# taz.de -- Tod von Prinzessin Diana vor 20 Jahren: Ein Kind des Pop bei Hofe
       
       > Die verstaubten Windsors brauchten genau so eine wie Lady Di: empathisch,
       > charmierend, gebärfähig. Ihr Unfalltod machte die Story perfekt.
       
 (IMG) Bild: Lieblingsobjekt der Boulevardmedien: Prinzessin Diana 1996
       
       Es hat vor ihr andere Frauen gegeben, die eine Scheidung hinter sich, in
       ihrer Ehe zwei Kinder zur Welt gebracht und nach der ersten Ehe
       Liebesalternativen eingefädelt haben – und dann, als alles gut zu werden
       schien, bei einem Autounfall ums Leben kamen. So trivial und traurig ist
       das manchmal: ein Schicksal, das die Engsten berührt und Trauer stiftet.
       Aber der Tod einer britischen Bürgerin, als Lady Di berühmt, war doch von
       ganz anderem Kaliber: Dass sie, Liebling und Lieblingsobjekt der britischen
       Boulevardmedien, am 31. August 1997, vor 20 Jahren, mit ihrem neuen
       Geliebten Dodi al-Fayed in Paris auf der Flucht vor Paparazzi in einem
       Automobil gegen den Pfeiler einer Brücke an der Seine raste und starb,
       machte die Story ihres Lebens, um es nüchtern zu sagen, perfekt.
       
       Sie, der Wärmeaggregat inmitten von livrierten Flüsterern und intriganten
       Schranzen irgendwo in der Hierarchie des Buckingham Palace, die Frau, die
       mit ihrer Gefühligkeit gegen die Beherrschtheit der Windsors mit Königin
       Elizabeth II. nicht recht ankam, war, als wär’s ein unglücklich stimmendes
       Märchen, auf tragödische Art vollendet: Tränenmeere des Publikums,
       Hunderttausende am Weg, als ihr Sarg am Palast vorbeigetragen wird – und
       eine Königin, die Schwiegermutter, die erst spät begriffen zu haben schien,
       dass sie, trotz der Scheidung von ihrem Sohn Charles, Princess Diana ein
       familiäres und auch ein Staatsbegräbnis geben müsse.
       
       Das war der Unterschied zwischen beiden Frauen: „The Queen“ war ein Kind
       aus Kriegszeiten, sie wusste noch, wer Winston Churchill war und hatte
       Erinnerungen an Nazibombennächte auf London, sie hat Haltungen wie
       Beherrschung, emotionale Zurückhaltung in Dingen der Gefühle gelernt. Wie
       sollten Menschen sonst miteinander so umgehen, dass sie sich nicht gleich
       bei kleinsten Zwistigkeiten an die Gurgeln gehen – wenn nicht mit größter
       Contenance?
       
       Diana Frances Spencer, 1961 in Sandringham in eine der besten Adelsfamilien
       des Empire hineingeboren, war hingegen ein Kind des Pop. Das aber war, als
       sie vom Hofe als künftige Gattin des Thronfolgers der Königin, Prince
       Charles, ausgewählt wurde, nicht ganz offenkundig. Da kam eine
       erfrischende, absolut gut, strahlend und nahbar und nicht nur apart, fein
       und blässlich aussehende Frau, die ihren eigenen Kopf hatte und herbe
       Enttäuschungen vor allem mit dem Gatten und seinen Eltern nicht mit viel
       Gin ertränken wollte.
       
       ## Die perfekte Besetzung
       
       Lady Di – das war die perfekte Besetzung für einen Spitzenjob in der
       britischen Adelsindustrie und zugleich deren eigenbrötlerischster
       Ausdruck. Eine wie Lady Di brauchten die Windsors, um diese tranige
       „Downton Abbey“-haftigkeit ihrer schieren Existenz abzulegen. Es hatte viel
       mit dieser Verstaubtheit zu tun, dass Diana Frances Spencer überhaupt zur
       Kandidatin für das höchste Gattinnenamt am Hofe werden konnte. Andere
       fielen bei der Prüfung durch – auch Camilla Shand, die heutige Ehefrau von
       Prince Charles. Er gestand ihr zwar, lange vor Diana Spencer, sein
       Begehren, wurde aber mit einem Heiratsantrag nie formell. Was auch immer
       ihr im Wege stand – Aspirantinnen hatten vor allem gebärfähig zu sein, sich
       nicht über einen liederlichen Lebenswandel in Verruf gebracht zu haben und
       außerdem jungfräulich in die Verbindung zu gehen. Auf die spätere
       Prinzessin von Wales traf dies alles zu.
       
       Am 29. Juni 1981 heirateten sie in der Londoner St. Paul’s Cathedral,
       übertragen weltweit über die BBC, die Bodentruppen der Zeitungen
       berichteten in jeder nur erdenklichen Ausführlichkeit: Lady Di – das war
       für die britische Monarchie ein Volltreffer. Prinz Charles hingegen schien
       immer wie ein Stiesel, der Distanzierte und kaum mehr als zu formellen
       Höflichkeiten im Kontakt mit dem sogenannten Volk Begabte. Das Erzählschema
       stand, und Lady Di fütterte die Märchenerzähler über die Lebensverhältnisse
       am Hof ausgiebig.
       
