# taz.de -- Ex-Polizei-Wasserwerfer in Hamburg: Herz und Schmerz
       
       > Nach dem G20-Gipfel streiten Aktivisten und die Polizei vor Gericht um
       > den beschlagnahmten „Wasserwerfer der Herzen“.
       
 (IMG) Bild: „Freiheit für den WaWe!“, fordern die einen. Die anderen sagen: „Er ist zu Recht festgesetzt“
       
       Hamburg taz | Er steht am Ende einer Einbahnstraße im Gewerbegebiet von
       Hamburg-Allermöhen hinter einem Gittertor, etwa sechs Meter lang ist er,
       dunkelgrün und wiegt knapp 20 Tonnen. Er sieht aus wie ein Metallkrokodil
       auf Rädern, die Fenster sind vergittert und auf dem Dach thront immer noch
       eine Wasserkanone.
       
       Der Wasserwerfer vom Typ MAN Kurzhauber, Baujahr 1968, stand einmal in
       Diensten der Polizei, aber das ist lange her, er hat die Seiten gewechselt,
       daran lässt sein Nummernschild keinen Zweifel: „AC-AB 1910“. A.C.A.B., das
       Motto der Polizeifeinde, „All Cops Are Bastards“.
       
       Der Wasserwerfer ist jetzt ein Gefangener, um den vor Gericht gestritten
       wird. Freiheit für den WaWe!, fordern die einen. Die anderen sagen: Er ist
       zu Recht festgesetzt, weil er gefährlich ist.
       
       Es war noch eine Woche bis zum G20-Gipfel Anfang Juli, Hamburg war schon
       ziemlich in Aufregung, als eine Polizeistreife den Wasserwerfer in einer
       ruhigen Kopfsteinpflasterstraße im Stadtteil St. Pauli entdeckte. Zwei
       Hundertschaften rückten an, Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit,
       Kampfmontur inklusive Helm. Im Internet gibt es Videoaufnahmen davon.
       Passanten bleiben verwundert stehen, ein Mann redet auf die Polizisten ein
       – erfolglos. Unter dem Wasserwerfer wird kreischend und funkensprühend
       etwas durchgesägt, dann wird er abgeschleppt wie ein erlegtes Tier.
       
       ## Risiko für Leib und Leben
       
       Die Polizei hatte Angst, dass der ACAB-Wasserwerfer auch bei G20 auffährt.
       Das lässt sich in einem unveröffentlichten Beschluss des Hamburger
       Verwaltungsgerichts nachlesen: „Der Einsatz des schweren und kaum
       aufhaltbaren Fahrzeugs bei einer Demonstration bedeute[t] ein erhebliches,
       nicht hinnehmbares Risiko nicht nur für Sachen, sondern auch für Leib und
       Leben von Personen.“
       
       In der linken Szene ist der Wasserwerfer eine Koryphäe, er fährt seit
       Jahren auf Demos auf, manche nennen ihn den „Wasserwerfer der Herzen“, auch
       wenn sie über seine Geschichte nicht viel wissen.
       
       Zum ersten Mal hat ihn die Polizei nun festgesetzt und die Gelegenheit
       genutzt, ihn gründlich zu untersuchen. Er verfüge über „eine massive
       Panzerung, zwei Wasserwerfer, verstärkte Glasscheiben, über Türen, die über
       keinen Türgriff verfügten, sowie eine Schalteinheit zur Beimischung von
       Reizstoffen“. Und die Wasserkanone mit einer Reichweite von 30 bis 40
       Metern sei „offenbar funktionsfähig“.
       
       Der Wasserwerfer war zuvor in einem Mobilisierungsvideo für die
       „Welcome-to-Hell“-Demo aufgetaucht – in der Hauptrolle. Stotternd springt
       der Motor an, dann rollt das Ungetüm rund um die Hamburger Messe, dem
       G20-Tagungsort. Hinter dem Steuer rappen Vermummte zu einem pumpenden
       HipHop-Beat Zeilen wie „Hamburg, meine Perle, Pflasterstein und Scherben“.
       Später zünden Vermummte Pyrotechnik, Rauchschwaden hüllen den Wasserwerfer
       ein, kurz sieht man die Wasserkanone schießen.
       
       Für die Polizei ist nun klar: Das Gefährt nimmt „eine zentrale Rolle“ ein,
       da es „wie ein militärisches Fahrzeug in eine Schlacht“ ziehe. Ein
       gepanzerter Wasserwerfer schiebt sich tonnenschwer am Schulterblatt neben
       Randalierern durch die engen Straßen und auf die Polizei zu. Nicht
       aufzuhalten durch Tränengas oder Schlagstöcke. Ein Horrorszenario. Aber
       auch realistisch?
       
