# taz.de -- Umzug durch Berlin am Samstag: Ein Karneval der Flüchtlinge
       
       > 10.000 Flüchtlinge wollen am Samstag mit dem Slogan „Wir haben keine
       > Wahl, aber eine Stimme“ auch für den Familiennachzug demonstrieren.
       
 (IMG) Bild: Protest und Party: Teilnehmer beim Karneval der Geflüchteten im März 2016
       
       Lange wurde das Thema im Wahlkampf umschifft, gegen Ende spielt es eine
       immer wichtigere Rolle: die Flüchtlingspolitik. Mit einer großen Parade
       wollen Dutzende antirassistischer Gruppen am Samstag in Berlin daran
       erinnern, wie sehr das Asylrecht in der letzten Legislaturperiode bereits
       eingeschränkt wurde – und wie viel gesellschaftliche Solidarität es
       gleichzeitig für Flüchtlinge gibt.
       
       „Wir wollen die Angst verschwinden lassen“, sagt Samee Ullah aus Pakistan.
       Er ist der Anmelder der „We’ll Come United“-Parade, zu der die Veranstalter
       10.000 Menschen erwarten. Es sei vor allem die Angst vor Abschiebung, die
       viele Flüchtlinge in Deutschland in diesen Monaten beschäftige. Viele hätte
       sich hier ein Leben aufgebaut, dürften „aber nicht Teil dieser Gesellschaft
       sein.“ Selbst anerkannte Flüchtlinge dürften oft nicht wählen, teils
       jahrzehntelang, klagt Ullah. „Aber die Gesetze betreffen uns alle. Deswegen
       nehmen wir uns die Straße.“
       
       Eine der wichtigsten Forderungen der Parade sei, dass Menschen, die seit
       Jahren hier leben, endlich ihre Familie nachholen dürfen, sagt Ullah. Genau
       das hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) kürzlich ebenso
       abgelehnt wie der mögliche Koalitionspartner FDP. „Wir haben keine Wahl,
       aber eine Stimme“, sagt Ullah, das sei das Motto für die Parade.
       
       Mit genau demselben Slogan – „We have no vote, but a voice“ – waren
       Flüchtlinge schon vor der Bundestagswahl 1998 durch 60 Städte gezogen, um
       auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Diese erste größere Aktion der
       Flüchtlingsbewegung blieb damals freilich völlig unbeachtet von der
       Öffentlichkeit. Das soll diesmal anders werden. 19 große Motiv-Lkws aus
       ganz Deutschland sind angekündigt, allein 3.000 Tickets für Bus- und
       Zugfahrten nach Berlin seien verkauft. Es wird ein Karneval der
       Flüchtlinge.
       
       Die Veranstalter der Parade wiesen darauf hin, dass es keine Verbindungen
       zum „Refugee Club Impulse“ gibt. Diese Gruppe hatte sich im April 2016 an
       der Organisation eines Flüchtlingskarnevals beteiligt und war wegen
       antisemitischer Positionen kritisiert worden. Diese Gruppe sei in diesem
       Jahr „überhaupt nicht beteiligt“, hieß es von den Veranstaltern. „Wir
       stehen auch gegen Antisemitismus“, sagt Ullah.
       
       Nach dem Sommer der Migration wurden fast ein Dutzend Gesetze und
       Bestimmungen des Asyl- und Migrationsrechts geändert. „Es geht nur noch um
       Abschottung und Abschreckung, wir wollen jetzt ein starkes Zeichen dagegen
       setzen“, sagt Nevroz Duman von der Gruppe „Welcome2Europe“ aus Hanau. Der
       Zeitpunkt ist aber nicht allein der Wahl geschuldet. Vor zwei Jahren
       marschierten Tausende Flüchtlinge von Ungarn nach Österreich und reisten
       weiter in andere europäische Länder, vor allem nach Deutschland. Das
       Dublin-System brach zusammen. „Wir wollen an diese Zeit, in der die Grenzen
       überwunden wurden, erinnern“, sagt Duman.
       
       Mittelfristig möchte die Flüchtlingsbewegung das Datum als politischen
       Gedenktag etablieren. Schließlich habe es in jener Zeit auch „Millionen
       Menschen gegeben, die sich mit Geflüchteten solidarisiert haben, und davon
       ist was geblieben“, sagt Duman. In vielen Städten in Deutschland seien
       Solidaritätsinitiativen entstanden, die nun mit den Folgen der
       Asylrechtsverschärfungen zu kämpfen hätten. Gleichzeitig werde heute immer
       offensiver gegen Flüchtlinge vorgegangen, an den europäischen Außengrenzen
       und jenseits davon. „Wir werden uns nicht daran gewöhnen, was vor unseren
       Augen passiert und zur Normalität erklärt wird“, sagt Duman.
       
       14 Sep 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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