       Eine kalte Zeit war’s, die anbrechende Ära Margaret Thatchers, eine kalte
       Zeit. Die Krämerstochter verschrottete mit ihrem konservativ-neoliberalen
       Regime das alte Großbritannien, ließ sich nicht durch Streiks beeindrucken
       und setzte so gut wie alle Standards des Sozialstaats außer Kraft. Das
       politische Programm, das postimperiale Vereinigte Königreich mit seinen
       kaum konkurrenzfähigen Industrien zu tilgen, war auf Gründlichkeit
       angelegt. Lady Di war die schöne und ergiebigste Erzählalternative zu
       patriotisch gesinnten Geschichten um den Falkland-Krieg 1982.
       
       Sie war die Gute, die lachende Mutter, die charmierende Frau, immer
       geschmackvoll angezogen. Prinz Charles hingegen – ein stoffeliger Mann,
       der, so weiß man inzwischen, darunter litt, die eigentliche Passion seines
       Lebens, Camilla Shand, nicht um deren Hand angehalten zu haben. Aber sie
       war ein Faktor in der Ehe von Diana und Charles, „Well there were three of
       us in this marriage, so it was a bit crowded“, sagte sie einmal in einem
       Interview, da war immer eine Dritte in der Ehe, und das war ein bisschen
       viel.
       
       ## Eine Einflussagentin
       
       Lady Di ersetzte, faktisch, die höfische Idee der gediegenen Wohltätigkeit
       – wie ihr Mann mit seinen Ökoprojekten – durch moderne Fürsprachen
       zugunsten aufmerksamkeitsbedürftiger Projekte: Ob es ihre Besuche an
       Krankenbetten von Aids-Infizierten waren, überhaupt ihr
       selbstverständlicher Umgang mit schwulen Männern – Homosexualität war nicht
       verboten, aber es durfte damals („Clause 28“) auch kein öffentliches Geld
       für Aufklärungsprogramme verwendet werden, später ihre Reisen nach Bosnien,
       um Landminen zu geißeln – Lady Di war eine moderne Einflussagentin.
       
       Und wie sie in die neue Zeit passte: Sie war auch die Frau, die von ihrem
       Gatten nachlässig und, darauf kommt es an, lieblos behandelt wurde. Die
       Prinzessin, die alles gibt und doch an den seelisch ledrigen Verhältnissen
       in ihrer Familie scheitert. Di, Frau, Opfer: Was für eine gigantische
       Erzählanordnung in Zeiten, in denen die Königin politisch letztlich nichts
       zu melden hat. Lady Di hatte alles, was weithin als Tugend abgefordert
       wird. Empathie, Mitgefühl, die Fähigkeit, Tränenströme nicht bei sich zu
       behalten, Sentimentalität, die eigene Autorinnenschaft an dem, was sie ist
       – beziehungsweise was das Publikum von ihr glauben soll.
       
       Ihr war die Aura des Natürlichen gegeben, verbunden mit der Courage, sich
       trotz arrangierter Ehe aus dieser zu lösen. Sie war ja niemandem etwas
       schuldig: Zwei Söhne hat sie der Dynastie geschenkt und quasi ihren Zweck
       erfüllt.
       
       ## Berufsabschluss Kindergärtnerin
       
       Last but not least: Prinz Charles hat doch noch jene Frau geheiratet, die
       er wirklich begehrt und liebt. Camilla Parker Bowles, der er, wie man durch
       illegal mitgeschnittene Telefongespräche erfuhr, ins Ohr säuselte, er wäre
       am liebsten ihr Tampon, um ihr so nah wie möglich zu sein. Das war nur
       eines der letzten Details, die zur Scheidung zwischen Thronfolger und
       seiner Frau Diana führte: Gegen eine Frau, auf die er so heiß war, war kein
       Ankommen.
       
       Das medienlancierte Märchen von der jungen Frau mit dem Berufsabschluss
       Kindergärtnerin ist, obwohl sie vor 20 Jahren ums Leben kam, noch frisch in
       Erinnerung: Wie sie eine normale Ehe führen wollte und nicht erkannte, dass
       sie es mit einer ganzen Familie zu tun haben würde. Sie war, der Poptitan
       Elton John hat recht, „England’s Rose“.
       
       31 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Lesestück Meinung und Analyse
 (DIR) Windsors
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) London
 (DIR) Adel
 (DIR) Queen Elizabeth II.
 (DIR) Tod
 (DIR) Royals
 (DIR) Gedenken
 (DIR) Adel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) taz-Adventskalender (5): „Eine stabile Monarchie“
       
       Der Adventskalender präsentiert BerlinerInnen, die für etwas brennen.
       Hinter Türchen Nummer fünf: Der Fan der britischen Monarchie Mathias Ernst.
       
 (DIR) Fan-Kultur zu Lady Diana: Und weil sie nicht gestorben ist …
       
       Vor zwanzig Jahren kam Lady Diana ums Leben. Ein Roman fantasiert nun eine
       Welt, in der es den tödlichen Unfall von Paris nie gegeben hat.
       
 (DIR) „Royal-Fieber“ in Deutschland: Adel trifft Pöbel
       
       Das britische Thronfolgerpaar William und Kate tourt durch Deutschland. Am
       Mittwoch winkten sie ihren Fans am Brandenburger Tor zu.
       
 (DIR) Gedenkverein für Lady Di: Die Verehrerin der Prinzessin
       
       Vor 17 Jahren starb Lady Diana in Paris. In Hameln lebt sie weiter. Dort
       trifft sich der Lady-Di-Club Germany. Evelyn Marie Seidel ist seine
       Vorsitzende.
       
 (DIR) Inside Adel: Leben für die Etikette
       
       Sie soll einen Mann von Stand heiraten. Sie soll nicht wie eine Schlampe
       aussehen. Sie soll Menschen hegen, wie der Schäfer sein Vieh. Sie soll eine
       Adelige sein.