       ## Die Polizei ein bisschen ärgern
       
       Fest steht: Der Oldtimer-Wasserwerfer hätte gleich mehreren [1][Wawe 10.000
       gegenübergestanden, dem neuesten Modell im Einsatz der Polizei], fast vier
       Meter hoch, 30 Tonnen schwer, 10.000 Liter Wassertank, drei Wasserkanonen,
       ein rollender Hightech-Gefechtsstand. Der Endgegner für den „Wasserwerfer
       der Herzen“.
       
       Er gehört einem Verein, der sich „Verein antiquierter Betriebsgeräte e. V.“
       nennt, eingetragen seit April 2010 im Aachener Vereinsregister, im gleichen
       Monat wurde dort auch der Wasserwerfer angemeldet. So konnte er auch das
       Kennzeichen „AC-AB 1910“ erhalten. 1910 ist das Gründungsjahr des Hamburger
       Fußballklubs St. Pauli.
       
       Wer herausfinden will, wer hinter dem Verein steckt, muss viel
       herumtelefonieren und bei einschlägigen linken Läden nachfragen. Die
       Stimmung nach G20 ist angespannt, mit Journalisten reden wollen viele
       lieber nicht. Irgendwann ruft eine Frau zurück, sie stellt sich als
       Sprecherin des Vereins vor und will anonym bleiben. „Wir sind ein Kreis von
       Freunden, die gerne an großen alten Autos herumschrauben“, sagt sie. Sie
       erzählt unaufgeregt und lacht zwischendurch immer wieder, sie beschreibt
       das alles als ein großes Missverständnis. „Wir werden behandelt, als wären
       wir die krassesten Bombenbastler.“
       
       Was sie in jedem Fall sind: Menschen, die die Polizei gerne ein bisschen
       ärgern wollen. Sie wollen Wasserwerfer fahren, die Behörden wollen das
       verhindern. So geht das seit Jahren.
       
       Seine Dienstzeit hatte der Wasserwerfer ohne besondere Vorkommnisse
       absolviert, zumindest sind keine bekannt. Von 1970 und 1992 war er für die
       Münchner Polizei im Einsatz und wurde dann altersbedingt ausrangiert. Die
       Aktivisten entdeckten ihn bei einem Münchner Schrotthändler, kauften ihn
       für rund 5.000 Euro und machten ihn wieder flott, so erzählt es die
       Vereinssprecherin. Die Zulassungsbehörde in Aachen hat zunächst keine
       Einwände und lässt am 17. April 2010 den Wasserwerfer als „Selbstfahrende
       Arbeitsmaschine/Straßensprenger“ für den Straßenverkehr zu. Er bekommt ein
       grünes Kennzeichen, ist nun ein anerkanntes Sonderfahrzeug.
       
       ## Privatnutzung: verboten
       
       Regelmäßig taucht das sonderbare Fahrzeug seitdem in Hamburg auf. Die
       Polizei meldet sich in Aachen: Das Kennzeichen zeuge von einer
       polizeifeindlichen Einstellung, der Wasserwerfer sei eine Bedrohung. Das
       ist der erste Anlauf, ihn aus dem Verkehr zu ziehen.
       
       Er beschäftigt in den folgenden Jahren die Polizei, Kfz-Gutachter, die
       Straßenverkehrsbehörden sowie das Verkehrsministerium in NRW. Im Februar
       2012 verhindert die Polizei in letzter Minute seine Teilnahme an einer Demo
       in Aachen. Ihn aber endgültig von der Straße zu holen, stellt sich als
       schwierig dar. Mal wird eine Behörde tätig, die gar nicht zuständig ist,
       mal wird auf die falschen Rechtsnormen zurückgegriffen.
       
       Wer einen Wasserwerfer auf deutschen Straßen fahren will, braucht dafür
       eine Zulassung. Die Zulassung bekommt man nur, wenn das Gefährt eine
       sogenannte Betriebserlaubnis hat. Die Betriebserlaubnis sagt aus, dass das
       Fahrzeug nach seiner Bauart einem bestimmten Typ entspricht und
       grundsätzlich für die Straße geeignet ist. Geregelt ist das in der
       Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, kurz StVZO.
       
