# taz.de -- Paramilitärische Gruppen in Polen: Im Dienste ihrer Nation
       
       > In Polen gibt es mittlerweile fast so viele Paramilitärs wie reguläre
       > Soldaten. Künftig sollen sie vom Staat Ausrüstung und Sold bekommen.
       
 (IMG) Bild: Er ist Faschist und er ist bewaffnet: Michał Prokopowicz in Krakau
       
       Warschau/Lublin/Krakau taz | Um sein Vaterland zu retten, braucht man:
       Helm, Uniform, Handschuhe, Mütze, Tarnfarbe fürs Gesicht, eine Weste mit
       ausreichend Taschen, Stift und Zettel, Nadeln, Pflaster, eine
       Krankenversicherung. Und eine Waffe, ein Sturmgewehr etwa.
       
       Und weiter: einen polnischen Pass, ein Szenario im Kopf, in dem Freunde und
       Eltern angegriffen werden, eine Idee davon, wer diese Angreifer sein
       könnten – und Angst vor ihnen, aber nicht zu viel. Zwei Tage Zeit.
       
       Bartosz Król schreit die Rekruten an. Taschen ausleeren! Ausbreiten!
       Tarnfarbe auftragen! Hektisch hocken sie sich auf das Steinpflaster eines
       Schulhofes. Eine andere Gruppe wirft sich zwischen Buxbäumen auf den Rasen,
       immer und immer wieder. Aufwärmübung. Danach: Was ist das Handzeichen
       dafür, den Feind gesichtet zu haben? Wo ist Süd-Süd-West? Gar nicht so
       einfach.
       
       Bartosz Król, graue Spuren im kurzrasierten Haar, tiefe Augenringe unter
       der Sturmmaske, leitet die paramilitärische Vereinigung Jednostka
       Strzelecka JS 1309 in Warschau, übersetzt: Schützenverein. Er trainiert an
       diesem Wochenende die neuen Anwärter. „Krieg liegt Menschen in den Genen“,
       sagt er.
       
       ## Generation Erasmus
       
       Bis zu 90.000 Männer und Frauen trainieren in paramilitärischen Einheiten,
       schätzt das polnische Verteidigungsministerium; die Zahl steigt, Gruppen
       gibt es überall im Land. Die regulären Streitkräfte zählen derzeit 98.500
       Soldaten.
       
       Lublin, Ortsgruppe der Legia Akademicka. Kommandant Damian Duda sagt: „Die
       Geschichte lehrt uns: Polen hat nur auf dem Papier Freunde. Wir waren immer
       wie ein Geschenk, das sich andere Länder überreicht haben.“
       
       Krakau, SJS 2039, Kommandant Michał Prokopowicz sagt: „Polen darf nicht das
       Afghanistan Europas sein.“ Es gibt Fotos, die ihn mit einer brennenden
       Nato-Flagge zeigen.
       
       Diese Männer vereint, dass sie zur ersten Generation Polens gehören, die in
       einem unabhängigen Land erwachsen geworden ist, nach 1989. Sie gehören zur
       Generation Erasmus, die sich durch Europa und über den Globus bewegt wie
       durch die eigene Nachbarschaft.
       
       ## Sie glauben nicht an den Frieden
       
       Bartosz Król, Damian Duda und Michał Prokopowicz eint aber auch, dass sie
       nicht an Frieden glauben. Schon gar nicht hier, am Rande der EU, eingeengt
       zwischen Nato-Russland-Krise und Ukraine-Konflikt. Sie spüren einen
       bedrohlichen Zeitgeist, stellen Fragen, die in ganz Europa dringlich zu
       werden scheinen: Wie begegnen wir Fremden? Geben wir etwas vom Wohlstand
       ab? Und: Wie verteidigen wir unsere Nation?
       
       Mrozy. Eine Stunde mit dem Regionalzug von Warschau. Alte Leute, die
       morgens um sieben Uhr Wurst in Scheiben beim Metzger kaufen. Jugendliche,
       die die Nächte am Wochenende in ihren Autos vor der Pizzeria verbringen.
       
