# taz.de -- Altägyptische Prothese: Eine 3.000 Jahre alte künstliche Zehe
       
       > Die Prothese gehört zu einer ägyptischen Mumie. Ihre Trägerin muss nicht
       > nur auf das Aussehen, sondern auch auf Tragekomfort Wert gelegt haben.
       
 (IMG) Bild: Eine der ältesten Prothesen der Welt: künstliche Zehe aus Holz
       
       Entdeckt hatte ein internationales und interdisziplinäres Team von der
       Universität Basel die virtuos gefertigte, fast 3.000 Jahre alte gelenkige
       Prothese eines großen Damenzehs schon bei Grabungen in den 90er Jahren des
       vorigen Jahrhunderts. Doch nun wendet man sich ihr im Zuge eines neuen, vom
       Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projekts wieder zu. Das Fundstück
       stammt aus der seit dem frühen zweiten Jahrtausend v. u. Z. bestehenden
       Elitenekropole von Scheich Abd el-Qurna bei Luxor, welche man jetzt mit
       modernsten Methoden vermisst und fotografiert, um ihre verschiedenen
       Entwicklungsstufen im 3-D-Format zu simulieren.
       
       Erstmals analysieren Basler Wissenschaftler, Spezialisten des Ägyptischen
       Museums Kairo und und Mitarbeiter des Instituts für Evolutionäre Medizin
       der Universität Zürich nun auch die für den künstlichen Zeh verwendeten
       Materialien. Von welchem Baum stammt das Hartholz? Bedeutet die Vertiefung
       des Nagelbetts, dass dort früher ein wie Nagelsubstanz schimmerndes
       Material aufgetragen wurde? Und woraus sind die den Fuß umgürtenden Riemen?
       Andrea Loprieno-Gnirs vom Departement Altertumswissenschaften der
       Universität Basel, Felddirektorin der Grabungen vor Ort, will sich, dazu
       befragt, noch nicht äußern, um den Ergebnissen ihrer KollegInnen nicht
       vorzugreifen.
       
       Nur eines, sagt sie, stehe schon fest: Die Prothese wurde mit rein
       mechanischen Mitteln zusammengefügt, zu Lebzeiten an den Fuß der Besitzerin
       angepasst und dafür mehrmals überarbeitet. Die Trägerin gehörte später als
       Mumie zum Inventar eines sonst weitgehend ausgeraubten Schachtgrabs. Eine
       beschriftete Binde um ihren Torso bezeichnet sie als Tochter eines
       Priesters. Bei ihrem Tod war sie um die 50 Jahre alt.
       
       Über einen intakten Körper zu verfügen, dies spielte für die alten Ägypter
       nicht nur im Jenseits, sondern schon im Diesseits eine zentrale Rolle. Doch
       die Besitzerin dieses Zehs muss nicht nur auf natürliches Aussehen, sondern
       auch auf Tragekomfort Wert gelegt haben.
       
       Strümpfe, ebenso wie geschlossene Lederschuhe, waren im sandalenfreudigen
       alten Ägypten nichts Alltägliches, wurden aber bisweilen getragen. Die
       Besitzerin hätte ihre Prothese theoretisch also unter einer Fußbekleidung
       verbergen und einen gesunden Fuß simulieren können.
       
       Erst hier wagt sich die Felddirektorin auf das Gebiet der Spekulation:
       „Warum sollte sie eine so schöne Prothese verstecken?“, meint Andrea
       Loprieno-Gnirs: „Sie mit einer technisch und künstlerisch so hohen
       Präzision anzufertigen, das hätte sich dafür kaum gelohnt.“
       
       22 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Kerneck
       
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