# taz.de -- Reizlinderung im Gehege
       
       > POST-SCHNUTEISMUS Der ehemalige Bärenzwinger im Köllnischen Park in Mitte
       > wird zum temporären Ausstellungsort – die erste Schau, „Ursus Olfaciens“,
       > kommt mit Saunaaufguss und Soundinstallationen daher
       
 (IMG) Bild: Bärenstarke Installation im begehbaren ehemaligen Zwinger im Köllnischen Park
       
       von Julia Gwendolyn Schneider
       
       Fast zwei Jahre stand der ehemalige Bärenzwinger im Köllnischen Park in
       Mitte leer, nachdem die letzte Bärin am 11. Oktober 2015 wegen eines
       Arthroseleidens eingeschläfert wurde. Das 1939 eröffnete Gehege war über
       Jahrzehnte ein Zuschauermagnet gewesen. Als lebende Wappentiere von Berlin
       wohnten hier mehrere Braunbärengenerationen, doch eine artgerechte Haltung
       konnte der Zwinger nicht bieten. Nach dem Tod von „Schnute“ wurde daher das
       Ende der Tierschau beschlossen.
       
       Seit September haucht die Kunst dem kleinen Backsteingebäude mit den zwei
       wild bewachsenen Außenbereichen wieder Leben ein. Im Rahmen einer
       zweijährigen Zwischennutzung hat der Fachbereich Kunst und Kultur des
       Bezirksamtes Mitte hier einen Ausstellungsort eröffnet. Initiatorinnen
       sind die Kuratorinnen Julia Heunemann und Nadia Pilchowski und der
       Projektleiter des Bärenzwingers, Sebastian Häger. Sie entwickelten das
       Ausstellungskonzept und beantragten die Finanzierung bei der
       Senatsverwaltung für Kultur.
       
       Es war der Bärengeruch, der den beiden Kuratorinnen beim ersten Betreten
       des verwinkelten Gebäudes unweigerlich entgegenströmte und sie an die
       ursprüngliche Nutzung erinnerte. „Ursus Olfaciens“ nennen sie nun die erste
       Ausstellung und verweisen auf den Geruch des wilden Tiers, der allerdings
       kaum noch wahrnehmbar ist. Für mich dominierte zumindest der Duft, den
       Sarah Ancelle Schönfelds Saunaaufguss im Gebäude verströmte; ein Hund
       hingegen mit seinem ausgeprägten Geruchssinn spürte auch jetzt noch sehr
       intensiv, wer die ehemaligen Bewohner waren – und reagierte nervös.
       
       Schönfeld zapfte das Wassersystem des Bärenzwingers an und fügte eine
       Waschmaschine zum Teekochen in den Kreislauf ein. In Wäschebeuteln kochte
       sie selbst gesammelte Kräuter aus den verwilderten Freigehegen und dem
       umliegenden Park und produzierte damit auch einen Aufguss für den
       Saunaofen, den sie im Hauptraum installiert hatte. Am Eröffnungsabend gab
       es ein aromatisches Getränk aus Lindenblüten und Feigenblättern, dessen
       Wirkung die Künstlerin als „reizlindernd, lösend und Geister austreibend“
       beschreibt. Die Metapher der Waschmaschine setzt die Sauna-Atmosphäre fort,
       deren Hitze den erstarrten Ort transformieren und entgiften soll.
       
       Während der Saunaaufguss in das ehemalige Badebecken auf der rechten Seite
       des Außengeheges abfloss, starteten im Becken auf der anderen Seite
       „Eisklares Echo“ mit in einer mehrstündigen Soundperformance weitere
       Transformationsversuche.
       
       Das Duo, bestehend aus Reto Pulfer und Mia von Matt, erzeugte mit
       Synthesizer, E-Gitarre, Kalimba, elektronischen Effekten und kaum
       verständlichen Worten einen intensiven Klangteppich, der zwischen
       ausufernden Loops, minimalistischer Zartheit und chaotischen Störmomenten
       schwankte.
       
       Pulfer ließ immer wieder einen Gong ertönen, läutet Abschied und Neuanfang
       ein, bis er mit dem Gongschläger in der Hand und einer Tuchmaske auf dem
       Kopf wie ein herumstreunender Bär aus dem Becken kletterte und im Inneren
       des Zwingers verschwand. Dort rüttelte er an den Eisengittern und öffnete
       die ehemalige Gefängnisstruktur. Er verschwand in einem der Käfige und kam
       in seinem weißen Gewand mit verdecktem Kopf wie ein Geist hinter dem Gitter
       eines anderen Käfigs wieder hervor.
       
       Die drei Käfige sind begehbar, aber größtenteils leer. Das gehört zum sehr
       gelungenen Konzept der Kuratorinnen, die dem Ort behutsam mit Respekt und
       im Bewusstsein seiner früheren Existenz begegnen wollen. Im ersten
       Ausstellungszyklus stellen sie die Spuren der vergangenen Nutzung in den
       Vordergrund. Pulfer hat in einem Käfig im Dunkeln einen transparenten
       Gegenstand platziert. Mit der Taschenlampe kann das minimale Objekt und der
       ehemalige Käfig durchleuchtet werden. Der große, transparente Kubus
       entspricht etwa der Größe einer ausgewachsenen Braunbärin. Er zieht den
       Blick nicht nur auf sich, im Schein der Taschenlampe lässt er ihn auch
       umherschweifen. Mückenschwärme, Spinnweben, Strohbüschel – alles Zeichen
       stehen gebliebener Zeit.
       
       Im Wärterhaus hängt noch ein Kalender von 2015. Zurückgelassene
       Bärenaufkleber, -tassen, -poster, -gardinen scheinen die Zuneigung der
       Tierpfleger auszudrücken, wirken aber auch infantil. Dass die Bären in
       einer unnatürlichen Umgebung gefangen waren und wie Objekte in einem Museum
       zur Schau standen, wird besonders deutlich, wenn sich das Publikum um den
       Zwinger herum versammelt und wie in alten Zeiten am Zaun vor dem Gestrüpp
       und den tiefen Gräben versucht, das Geschehen in den beiden Freigehegen zu
       verfolgen.
       
       Bärenzwinger, im Köllnischen Park, bis 29. Oktober
       
       26 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Gwendolyn Schneider
       
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