       Mrozy heißt auf Deutsch Kältewelle. Soldaten Hitlers sollen auf dem Weg
       nach Russland hier erfroren sein. Heute finden hier mehrmals im Jahr
       Trainings für neue Paramilitärs statt, knapp 30 Männer und Frauen sind
       dieses Mal aus dem ganzen Land angereist. Der Veranstalter gehört zu einer
       Organisation, die nicht nur ausbildet, sondern auch Lobbyarbeit für die
       Paramilitärs betreibt. Sie heißt Obrona Narodowa, Nationale Verteidigung,
       und ist eine Art Dachverband. Denn obwohl die Ortsgruppen der Paramilitärs
       staatliche Genehmigungen erhalten, öffentlich auftreten, in Wäldern
       trainieren, in denen andere spazieren gehen, fühlen sie sich von Politik
       und Gesellschaft nicht ausreichend beachtet. Das ändert sich aber gerade.
       
       Über Mitglieder wie Bartosz Król sind sie gut vernetzt. Er ist
       hauptberuflicher Soldat und erarbeitet für einen regierungsnahen Thinktank
       verteidigungspolitische Konzepte, zuletzt eines über die Kooperation des
       Militärs mit paramilitärischen Einheiten. Das haben sie dem
       Verteidigungsministerium vorgelegt. Dass er selbst im Wald mit Rekruten den
       Krieg trainiert, davon erzählt er weder seinen Chefs beim Thinktank noch in
       der Armee. Es wird nicht so richtig klar, warum eigentlich nicht. Finden ja
       alle gut.
       
       Bartosz Król heißt eigentlich anders, er möchte nicht, dass sein echter
       Name in der Zeitung steht. Auf die Frage, warum, wird er ungenau. Spricht
       von Angeboten, als Söldner zu arbeiten. Von Geheimdiensten, die angeblich
       wissen wollen, wie das Innere der Paramilitärs funktioniert. Auch wir, das
       Reporterteam, werden lange auf Abstand gehalten, bis irgendwann ein
       hochrangiger Organisator befindet, wir seien in Ordnung – keine Spione.
       
       Bartosz Król kniet auf dem Waldboden und hantiert mit bunten
       Flaschendeckeln. Zehn an der Zahl, so viel wie Soldaten in seiner
       Übungsgruppe und Rollen in einer Einheit. Strategieunterricht. Die Rekruten
       sollen lernen, als Gruppe zu reagieren, falls der Feind sie attackiert.
       Król teilt die Rekruten ihrem Flaschendeckel zu: Da sind die Angreifer, die
       Deckung, der Sanitäter. Und der Anführer. Von seinen Kommandos hängt ab, ob
       sie als Einheit funktionieren.
       
       Als der Krieg beginnt, werfen sie sich auf den Boden, hocken sich in
       Büsche, machen sich bereit dafür, einen Bunker zu erstürmen, in dem der
       Feind wartet. Zehn Männer rufen: „Peng! Peng!“
       
       Munition ist zu teuer.
       
       Ein Rekrut zündet eine Rauchgranate, will sie zum Bunker werfen, an einer
       Birke prallt sie ab und fällt dem Rekruten vors Gesicht.
       
       Die Rauchgranate: zum Glück nur ein billiger Böller.
       
       Der Bunker: gestapelte Äste.
       
       Król: enttäuscht.
       
       „Ihr seid alle tot“, ruft er. Die Rekruten werfen sich auf den Boden.
       
       Bartosz Król wollte Basketballspieler werden. Die Körpergröße stimmte, die
       Leistung auch, ein deutsches Team kaufte ihn als Nachwuchsspieler ein.
       Dort, im Harz, musste Król lernen: Sein Talent reichte nicht. Und deutsche
       Spieler schauten auf Osteuropäer wie ihn herab. Dabei sind es doch die
       Deutschen, denen nichts wichtiger ist als ein neues iPhone, findet Król.
       Der starke Sozialstaat, sagt er, mache die Deutschen schwach, gibt ihnen zu
       viel Geld für nichts. Król will nicht, dass die Polen schwach sind.
       
       Was ist polnisch? „Unsere Sprache. Die Art, wie wir unsere Ferien
       verbringen. Geschichte.“ Campen und Kanufahren meint er damit. Mehr fällt
       ihm nicht ein. Aber das will er verteidigen. Gegen Flüchtlinge zum
       Beispiel, von denen es in Polen fast keine gibt. Król ist überzeugt, dass
       sie sich nicht integrieren können.
       
