# taz.de -- Gewitter und Klimaveränderung: Die Blitze-Zähler in Karlsruhe
       
       > Knallt es häufiger? Oder doch weniger? Was hat die Bildung von Gewittern
       > mit dem Klimawandel zu tun? 2016 war ein besonders blitzarmes Jahr.
       
 (IMG) Bild: Bis auf 200 Meter genau können Blitze mit dem Messsystem bundesweit lokalisiert werden
       
       Von Karlsruhe aus hat man sie gezählt, jeden einzelnen: 431.644 Blitze
       schlugen im vergangenen Jahr in Deutschland ein. Nun sagt die Zahl für sich
       genommen natürlich wenig. Deswegen erläutert sie der
       Blitzinformationsdienst von Siemens (Blids), der von Karlsruhe aus ein 160
       Stationen umfassendes Messnetz zur Lokalisierung von Blitzeinschlägen
       betreut: Das Jahr 2016 erzielte den niedrigsten Wert, seit die Entladungen
       nach unveränderten technischen Regeln gemessen werden – und das ist seit
       1999 der Fall.
       
       Die jährlichen Zahlen schwanken erheblich, im Jahr 2007 zum Beispiel
       registrierten die Karlsruher im ganzen Land mehr als 1,1 Millionen Blitze.
       Seither, so scheint es beim Anblick der Messkurve, geht es tendenziell
       abwärts. Und es stellt sich die Frage, ob das nun zufällige Schwankungen
       sind oder ob hier auch der Klimawandel eine Rolle spielen könnte.
       
       Forscher gehen in der Theorie allerdings eher von steigenden Blitzzahlen
       aus. Im November 2014 hatten Wissenschaftler der Universität von
       Kalifornien in Berkeley Berechnungen publiziert, nach denen der Klimawandel
       im Laufe dieses Jahrhunderts die Zahl der Blitze um 50 Prozent werde
       ansteigen lassen. Die Studie bezog sich zwar auf die USA, plausibel wäre
       eine solche Einschätzung aber auch andernorts.
       
       Denn wo die Temperaturen steigen, steigt auch die Aufnahmekapazität der
       Atmosphäre für Wasser. Und jeder Tropfen Regen, der aus der Luftfeuchte
       kondensiert, gibt Energie frei, sogenannte Latentwärme. Wird es wärmer,
       werden folglich atmosphärische Prozesse energiereicher. Mehr Blitze lägen
       also nahe.
       
       Und doch stellt man, wenn man mit Forschern spricht, fest, dass die
       Entwicklung der Gewitterhäufigkeit eine der ungeklärten Fragen des
       Klimawandels ist. Zum einen liegt das an der Kürze der Messreihen, die mit
       nicht einmal 20 Jahren nur einen Bruchteil dessen erreichen, was man zum
       Beispiel an Temperaturmessungen verfügbar hat. Zum Zweiten ist die
       physikalische Beschreibung der Entstehung von Gewittern weitaus komplexer
       als die Trendberechnung bei der Temperatur.
       
       ## Noch echte Wissenslücken
       
       Entsprechend hat die Meteorologie noch echte Wissenslücken. Klar ist bisher
       nur: Um einen Blitz entstehen zu lassen, muss eine Ladungstrennung
       stattfinden, wie sie nur in Wolken möglich ist, in denen Aufwinde von
       mindestens 100 Kilometern pro Stunde herrschen. Aber durch welche Effekte
       die Blitze dann ausgelöst werden, welche Rolle die kosmische Strahlung
       möglicherweise dabei spielt, sei wissenschaftlich noch lange nicht
       ausreichend geklärt, sagt Gerhard Lux vom Deutschen Wetterdienst: „Mitunter
       entstehen Blitze, obwohl das von den Spannungsunterschieden her gar nicht
       der Fall sein dürfte.“
       
       Mit der Theorie kommt man also bislang kaum weiter, wenn es darum geht zu
       bewerten, wie ein globaler Temperaturanstieg sich auf die Blitzhäufigkeit
       auswirkt. Entsprechend erstellen weder das Potsdam-Institut für
       Klimafolgenforschung noch das Max-Planck-Institut für Meteorologie in
       Hamburg, das für seine Klimamodellierungen bekannt ist, Szenarien über das
       künftige Gewitteraufkommen.
       
       Sucht man weiter nach Forschern, die atmosphärischen Entladungen in Zeiten
       des Klimawandels auf der Spur sind, landet man wiederum in Karlsruhe, am
       Institut für Meteorologie und Klimaforschung des KIT. Und weil man auch
       dort natürlich wieder vor dem Problem steht, dass die Messreihen der Blitze
       zu kurz sind für valide Aussagen, behilft man sich mit Daten, die die
       Gewitterneigung definieren – denn die reichen deutlich weiter zurück.
       
       ## Ein unverkennbarer Aufwärtstrend
       
       „Es gibt bestimmte meteorologische Gewitterindizes, die liegen immerhin
       seit 60 Jahren vor“, sagt KIT-Wissenschaftler Hans Schipper. Und doch
       blieben – während der Temperaturverlauf auf der Erde in den letzten 60
       Jahren einen unverkennbaren Aufwärtstrend zeigt – bei den Gewittern alle
       Tendenzen diffus: „Einen eindeutigen Trend kann man aus den Daten bisher
       nicht herauslesen.“
       
       Somit dürfte der besonders niedrige Wert, den die Siemens-Wissenschaftler
       für 2016 ermittelten, im Rahmen der natürlichen Schwankungen liegen. Die
       Forscher des Blids halten sich ohnehin zurück mit Interpretationen, weil
       ihre Aufgabe schlicht die Messung ist. Sie können die Einschläge bis auf
       200 Meter genau lokalisieren, sie messen jeweils die Stromstärke
       (Spitzenwerte liegen bei 400.000 Ampere) und die Polarität (die positiv
       oder negativ sein kann).
       
       Aus diesen viele Daten jedoch langfristige Trends zu ermitteln, ist auch
       deswegen schwer, weil bereits einzelne Gewitterfronten die gesamte
       Jahresbilanz erheblich prägen können. „Ein einziger Tag kann zehn Prozent
       der Blitze des ganzen Jahres bringen“, sagt Stephan Thern, Blitzexperte
       bei Siemens in Karlsruhe. Deswegen ist es auch für eine 2017er Blitzbilanz
       noch zu früh; der August kann noch mal ganz gehörig in die Statistik
       hineinfunken – und das laufende Jahr vielleicht wieder deutlich über die
       Werte von 2016 hieven.
       
       6 Aug 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Wetter
 (DIR) Unwetter
       
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