# taz.de -- Druck auf CHP-Vorsitzenden in der Türkei: Erdoğan droht Oppositionsführer
       
       > Die Staatsanwaltschaft scheint eine Anklage gegen Kemal Kılıçdaroğlu
       > vorzubereiten. Er hatte den „Marsch für Gerechtigkeit“ initiiert.
       
 (IMG) Bild: Will sich nicht einschüchtern lassen: Kemal Kılıçdaroğlu
       
       Berlin taz | „Herr Kılıçdaroglu, Sie werden sich verantworten müssen“.
       Diese Schlagzeile der regierungsnahen Zeitung Yeni Safak ist Teil einer
       Kampagne der türkischen Regierungspresse, die die Öffentlichkeit offenbar
       darauf vorbereiten soll, dass der wichtigste Oppositionspolitiker des
       Landes verhaftet werden könnte.
       
       Schon vor Tagen hatte Präsident Recep Tayyip Erdoğan dem Vorsitzenden der
       sozialdemokratisch-kemalistischen CHP angedroht, er werde sich vor Gericht
       verantworten müssen. Erdoğan wirft Kemal Kılıçdaroğlu eine Zusammenarbeit
       mit der angeblich für den Putschversuch im letzten Jahr verantwortlichen
       Gülen-Sekte vor.
       
       Kılıçdaroğlu hatte [1][vor einem Monat mit einem „Marsch für Gerechtigkeit“
       mehrere Hunderttausend Menschen mit der Forderung mobilisiert], die Justiz
       in der Türkei müsse wieder unabhängig werden und die Willkür des
       Ausnahmezustandes aufhören. Seitdem versucht die regierende AKP und
       Präsident Erdoğan immer massiver, den Oppositionsführer in die Nähe der
       Putschisten zu rücken.
       
       Der Vorwurf der Zusammenarbeit mit der Gülen-Bewegung wird mit einem Video
       begründet, auf dem die illegalen Waffenlieferungen des türkischen
       Geheimdienstes nach Syrien dokumentiert sind. Das hatte man auch schon dem
       früheren Chefredakteur der Cumhuriyet, Can Dündar, zum Vorwurf gemacht –
       genau wie dem unlängst zu 25 Jahren Gefängnis verurteilten
       stellvertretenden Vorsitzenden der CHP, Enis Berberoğlu.
       
       Erdoğan deutete an, Kılıçdaroğlu habe das Video aus Gülen-Quellen
       zugespielt bekommen und es an Berberoğlu, der von Haus aus Journalist ist,
       weitergegeben. Der habe es dann der Cumhuriyetzukommen lassen.
       
       ## Interview mit dem Focus
       
       Für die Gülen-Nähe von Kılıçdaroğlu spreche auch, dass er den Putschversuch
       als von der Regierung „gelenkten Putsch“ bezeichnet hat, sagte am Dienstag
       ein Parteisprecher der AKP. Anlass für diesen Vorwurf ist ein Interview,
       das Kılıçdaroğlu vor einer guten Woche dem Focus gegeben hat und in dem er
       die Aussage von Außenminister Sigmar Gabriel bestätigte, dass Ausländer in
       der Türkei grundsätzlich nicht mehr sicher vor Verhaftungen sind.
       
       Die gesamte Kampagne legt den Schluss nahe, dass die Staatsanwaltschaft
       angewiesen wurde, eine Anklage gegen Kılıçdaroğlu vorzubereiten. Bei der
       CHP, auf regierungskritischen Websites und in den sozialen Medien wird
       schon der Ernstfall diskutiert. „Erdoğan will die nächsten Wahlen ohne
       Opposition abhalten“, vermutet das kritische Webportal Diken.
       
       16 Aug 2017
       
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