       ## Der Warschauer Aufstand als Bezugspunkt
       
       Polnisch ist aber auch, dass die Geschichte an Häuserwänden und auf
       T-Shirts klebt, ein goldgekrönter Adler, das Staatswappen. Überall im Land
       erinnern Tafeln an die Helden der jüngeren Geschichte, die sich als
       Widerstand organisierten und so die Wehrmacht vertrieben. Der Warschauer
       Aufstand im Spätsommer 1944. 300.000 Menschen hatten sich der Armija
       Krajowa angeschlossen, der Heimatarmee, einer der größten Untergrundarmeen
       der europäischen Geschichte. Auf diese berufen sich die heutigen
       Paramilitärs.
       
       Manche betreiben einen regelrechten Personenkult um die Kämpfer von damals.
       Einige der Paramilitärs aus Mrozy etwa trafen kurz vor dessen Tod einen
       greisen General, der lange im Exil war, hingen an seinen Lippen und küssten
       die Silbermedaille, die ihm für sein Lebenswerk als Kriegsheld verliehen
       worden war.
       
       Am Ende unterlag die Armija Krajowa der Wehrmacht, Warschau wurde komplett
       zerstört, zehntausende Polen starben. Die sowjetische Armee sah zu und
       marschierte anschließend ein, so die polnische Sicht. Die Untergrundkämpfer
       flohen ins Exil und ließen die Legende vom kurzzeitig befreiten Polen
       zurück.
       
       Heute steht Polen in ökonomischer Hinsicht blendend da, die Wirtschaft
       wächst, die Arbeitslosigkeit sinkt, die Regierung modernisiert ihr Land mit
       den Fördermillionen der EU. Sie baut Schulen, Spielplätze und Autobahnen –
       und privatisiert sie dann. Aber: Während die Mieten steigen, stagnieren die
       Löhne. Angestellte sind häufig nicht sozial abgesichert und können sich
       deshalb die neuen Schnellzüge und Autobahnen gar nicht leisten. Ihr Unmut
       gipfelte in der Parlamentswahl 2015, als die Rechtspopulisten gewannen. Die
       Idee, dass ein geeintes Europa Wohlstand für alle schafft, sie scheint hier
       tot.
       
       ## Die Kunst der Überlebens
       
       Der polnische Mythos von der Aufopferung für das Vaterland ist es nicht.
       Der polnische Mythos ist die Kunst des Überlebens, was auch immer gerade
       passiert. Nur, was soll man überleben, wenn es gar keine Bedrohung gibt?
       
       Damian Duda, 28 Jahre alt, will sich als Kämpfer präsentieren. Keine Fragen
       zum Privatleben. Nur ein Treffen in der Hochschule von Lublin, einem
       barockem Bau, wo er unterrichtet. Fachgebiet: nationale Sicherheit.
       Draußen: die Stadt, die unter Stalin kurzzeitig Hauptstadt war und wo
       später, 1980, die Streiks begannen, aus der schließlich die
       Solidarność-Bewegung wurde.
       
       Drinnen: gelb verputzte Wände, Stuck, Lamellenvorhänge und ein Mann in
       Uniform, der seine schusssichere Weste und seine Glaubert BRS 99, ein
       Sturmgewehr, auf einen Tisch drapiert, eine seiner elf Schusswaffen. Damian
       Duda ist der stellvertretende Chef der Legia Akademicka, eines Verbands,
       der an der Universität angesiedelt ist. Knapp 1.000 junge Polinnen und
       Polen trainieren hier.
       
       Er geht in die Knie. Du musst schnell sein. Mit einer Hand weiter schießen,
       mit der anderen, hinter dem Rücken, das Magazin hervorziehen, um es
       schnellstmöglich auszutauschen. Das musst du üben, besser als die Soldaten,
       die sind zu langsam, zu faul. Wenn du genug übst, geht das ganz leicht.
       Eigentlich. Das Magazin klemmt. Damian Duda ruckelt an seinem Sturmgewehr
       herum. „Fertig“, ruft er.
       
       „Wenn ich eine Waffe in der Hand halte“, sagt Damian Duda, „fühle ich
       Frieden.“ Ob er schon mal auf jemanden geschossen hat? Nein. Aber er war
       dabei, als andere erschossen wurden. In der Ukraine. Und in Syrien, Rojava,
       dort wo die Kurden kämpfen. Gerade ist er aus dem Irak zurückgekehrt.
       
