# taz.de -- Wahl in Niedersachsen: Wahlkampf wird Bildungskrieg
       
       > Vor der Selbstauflösung kloppen sich Niedersachsens Landtagsabgeordnete
       > verbal, um die Wahlkampf-Fronten abzustecken. Klar im Fokus: die
       > Schulpolitik
       
 (IMG) Bild: Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) wird zur Zielscheibe im Landtagswahlkampf
       
       BREMEN taz | Es wird wieder um Bildung gehen, beim Niedersachsen-Wahlkampf.
       Darauf deutet die am Mittwoch begonnene letzte Plenardebatte vor der
       Selbstauflösung des Landtags hin – auch wenn das Verbot der
       Gesichtsverhüllung für SchülerInnen im Unterricht in seltener Eintracht
       aller vier Fraktionen verabschiedet wurde. Hitzig und polemisch war dagegen
       die Auseinandersetzung ums Schulsystem. Und das Thema bietet sich ja auch
       an: Bildung ist Landessache. Bei den Wahlen in Schleswig-Holstein und in
       [1][Nordrhein-Westfalen] waren Schulfragen das Sieger-Thema [2][gewesen.]
       
       Und während die großen Systemfragen derzeit keine Konjunktur haben, bieten
       sich zahlreiche andere Anknüpfungspunkte: Die Umsetzung der Inklusion
       bereitet Schwierigkeiten, die Pensionierungswelle hat ihren Höchststand
       erreicht – und bundesweit wird schon jetzt der LehrerInnenmangel für viele
       WählerInnen spürbar. Laut statistischem Bundesamt war die SchülerInnenzahl
       im Schuljahr 2016/2017 in ganz Deutschland um 0,3 Prozent erstmals in
       diesem Jahrhundert im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Einer Studie der
       Bertelsmann-Stiftung [3][zufolge] Anzeichen einer echten Trendumkehr – die
       ohne Gegenmaßnahmen bis 2025 dazu führen würde, dass allein an den
       Grundschulen 25.000 Lehrkräfte [4][fehlen].
       
       Die langfristigen Prognosen hatten bis dahin stets das Gegenteil erwarten
       lassen. Wenn aber dort, wo mit einer demografischen Rendite gerechnet wird,
       stattdessen ein Mehrbedarf auftritt, entstehen sofort Lücken: Um die
       kurzfristig zu schließen, hatte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD)
       verstärkt auf Abordnungen von GymnasiallehrerInnen an Primarschulen gesetzt
       (taz berichtete): Bei denen fehlen die LehrerInnen zuerst. Bloß: Mit
       Notlösungen wird niemand glücklich. Und wer die Unzufriedenheit an den
       Schulen in Wählerstimmen ummünzen kann, hat im Oktober allerbeste Chancen.
       
       Entsprechend versuchte die Opposition die Gunst der Aktuellen Stunde zur
       Abrechnung mit Heiligenstadt zu nutzen – garniert mit durchaus persönlichen
       Angriffen: Sie sei „an ihrer Unfähigkeit gescheitert“, attestierte ihr
       CDU-Bildungspolitiker Kai Seefried. Stefan Birkner, Fraktionsvorsitzender
       und Spitzenkandidat der FDP diagnostizierte, dass Rot-Grün „jeden
       Gestaltungswillen in der Bildungspolitik aufgegeben“ habe.
       
       Wahr ist: Heiligenstadt bietet sich als Ziel an. Mit ihrem Versuch, deren
       Unterrichtszeit zu verlängern, hatte sie 2015 erst die GymnasiallehrerInnen
       und dann auch noch die GymnasiastInnen gegen sich aufgebracht und
       scheiterte am Ende krachend im Juni vorm Oberverwaltungsgericht. FDP-Mann
       Björn Försterling erinnerte zudem an die durchaus peinlichen Ermittlungen
       gegen den Leiter der Landesschulbehörde: 31 Polizisten und ein Peilsender
       waren im Einsatz, um ihn der missbräuchlichen Nutzung seines Dienstwagens
       zu überführen. Am Ende kam zwar ein Strafbefehl von 500 Euro für ihn raus.
       Verhältnismäßigkeit aber geht anders. „Sie haben diese Kultusministerin
       nicht entlassen“, so Försterling in Richtung Ministerpräsident Stephan Weil
       (SPD). „Sie haben an ihr festgehalten.“
       
       Das Feld birgt allerdings auch fürs schwarz-gelbe Lager Gefahren. Denn
       CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann war Kultusminister in David
       McAllisters Kabinett – und hatte damals nicht nur mit den Querelen um seine
       Doktorarbeit bundesweit für Trouble gesorgt. Auch seine Amtsführung war
       skandalisiert worden: So musste das Ministerium unter ihm für 23.000
       illegal beschäftigte Honorarkräfte am Ende über zwei Millionen Euro
       Sozialversicherung nachzahlen.
       
       Weniger knallig, aber für die aktuelle Lage wichtiger: seine strukturellen
       Entscheidungen. So war angesichts der Rechtspflicht, Inklusion zu
       verwirklichen, ein Mehrbedarf an Sonderpädagogen absehbar. Der Forderung,
       den einzuplanen, widersetzte sich Althusmann hingegen standhaft – „noch im
       September 2012“, wie Heiner Scholing (Grüne) erinnerte. Erst Rot-Grün habe
       etwas gegen diesen Fachkräftemangel unternommen, so Scholing.
       
       Ministerin Heiligenstadt wies schließlich in ihrer Replik darauf hin, dass
       ihr Vorgänger sich das Husarenstück geleistet hatte, „300 Ganztagsschulen
       einzurichten ohne sie mit Haushaltsmitteln auszustatten“. Nicht sie,
       sondern „Ihr Hoffnungsträger Althusmann“ stehe in Niedersachsen für
       Schulchaos, sagte sie in Richtung CDU. Hoffnungsträger, das klingt nett,
       aber nur solange man vergisst, dass Althusmann schon im Ministeramt eher
       als Notnagel denn als Idealbesetzung [5][galt.]
       
       16 Aug 2017
       
       ## LINKS
       
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