# taz.de -- Demos nach dem Katalonien-Referendum: Weiß, die Farbe der Hoffnung
       
       > Tausende demonstrieren in ganz Spanien für einen Dialog zwischen der
       > Zentralregierung und den Katalanen. Sie sind weiß gekleidet, ihr Slogan:
       > Sprechen wir?
       
 (IMG) Bild: Hablamos? In Spanien ist jetzt Reden angesagt
       
       Madrid taz | Weder die katalanische Unabhängigkeitsfahne Estelada noch die
       spanische rot-gelbe, bestimmten am Samstag die Rathausplätze in ganz
       Spanien. Es ist die Farbe weiß. Vom kleinsten Dorf bis zu den größten
       Städten sammelten sich Menschen in weißer Kleidung und mit weißen Fahnen
       unter dem Motto #hablamos? #parlem? – Sprechen wir? – zu Kundgebungen für
       einen Dialog zwischen der Madrider Zentralregierung unter dem Konservativen
       Mariano Rajoy und der Autonomieregierung „Generalitat“ von Carles
       Puigdemont in Barcelona, um den Katalonienkonflikt zu lösen.
       
       Die größten Kundgebungen fanden in Barcelona und Madrid statt. In der
       katalanischen Hauptstadt war der Platz San Jaume, auf dessen einen Seite
       das Rathaus und auf der anderen der Sitz der Generalitat liegt, brechend
       voll. In Madrid versammelten sich weit über zehntausend Menschen auf dem
       riesigen Kreisverkehr Plaza de Cibeles vor der Stadtverwaltung.
       
       „Die Politiker müssen endlich ihre Arbeit machen“, sagt die 46-jährige
       Bürokauffrau Mireia Arques. „Ein politisches Problem lässt sich nur mit
       Politik lösen und nicht mit Polizeigewalt und Justiz“, fügt ihr Mann, der
       51-jährige Werbegrafiker Juan Manzanas (51) hinzu. Beide sind Katalanen und
       leben seit 17 Jahren in der spanischen Hauptstadt. Sie sind sichtlich
       überrascht, dass viele Menschen die Forderung nach einer Dialoglösung
       mittragen. „Es ist schwierig über den Katalonienkonflikt zu reden. Nur
       wenige in unserem Umfeld wollen oder können verstehen, was in Katalonien
       passiert“, berichten Arques und Manzanas. Beide wollen einen Dialog, damit
       weder einseitig die Unabhängigkeit ausgerufen wird, noch der Artikel 155
       der spanischen Verfassung zur Anwendung kommt.
       
       Dieser sieht vor, dass Madrid die Autonomieverwaltung in Katalonien
       aussetzt und selbst die Regierungsgeschäfte in der nord-ost-spanischen
       Region übernimmt. Das wäre für die beiden eine Katastrophe. „Die Gesetze
       müssen für die Menschen da sein und nicht umgekehrt“, mahnt Manzanas. „Die
       einzige Lösung ist ein erneutes Referendum in beiderseitigem
       Einverständnis“, sind sie sich sicher.
       
       Bei der Abstimmung vom vergangenen Sonntag, die in Katalonien trotz Verbot
       durch das Verfassungsgericht und trotz brutaler Polizeieinsätze stattfand,
       stimmten knapp 90 Prozent für die Unabhängigkeit. Die Beteiligung lag bei
       43 Prozent. In den Regionen, in denen die Polizei nicht eingriff, um
       Wahllokale zu schließen, lag sie deutlich über 50 Prozent.
       
       ## Die Gesellschaft muss „eingreifen“
       
       „Wir hätten nicht gedacht, dass unser Aufruf einen so großen Erfolg haben
       wird“, sagt Pablo Fernández am Telefon. Der 35-jährige Soziologe an der
       Madrider Universität Carlos III rief die Initiative #hablamos? am
       vergangenen Montag ins Leben. „Es ist an der Zeit zu sagen: Spanien ist
       besser als seine Regierenden“, beginnt das Manifest mit dem Fernández,
       dessen Bruder Guillermo und eine Handvoll Freunde auf Facebook und Twitter
       gingen, um für die Kundgebungen auf den Rathausplätzen zu werben. „Sie
       haben Hass gesät, sie entzweien uns und konfrontieren uns. Wenn wir als
       Gesellschaft nicht eingreifen, wird Spanien zu einem Land, in dem es sich
       nur schwer leben lassen wird“, heißt es weiter.
       
       Das befürchtet auch Isabel Vázquez. „Die Verantwortlichen für den Konflikt
       müssen sich endlich an einen Tisch setzen, oder abtreten“, sagt die
       38-jährige Lehrerin. Sie ist mit einer Gruppe von Freunden zum Rathaus von
       Madrid gekommen. „Die Menschen in Katalonien wollen wählen. Es führt kein
       Weg an einem Referendum vorbei“, ist sie sich sicher. Noch hat sie
       Hoffnung, dass bis Dienstag, wenn der katalanische Regierungschef Carles
       Puigdemont vor das Autonomieparlament treten wird, und wo möglich die
       Unabhängigkeit ausrufen könnte, Gespräche stattfinden werden. „Wenn nicht,
       was dann? Will Madrid etwa Panzer schicken? Das geht doch nicht. Wie stehen
       wir dann international da?“ sagt sie.
       
       Am Rande der riesigen Kundgebung in weiß ziehen Menschen mit spanischen
       Fahnen vorbei. Sie gehen zur nahegelegenen Kolumbusplatz, wo die Stiftung
       zur Verteidigung der spanischen Nation Anhänger der Partido Popular Rajoys
       und der restlichen spanischen Rechten zu Tausenden zusammengebracht hat.
       
       „Dialog? Jetzt wo sie verlieren? Niemals!“, sagt Angel García. Der
       44-jährige Wachmann eines privaten Sicherheitsdienstes trägt das Trikot der
       spanischen Nationalmannschaft und hat sich eine Spanienfahne umgehängt.
       „Sie haben uns als Spanier angegriffen“, schimpft er und verlangt die
       „Anwendung des Gesetzes“. Die katalanische Regierung habe sich der
       Rebellion schuldig gemacht „und muss dafür ins Gefängnis“, beendet er das
       Gespräch und zieht eiligst weiter.
       
       7 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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