# taz.de -- Kommentar Türkei-Sanktionen: Nebenwirkungen inklusive
       
       > Außenminister Gabriel kündigt eine Neuausrichtung der deutschen
       > Türkei-Politik an. Aber reicht das, um Erdoğan zur Mäßigung zu bewegen?
       
 (IMG) Bild: Wer weiß, ob sich Erdoğans Unterstützer nach schmerzhaften Sanktionen von ihm abwenden
       
       Es ist richtig, dass Außenminister Sigmar Gabriel eine „Neuausrichtung“
       [1][der deutschen Türkei-Politik angekündigt hat]. Es war überfällig, dass
       er die Menschenrechtsverletzungen endlich klar benannt hat. Es war
       unausweichlich, darauf hinzuweisen, dass Reisen in die Türkei derzeit
       grundlos ins Gefängnis führen können. Auch Gabriels Warnung vor
       Investitionen in Erdoğans Willkürstaat dürfte zu Verlusten für die
       türkische Wirtschaft führen. Aber reicht das?
       
       Das wichtigste Ziel muss jetzt die Verbesserung der Situation in der Türkei
       sein – für die akut bedrohten Oppositionellen und [2][die politischen
       Gefangenen] mit türkischen und deutschen Pässen. Im Vergleich dazu ist die
       Frage, ob Sanktionen auch der deutschen Wirtschaft schaden könnten,
       zweitrangig. Alles ist zu begrüßen, was Demokratie und Rechtsstaat in der
       Türkei stärkt.
       
       Ganz offensichtlich ist es mit den bisherigen Ermahnungen nicht gelungen,
       Erdoğan zur Mäßigung zu bewegen. Was liegt da näher, als endlich auf den
       Tisch zu hauen, knallharte Maßnahmen zu ergreifen und den türkischen
       Präsidenten so zum Einlenken zu zwingen? Ach, wäre es doch nur so einfach.
       Zur Ehrlichkeit gehört leider: Niemand kann voraussagen, was Erdoğan
       wirklich schwächt. Wirtschaftlich lässt sich das vielleicht halbwegs
       berechnen, politisch aber nicht. Wer weiß, ob sich die meisten Türken nach
       schmerzhaften Sanktionen von Erdoğan abwenden – oder ob sie seiner Hetze
       gegen den Westen dann erst recht folgen?
       
       Wer drastische Sanktionen fordert, darf die Risiken und Nebenwirkungen
       nicht verschweigen. So schlimm die Lage ist: Es kann auch noch schlimmer
       kommen. Stichwort Todesstrafe. Einfach mal ausprobieren, was nach einem
       kompletten Bruch mit Ankara passiert, wäre fahrlässig – mit Blick auf die
       Gefangenen, aber auch mit Blick auf die deutschtürkische Community.
       
       Es ist ein schmaler Grat. Gabriel und Merkel müssen weiter Druck auf
       Erdoğan ausüben, aber aufpassen, dass die berechtigte Kritik nicht wie im
       Fall Böhmermann mit rassistischem Türken-Bashing vermischt wird. Sie
       müssen Erdoğan deutlich machen, dass seine Menschenrechtsverletzungen
       Konsequenzen für ihn haben – und gleichzeitig immer auch Rückwege zur
       Zusammenarbeit offen halten. Die Tür zuzuknallen wäre genauso
       verantwortungslos, wie tatenlos zuzuschauen.
       
       20 Jul 2017
       
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