       Er ist Sanitäter und reist in Kriegsländer, um Kämpfern zu erklären, wie
       sie an der Front überleben. Das darf ein polnischer Staatsbürger. Kämpfen
       nicht. Und die Aufnahmen, Videos und Fotos, die ihn mit Waffen nahe der
       Front zeigen? „Selbstverteidigung“, sagt er.
       
       „Für manche Menschen ist Krieg wie eine Droge.“
       
       Und für Sie?
       
       „Ich kann kein normales Leben mehr leben, Bier trinken, in Clubs gehen, so
       etwas.“
       
       Von Lublin aus sind es wenige Stunden bis in die Ostukraine.
       
       ## Low-Budget-Soldaten
       
       Damian Duda hat Kunstgeschichte und Geschichte studiert, seit fünf Jahren
       ist er bei der Legia Akademicka. Er sagt: „Es ist wichtig, unsere
       Geschichte zu kennen.“ Aber auch: „Ein Geschichtsbuch kann ich lesen, wenn
       meine Waffe gesäubert ist.“ Auch an Schulen gibt er Militärtrainings, ein
       reguläres Unterrichtsfach. Im Sommer laden sie zu Kinderfesten ein, Waffen
       zum Anfassen.
       
       Schon die Vorgängerregierung hatte überlegt, wie sie Paramilitärs einbinden
       soll. Zehntausende Männer und Frauen könnten im Notfall helfen, Häusern zu
       evakuieren, Lager aufzubauen und zu sichern. Sandsäcke stapeln, wenn ein
       Fluss über die Ufer tritt. Die neue rechtspopulistische Regierung geht
       diese Zusammenarbeit nun an.
       
       Doch das Verteidigungsministerium will die Paramilitärs nicht nur bei
       zivilen Krisen einsetzen. Sondern auch bei militärischen Konflikten, als
       Teil der nationalen Verteidigungsstrategie. Die Gruppen sollen von
       Angehörigen der Armee trainiert werden. Jeder Kämpfer bekommt 120 Euro im
       Monat – deutlich weniger als die Berufssoldaten –, Ausrüstung, Waffen. Mehr
       als 800 Millionen Euro lässt sich das die Regierung in drei Jahren kosten.
       
       Damian Duda und seine Gruppe sind dabei, 16 Tage Grundausbildung haben sie
       bereits absolviert, jeden Monat wird ein Wochenende dazukommen, ein Jahr
       lang. Die Regierung, die in den ersten anderthalb Jahren ihrer Amtszeit
       massiv Grundrechte eingeschränkt hat, lässt jetzt bewaffnete Zivilisten
       trainieren. Es sind Low-Budget-Soldaten.
       
       Es ist nicht der erste Versuch. Beim „Anakonda“-Manöver – durchgeführt von
       Polen und weiteren Staaten, vor allem aus der Nato – marschierten
       vergangenen Sommer nicht nur Soldaten an der polnischen Ostgrenze auf. Auch
       Króls Leute und Damian Duda, der in Syrien Milizen trainierte, waren dabei.
       Die Auswahl der Teilnehmer, sagt ein Nato-Sprecher, oblag allein Polen.
       Alle Teilnehmer, sagt das polnische Verteidigungsministerium, wurden vorab
       von Sicherheitsbehörden überprüft. Trotzdem nahm auch Michał Prokopowicz
       teil – der Paramilitär aus Krakau, der schon einmal eine Nato-Flagge
       verbrannt hat.
       
       ## Wider die Globalisierung
       
       Wenn Michał Prokopowicz ein Bier trinken geht, drehen sich die anderen nach
       ihm um. Er sitzt in einer Studentenbar im Zentrum Krakaus, mit akkurat
       gescheitelten blonden Haaren, blauen Augen, kantigem Kinn, in Uniform, und
       redet über Adolf Hitler, der ja auch Sozialpolitiker gewesen sei. Er redet
       darüber, dass die Amerikaner mit ihren Militärbasen bis heute Deutschland
       besetzten. Dass die Globalisierung die Nationalstaaten zerstöre.
       
