# taz.de -- Kolumne Kapitalozän: Hetzt Drogenfahnder auf Vermieter
       
       > Jamaika redet auch über die Mietpreisbremse. Das ist nett. Bringt aber
       > wenig, so lange Vermieter auf Regeln scheißen. Und Mieter gegeneinander
       > aufhetzen.
       
 (IMG) Bild: „Miete Essen Seele auf“ – Protest gegen hohe Mieten am Kottbusser Tor
       
       Dies ist das Bekenntnis des gentrifizierten Gentrifizierers Ingo Arzt. Ein
       Schwabe. Ja, ich habe ärmere Menschen aus Kreuzberg verdrängt. Ich hab sie
       einfach überboten. Das System hat mich dazu gezwungen. Jetzt bin ich Opfer
       meinesgleichen.
       
       Wobei Opfersein fein ist. Ich wohne seit einen Jahr im lieblichen Berliner
       Bezirk Alt-Tegel, am See. Alt-Tegel ist das Belgien Berlins – alle wissen,
       es ist da, aber niemand fährt hin. Das Durchschnittsalter in Alt-Tegel
       liegt, wie in Belgien, bei 93 Jahren. Mein neuer Kiez wird vom tollkühnen
       Brausen der startenden Maschinen am Flughafen Tegel vor Mietsteigerungen
       geschützt.
       
       Als ich 2003 nach Friedrichshain zog, zogen noch Freaks und Punks durch die
       Simon-Dach-Straße und ravten gegen Gentrifizierung an. Ich fand das
       stylisch, Lebensgefühlfolklore für Mittelstandslinke, inklusive kokelnder
       Luxuskarossen. In Punkläden wie dem „Loch“ und dem „Fischladen“ soff ich
       und blätterte 200 Euro für ein Zimmer hin. Dass ich damit schon zur ersten
       Gentrifizierungwelle beitrug, das war mir nicht ganz klar.
       
       Später zahlte ich erst 400, dann 500 Euro in meiner Kreuzberger WG. Nach
       den echten Punks streckten dort bereits die Familien im Vorderhaus die
       Waffen im Geldmietkrieg um das Lebensgefühl Berlin. Es zogen gut
       verdienende Pärchen mit ihren frisierten Hunden ein. Das war total schlimm,
       aber ich konnte ja noch mitmietbieten.
       
       Als ich aus der WG auszog, kapitulierte ich selbst. Man kann die Hälfte
       seines Verdienstes fürs Wohnen ausgeben – oder nach Alt-Tegel ziehen.
       Meiner WG wurde ein neuer Hauptmietvertrag mit kräftigem Aufschlag
       angeboten, wegen energetischer Sanierung. Mindestens 600 Euro kostete jetzt
       ein Zimmer. Also kapitulierte auch die WG. Manche hatten Glück mit
       Genossenschaftswohnungen. Ein anderer fand Zuflucht in einem jener
       Refugien, von denen man sich in den Kneipen erzählt wie von standhaften
       Festungen im sterbenden Königreich des alternativen Lebens: Wohnung mit
       Mietverträgen aus den 90er Jahren. Als man noch Kohlen schleppte.
       
       Der Vermieter in meiner letzten WG hatte die Seele eines
       Suchmaschinen-Algorithmus. Kurz nach meinem Einzug wurde ich Hauptmieter
       und war gezwungen, einen neuen Vertrag zu unterschreiben, in dem stand, die
       durchgerockte Wohnung sei frisch renoviert. Sonst hätte man uns auf die
       Straße gesetzt. Wir sparten und steckten, als wir auszogen, rund 6.000 Euro
       plus Arbeitszeit ins Ausziehendürfen. Der Vermieter zog uns trotzdem 150
       Euro von der Kaution ab. Wegen einer klemmenden Türklingel und einer
       lockeren Steckdosenabdeckung.
       
       Jamaika. Schön, dass ihr über die Mietpreisbremse redet – falls Christian
       Lindner bei dem Wort nicht bald spontan zu Staub zerfällt. Aber Vermieter
       sind in einer solchen Machtposition, dass sie auf euch Gesetzgeber
       scheißen. Neue Regeln bringen so viel wie UN-Resolutionen gegen Baschar
       al-Assad, die niemand durchsetzt. MieterInnen werden im Wohnungskrieg
       aufeinandergehetzt wie die Soldaten in den Schützengräben. Ich bin ja einer
       davon.
       
       Legalisiert das Kiffen und setzt die frei werdenden Drogenfahnder auf die
       Mietwucherer an. Und wir, die mietende Klasse, wir sollten aufhören, uns
       gegenseitig zu zerfleischen. Unsere Gegner sind die Profiteure des Systems.
       Was das konkret heißt? Ach, wenn ich das wüsste. #Kafka
       
       16 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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