       Für Spezialfahrzeuge des Militärs oder der Polizei gelten besondere Regeln.
       So erlischt deren Betriebserlaubnis automatisch, sobald der Panzer oder
       eben der Wasserwerfer nicht mehr im Dienst der Bundeswehr oder der Polizei
       fährt. Privatnutzung: verboten. Ausnahmen sind möglich, etwa wenn ein
       Sonderfahrzeug als Arbeitsmaschine anerkannt wird. 2011 gelang es einer
       Gruppe Stuttgart-21-Gegner, einen alten Mercedes-Wasserwerfer aus den
       1970er Jahren erfolgreich zuzulassen und [2][den damaligen
       baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) auf seiner
       Wahlkampftour zu verfolgen.]
       
       Auch der ACAB-Wasserwerfer verfügte zwischenzeitlich über Betriebserlaubnis
       und Zulassung und war also völlig legal auf deutschen Straßen unterwegs. Ob
       das nach dem jahrelangen Tauziehen mit den Behörden immer noch der Fall
       ist, darüber streiten der Verein und die Hamburger Polizei.
       
       Ordnung muss sein 
       
       Eine Woche vor dem G20-Gipfel parkt der Wasserwerfer also in der
       Seitenstraße in St. Pauli, vor dem Wohnhaus des Innensenators Andy Grote.
       Eine Warnung? „Nein“, sagt die Vereinssprecherin, „wir haben ihn einfach
       ein wenig spazieren gefahren.“ Der Wasserwerfer habe einen
       Besucherparkausweis gehabt. Ordnung muss sein. Die Wasserkanone
       funktioniere außerdem nur, darauf legt die Sprecherin wert, wenn man einen
       Gartenschlauch und eine Pumpe anschließe.
       
       Nachdem die Polizei ihn abgeschleppt hat, versucht der Verein ihn so
       schnell wie möglich wieder zu befreien, per Eilantrag beim
       Verwaltungsgericht Hamburg. Das Gericht entscheidet, dass der ausrangierte
       Wasserwerfer bis zum Ende des G20-Wochenendes nicht zurückgegeben werden
       darf.
       
       Die Polizei will ihn nur wieder freigegeben, wenn er mit einem Tieflader
       abgeholt wird, weil er aufgrund „erheblicher baulicher Mängel“ nicht mehr
       alleine fahren dürfe. „Die Polizei will verhindern, dass der Wasserwerfer
       nochmal auch nur mit einem Reifen die Straße berührt“, beklagt der Anwalt
       des Vereins, Gerrit Onken. Dabei habe ihn die Polizei ja selbst gar nicht
       mit einem Tieflader abgeholt.
       
       Für Mitte November ist ein neuer Gerichtstermin angesetzt. Dann entscheidet
       sich, ob der „Wasserwerfer der Herzen“ wieder auf die Straße darf oder
       weiter auf dem Abschlepphof stehen bleibt, gefangen im Gewerbegebiet von
       Allermöhen.
       
       7 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!5423464/
 (DIR) [2] /!5124537
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Sehl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt G20 in Hamburg 
 (DIR) G20-Gipfel
 (DIR) Polizei
 (DIR) Aktivismus
 (DIR) Schwerpunkt G20 in Hamburg 
 (DIR) G20-Gipfel
 (DIR) Schwerpunkt G20 in Hamburg 
 (DIR)  Jung und dumm
 (DIR) G20-Gipfel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Prozess gegen G20-Gegner in Hamburg: Fabio V. kommt frei
       
       Das Oberlandesgericht hat entschieden, den 18-jährigen Fabio V. von U-Haft
       zu verschonen. Amnesty International hatte die Freilassung gefordert.
       
 (DIR) Turbulenter Hamburger taz-Salon zu G20: „Wir brauchen linke Orte“
       
       Zum taz Salon kommt Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) ins
       G20-gebeutelte Schanzenviertel – und räumt das teilweise Scheitern seiner
       Sicherheitsstrategie ein.
       
 (DIR) Kommentar G20-Polizeistrategie: Leider keine Beweise
       
       Für einen Hinterhalt im Schanzenviertel beim G20-Gipfel gibt es keine
       Beweise. Die Polizei sah bei der Randale lange zu. Eine bewusste
       Eskalation?
       
 (DIR) Kolumne Jung und dumm: Bullen ficken
       
       Die G20-Polizeihelden von Hamburg verdienen nicht nur Respekt, sondern
       Liebe. Die Ehe für alle bietet dafür neue Möglichkeiten.
       
 (DIR) Wasserwerfer im Porträt: Monster mit 65-Meter-Strahl
       
       Der Wawe 10.000 ist der modernste Wasserwerfer der deutschen Polizei. Beim
       G20-Gipfel sind Dutzende aus ganz Deutschland im Einsatz.