# taz.de -- Referendum in Katalonien: 90 Prozent für die Unabhängigkeit
       
       > Eine große Mehrheit hat für die Loslösung von Spanien gestimmt, doch die
       > Wahlbeteiligung lag unter 50 Prozent. Für Dienstag ist ein Generalstreik
       > geplant.
       
 (IMG) Bild: Laut Kataloniens Regierungschef Puigdemont hat die Region das Recht auf Unabhängigkeit erlangt
       
       Barcelona/Berlin afp/dpa | In Katalonien stehen nach dem
       Unabhängigkeitsreferendum alle Zeichen auf Konfrontation: 90 Prozent der
       Stimmen seien für die Ausrufung einer Republik Katalonien abgegeben worden,
       teilte die Regionalregierung in der Nacht zu Montag in Barcelona mit.
       Regierungschef Carles Puigdemont sagte, Katalonien habe mit dem Votum das
       Recht auf Unabhängigkeit von Spanien gewonnen. Spaniens Ministerpräsident
       Mariano Rajoy erklärte die Abstimmung hingegen für nichtig und
       rechtfertigte das harsche Vorgehen der Polizei.
       
       Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Regionalregierung nur bei rund 42
       Prozent. In diesem Wert dürfte zum Ausdruck kommen, wie tief Katalonien in
       der Frage der Unabhängigkeit gespalten ist. Die Gegner einer Loslösung von
       Spanien hatten zum Boykott des Referendums aufgerufen, das von der
       Zentralregierung als verfassungsfeindlich betrachtet wird.
       
       Bereits kurz vor Bekanntgabe der Ergebnisse hatte der katalanische
       Regierungschef Puigdemont die Möglichkeit einer Loslösung von Spanien in
       Aussicht gestellt: „Mit diesem Tag der Hoffnung und auch des Leidens haben
       die Bürger von Katalonien, haben wir uns das Recht verdient, einen
       unabhängigen Staat zu haben“, sagte Puigdemont am Sonntagabend in einer
       Fernsehansprache.
       
       Das von Puigdemonts Regierung verabschiedete Gesetz sieht vor, dass eine
       Unabhängigkeitserklärung im Falle einer Mehrheit bei dem Referendum binnen
       48 Stunden erfolgt. Puigdemont ließ zunächst aber offen, ob sich Katalonien
       bis Dienstag offiziell für unabhängig erklären wird.
       
       ## Rajoy: Referendum war eine „Inszenierung“
       
       Die spanische Zentralregierung blieb derweil bei ihrer ablehnenden Haltung.
       „Heute hat es kein Referendum für eine Selbstbestimmung in Katalonien
       gegeben“, sagte Rajoy am Abend in einer Fernsehansprache. Das Referendum
       sei lediglich eine „Inszenierung“ gewesen. Die Verantwortung für die Gewalt
       liege „einzig und ausschließlich bei denen, die für den Bruch mit der
       Legalität und der Koexistenz geworben haben“.
       
       Die spanische Polizei war mit einem Großaufgebot gegen das Referendum
       vorgegangen. Polizisten schlossen Wahllokale, beschlagnahmten
       Abstimmungsunterlagen und hinderten Menschen mitunter mit Schlagstöcken und
       Gummigeschossen an der Stimmabgabe.
       
       Nach katalanischen Angaben mussten sich am Sonntag mehr als 840 Menschen
       wegen der Polizeieinsätze medizinisch betreuen lassen. 92 von ihnen seien
       als verletzt eingestuft worden. Laut spanischem Innenministerium mussten
       auch 33 Polizisten medizinisch behandelt werden.
       
       Nach dem Referendum in Katalonien riefen Dutzende Gewerkschaften und andere
       Organisationen für Dienstag zu einem Generalstreik auf. Wegen der „schweren
       Verletzung von Rechten und Freiheiten“ der Katalanen während des
       Volksentscheids solle die ganze Region an diesem Tag die Arbeit ruhen
       lassen, erklärten die Organisationen am Sonntagabend. Zu den Initiatoren
       des Generalstreiks zählen die beiden einflussreichen spanischen
       Gewerkschaften UGT und CCOO sowie die Bürgerrechtsorganisation Katalanische
       Nationale Versammlung.
       
       Der Kurs des Euro ist am Montag gesunken. Zum Wochenauftakt habe das
       Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien die Gemeinschaftswährung belastet,
       hieß es von Marktbeobachtern.
       
       ## Reaktionen aus anderen EU-Mitgliedstaaten
       
       Politiker in der EU äußerten sich besorgt über die Gewalt. SPD-Chef Martin
       Schulz schrieb auf Twitter, Madrid und Barcelona müssten „sofort
       deeskalieren und den Dialog suchen“. Der Chef der Sozialisten im
       Europaparlament, Gianni Pittella, erklärte, dies sei „ein trauriger Tag für
       Spanien und für ganz Europa“.
       
       SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude
       Juncker aufgefordert, den spanischen Konflikt um das Unabhängigkeitsstreben
       Kataloniens zur Chefsache zu machen. „Herr Juncker muss nach Barcelona und
       Madrid fliegen, um die Leute an einen Tisch zu bringen“, sagte Schäfer der
       Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Es sei nun „erstrangige Aufgabe“ der
       EU-Kommission, eine weitere Eskalation in Spanien zu verhindern.
       
       Schäfer sagte weiter, Europa stehe für einen friedlichen Zusammenhalt der
       Mitgliedstaaten und ihrer Regionen. „Es gibt kein Recht auf Separatismus.“
       Der Dogmatismus auf beiden Seiten – in Barcelona und in Madrid – müsse
       angesichts der Gewalteskalation schnell überwunden werden. „Es geht nicht
       um Rechthaberei, sondern darum, den Rechtsfrieden zu wahren.“
       
       Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen,
       sagte, die Abstimmung in Katalonien verstoße gegen die spanische
       Verfassung. Die katalanischen Nationalisten hätten sich bewusst
       entschieden, einen politischen Streit außerhalb der demokratischen
       Institutionen auf der Straße auszutragen. „Mit ihrem einseitigen Vorgehen
       verschärfen sie die Krise in Europa“, sagte Annen.
       
       ## „Gewalt ist keine Antwort“
       
       Grünen-Chef Cem Özdemir hat die Polizeigewalt beim umstrittenen
       Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien kritisiert und die Regierung in
       Madrid zum Dialog aufgefordert. „Der massive Polizeieinsatz gegen die
       Menschen, die wählen wollen, ist ein Fehler. Dieses Vorgehen wird das
       politische Problem nur verschärfen“, sagte Özdemir der Deutschen
       Presse-Agentur.
       
       Der Präsident der Europäischen Linken, Gregor Gysi, kritisierte das
       Vorgehen des spanischen Staats: „Die spanische Regierung befördert mit
       Gewalt das, was sie verhindern will“, erklärte er. Der belgische
       Premierminister Charles Michel twitterte: „Gewalt ist keine Antwort.“ Der
       Chef der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbin, warf der spanischen
       Polizei „schockierende Gewalt gegen die Bürger“ vor.
       
       2 Oct 2017
       
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