlos: Wir werden alle sterben!
       
       > Die Polizei schießt auf Plünderer und in der Ferne brennt mal wieder der
       > Reichstag – gähn! Woche eins im Failed State Deutschland.
       
 (IMG) Bild: Auch der Eingang zur CDU-Parteizentrale hat sich verändert
       
       Als Erstes sage ich den Arzttermin ab, den brauche ich ja nun nicht mehr.
       Schließlich gibt es nichts Dämlicheres, als gesund zu sterben – das war
       auch stets der einzige Grund für mich, nicht in den Krieg zu ziehen, obwohl
       ich sonst nichts lieber täte. In den Krieg gegen Assad, in den Krieg gegen
       die Fifa, in den Krieg gegen Christian Lindner.
       
       Denn der drollige Dressman aus Wuppertal hat entschieden: Wir werden alle
       sterben! Egoistisch hat er [1][den Karren gegen die Wand gefahren]. Seine
       volle Hose, die er hinter angeblicher Prinzipientreue vor uns versteckt wie
       ein beschämter Inkontinenter vor den Pflegekräften, führt unser Land in ein
       Chaos, gegen das [2][die Weimarer Republik] ein Plenum der Eltern von
       Bullerbü gewesen sein wird.
       
       Warum hat er nicht einfach etwas gegen seine Angst genommen, so wie wir
       alle: Heroin, Alkohol, Valium? Immerhin wäre es nicht verboten, unter
       Drogeneinfluss zu regieren. Nun haben wir den Salat, und der ist angemacht
       mit einem Armageddon-Apokalypse-Joghurt-Dressing.
       
       Innerhalb weniger Tage, ach was: Stunden, wird in unserem Land die Ordnung
       gefleddert wie ein toter Büffel, um den sich sukzessive die Löwen, die
       Geier, die Hyänen, die Schakale, die Marabus und die AfD streiten. Schon am
       Morgen eines „Tages des tiefen Nachdenkens“ (Angela Merkel) genügt ein
       Blick aus dem Fenster, um zu sehen, dass es sich beim sogenannten
       Nachdenken um eine unwiederbringliche Gehirnfunktion von vorgestern
       handelt. Durch die einspurige und frisch zur Fahrradstraße umgewidmete
       Neuköllner Weserstraße liefern sich zwei schwarze SUVs ein gnadenloses
       Rennen. Motoren heulen auf, die Kinder juchzen. Denn es sind keine
       jugendlichen Heißsporne, sondern Muttis, die ihre Kleinen zur Schule
       fahren, damit sie noch ganz schnell so viel wie möglich lernen.
       
       Sie sollen es nämlich mal besser haben, und das geht von nun an nur noch,
       wenn sie das Land verlassen, und zwar egal wohin, nur Hauptsache, bald, ehe
       sämtliche Nachbarländer den Braten riechen und die Grenzen dicht machen. Da
       haben wir dann unsere Obergrenzen, da hat es sich dann ausverhandelt. Die
       einzigen Verhandlungen, die in Kürze noch zählen, sind die, wer der
       Stärkere ist und wer wen zuerst fressen darf. Wo eben noch der Kapitalismus
       regierte, hat von nun an der Kannibalismus das Sagen. An der Ecke wird zwar
       gerade unter den panischen Schreien – „Hilfe!“, „Neuwahlen!“, „Mein Gott,
       mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ – der führerlosen Bürger der
       Bioladen geplündert, doch die Vorräte der Geschäfte werden ja in absehbarer
       Zeit erschöpft sein.
       
       ## Das Militär schleppt die Biomöhren fort
       
       Und Nachschub wird es nicht geben. Kein Land wird mit diesem quasi nur noch
       rudelartigen, komplett unverbindlichen Gebilde ohne jede Regierung Handel
       treiben, geschweige denn diesem Failed State Kredit gewähren. Die Polizei
       schießt auf die Plünderer, um ihnen die Waren zu entreißen, und das Militär
       erschießt wiederum die Polizei und schleppt selbst die Biomöhren fort. Denn
       sie alle haben Familien zu Hause, jeder ist sich selbst der Nächste, in der
       Ferne, gähn, brennt mal wieder der Reichstag. Es hat sich also kaum
       gelohnt, den wiederaufzubauen: In Zukunft sollte man vorher immer Christian
       Lindner fragen, dann kann man sich die Mühe nämlich sparen.
       
       Doch hie und da nimmt die Endzeitstimmung auch schöne, rührende, geradezu
       versöhnliche Züge an. In den Parks verteilen die Dealer ihren Stoff umsonst
       – daneben kopulieren in Sichtweite Füchse mit Kaninchen und Nebelkrähen mit
       leeren Keksschachteln.
       
       Nach einer Minderheitsregierung sieht das jedenfalls nicht aus. Eher nach
       Fun, zum Teil aber auch nach tiefer, echter Zärtlichkeit.
       
       22 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Vier-Wochen-Jamaika/!5461263
 (DIR) [2] /Die-Wahl-und-die-Weimarer-Republik/!5449718
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uli Hannemann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jamaika-Koalition
 (DIR) Christian Lindner
 (DIR) Reichstag
 (DIR) Weimarer Republik
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
 (DIR) Jamaika-Koalition
 (DIR) Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte Jamaika-Aus: Berlin ist nicht Weimar
       
       Deutschland holt auf in Sachen politischer Unberechenbarkeit. Noch ist aber
       unklar, wie disruptiv Lindners Populismus auf die Politik wirkt.
       
 (DIR) SPD nach dem Scheitern von Jamaika: Ohne Plan B
       
       Das Aus für Jamaika hat die SPD auf dem falschen Fuß erwischt. Sie will
       Neuwahlen – und muss sich in vielen Fragen entscheiden.
       
 (DIR) Kommentar Neustart nach Jamaika: Das Scheitern hat Potenzial
       
       Jedem Ende wohnt ein Zauber inne: Nach dem Abbruch der
       Jamaika-Verhandlungen ist wieder alles offen. Das wird der Demokratie
       guttun.
       
 (DIR) Vier Wochen Jamaika: Ende einer Affäre, vor deren Beginn
       
       Die Sondierunggespräche sind in der Nacht zum Montag geplatzt. Und alle
       zeigen auf Christian Lindner als den Schuldigen.