# taz.de -- Kommentar Sachsen-CDU: Charismatiker dringend gesucht
       
       > Sachsens Ministerpräsident Tillich galt als großer Durchwurstler. Bald
       > muss sein Nachfolger Kretschmer das Volk wieder bezaubern.
       
 (IMG) Bild: Stanislaw Tillich und Michael Kretschmer im Jahr 2013
       
       Wie heimtückisch sind die Sachsen? Alle drei seit 1990 amtierenden
       Ministerpräsidenten resignierten vorzeitig mitten in der Legislaturperiode.
       Kurt Biedenkopf trat plötzlich von einem Fettnäpfchen ins nächste, Georg
       Milbradt wurde 2007 das Sachsenbank-Desaster im Zuge der Finanzkrise zum
       Verhängnis. Nun entdeckt Stanislaw Tillich plötzlich, [1][dass er mit 58 zu
       alt sei], obschon jeder weiß, dass ihn die AfD gestürzt hat.
       
       Nun gibt es plötzlich auch eine Erklärung dafür, dass sich Sachsens
       CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer nach der Bundestagswahl nicht zu
       strategischen Reaktionen auf die Wahlniederlage äußern wollte. Was zunächst
       nach Betroffenheit infolge des Verlustes seines Bundestags-Direktmandates
       in Görlitz gegen einen AfD-Konkurrenten klang, signalisiert jetzt, dass
       Tillich seinen Rücktrittsentschluss nicht erst am Mittwochmittag gefasst
       hat.
       
       Die Parteispitze präsentierte sogleich den designierten Nachfolger
       Kretschmer. Bundesinnenminister Thomas de Maizière- mit Wohnsitz in
       Sachsen- und CDU-Fraktionschef Frank Kupfer standen bei Tillichs
       Abgangserklärung mit bedepperten Gesichtern daneben und man fragt sich
       schon, ob sie wirklich nicht zum inneren Parteizirkel gehörten und nichts
       wussten.
       
       Die meisten hat der Rücktritt des Ministerpräsidenten aber wirklich
       überrascht. Denn Tillich ist spätestens seit seiner Leitungstätigkeit beim
       Rat des Kreises Kamenz der geborene DDR-Opportunist. In kritischen Zeiten
       verhielt er sich wie ein Chamäleon. Einmal gehörte der Islam für ihn nicht
       zu Sachsen, dann empörte er sich 2015 gegen den Pöbel von Heidenau und gab
       einen Großempfang für Flüchtlingshelfer. Und nun versteht er nach der
       Bundestagswahl plötzlich die Ängste derer, die um Deutschland fürchten.
       Tillich wurstelt sich auch diesmal wieder durch, so konnte man nach der
       CDU-Wahlkatastrophe annehmen. Ein Erschöpfungszustand war ihm allerdings
       anzumerken.
       
       Abgesehen vom inhaltlichen Vakuum müsste die Sachsen-Union nun einen
       Strahlemann oder eine Powerfrau hervorzaubern, die dem gesichtslosen
       Politaufsteiger AfD zumindest im Erscheinungsbild etwas entgegen setzen
       könnten. Die aber sind nicht in Sicht. Auch der frisch gekürte Kronprinz
       Michael Kretschmer hat dieses Charisma nicht. In Berlin galt der
       stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion zwar als
       redegewandt und als politisches Talent. Sächsische Journalisten kennen ihn
       als cleveren Taktiker, aber fairen Partner. Mit dem Gesicht zum Volke
       jedoch hat man ihn kaum erlebt. Den netten Typ Schwiegersohn, den Tillich
       in den Augen mancher Sachsen verkörperte, gibt Kretschmer keinesfalls ab.
       
       An Indifferenz steht er dem scheidenden Ministerpräsidenten allerdings kaum
       nach. Der gewiefte Taktiker tolerierte innerparteilich manchen
       Rechtsausrutscher, ist aber selbst mit markanten Positionierungen schwer zu
       greifen. In zwei Jahren muss er aber eine Landtagswahl für die CDU
       gewinnen, sonst war auch er der falsche Mann.
       
       19 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Saechsischer-CDU-Ministerpraesident/!5456123/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Stanislaw Tillich
 (DIR) Sachsen
 (DIR) Schwerpunkt taz Leipzig
 (DIR) Michael Kretschmer
 (DIR) Stanislaw Tillich
 (DIR) Sachsen
 (DIR) Sachsen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne So Sach(s)en: Glassisch säk’sch
       
       Sachsen will sein politisches Schmuddelimage loswerden. Was dafür 2018
       getan werden könnte? Unser Kolumnist hat ein paar Vorschläge.
       
 (DIR) Sachsens Ministerpräsident und Rechte: Retter der „freien Rede“
       
       Michael Kretschmer spricht in Dresden vor Studierenden. Dort verdeutlicht
       er den ambivalenten Kurs der CDU gegenüber der extremen Rechten.
       
 (DIR) Abstieg der sächsischen CDU: Ratlos in Dresden
       
       Einst konnte die sächsische CDU viele Menschen binden. Heute versucht sie
       es mit Anbiederung nach rechts – allerdings mit wenig Erfolg.
       
 (DIR) Sachsens CDU-geführte Regierung: Verlierer empfiehlt Verlierer
       
       Michael Kretschmer musste seinen Wahlkreis an die AfD abtreten. Nun schlägt
       ihn Noch-Ministerpräsident Tillich als Nachfolger vor. Wer ist der Mann?
       
 (DIR) Sächsischer CDU-Ministerpräsident: Tillich nicht mehr willig
       
       Überraschend hat Regierungschef Stanislaw Tillich seinen Rücktritt erklärt.
       Der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer soll ihm nachfolgen.