       Prokopowicz ist Mitglied der faschistischen Organisation Falanga. Er hat
       auch am Grundsatzprogramm der pro-russischen Partei Zmiana mitgeschrieben,
       doch ist er nach eigenen Angaben dort nicht mehr aktiv. Er konzentriert
       sich jetzt auf seine neue Einheit, rund 100 Jugendliche. Er hat sie
       kürzlich gegründet, weil er aus einer anderen rausgeflogen war.
       
       Prokopowicz’ damaliger Regionalchef stellt es heute am Telefon so dar:
       Michał Prokopowicz sprach immer häufiger bei ihren Treffen über Politik,
       obwohl Paramilitärs sich politisch neutral halten sollen. Seine
       Mitgliedschaft bei der faschistischen Falanga-Gruppe und der prorussischen
       Partei war der Gruppenleitung bekannt, wurde aber zur Privatsache erklärt.
       Doch dann wollten ihn Mitglieder seiner Gruppe bei rechten Demonstrationen
       gesehen haben, in Uniform.
       
       Bei Facebook tauchten Fotos auf. Männer in Uniform, das Gesicht vermummt.
       Es sind Falanga-Mitglieder, sie stehen an der Grenze zur Ukraine, wo sie
       Jagd auf Flüchtlinge gemacht haben sollen. Das Foto, auf dem sie vermummt
       und mit Waffen posieren, haben sie selbst online veröffentlicht. Einer von
       ihnen soll Prokopowicz sein, was er bestreitet. Der Regionalchef löst die
       Krakauer Einheit auf, schmeißt alle Mitglieder raus. Wiedereintreten darf
       nur, wer ohne politische Agenda trainiert. Prokopowicz darf nicht.
       
       ## Als NGO anerkannt
       
       Die Rausgeworfenen gründen ihre eigene Einheit, werden als
       Nichtregierungsorganisation anerkannt, dürfen bei Feiertagen in Krakau
       aufmarschieren. Dass unter ihnen Faschisten und prorussische Nationalisten
       sind, ist für die Stadt kein Problem. Und die Nato-Übung, an der er
       teilnahm? „Theater“, sagt Prokopowicz.
       
       Er behauptet, für das syrische Regime Progandaarbeit betrieben zu haben.
       Für seine Falanga-Freunde, die nach Syrien gereist waren, will er von Polen
       aus so etwas wie das Kommunikationszentrum gewesen sein. Wenn das stimmt,
       bedeutet das: Michał Prokopowicz aus Krakau hat in Syrien die Seite
       unterstützt, gegen die Damian Duda aus Lublin gekämpft haben will – und nun
       sollen sie gemeinsam für die Sicherheit Polens sorgen.
       
       Um ihn herum stellen Studenten Stühle auf für einen Poetry Slam, der später
       in der Bar stattfindet. An so einer Veranstaltung würde Prokopowicz nicht
       teilnehmen, er ist immer ernst. Er spricht mit der Stimme eines
       Überzeugten, sucht Blickkontakt. Er redet von Jobangeboten im Ausland, die
       er abgelehnt habe. Sein Platz, sagt er, ist hier.
       
       Und hier, in Polen, finde eine neue Form von Kolonialismus statt,
       Versklavung der jungen Polen, die nichts besitzen. Sie müssen stark gemacht
       werden, sagt er, jeder einzelne. Allein im letzten halben Jahr sind sechs
       seiner Rekruten im Militär aufgenommen worden.
       
       ## Der unbekannte Feind
       
       Auch nach vielen Gesprächen ist nicht klar: Wen sehen die Paramilitärs
       überhaupt als Feind? Mal sind es die Russen, mal die Islamisten, mal
       Imperialisten, und auch der Name Angela Merkel fällt. Es ist die diffuse
       Idee, die Familie und die Freunde beschützen zu wollen.
       
       Es geht darum, einen Beitrag zu leisten, für ihre Gesellschaft, für ihr
       Polen. Obwohl sie niemand darum bat. Lange hat ihre Gesellschaft sie
       ignoriert, sie mit ihren Waffen durch Wälder kriechen lassen, ohne ihre
       Mühe anzuerkennen. Doch jetzt, mit der neuen Regierung, so glauben sie, ist
       ihre Zeit gekommen.
       
       Sie sagen, sie handeln im Sinne ihrer Nation. Was die Nation will und wer
       dazugehört, davon haben sie ihre ganz eigene Vorstellung. Und auch davon,
       was ihr persönlicher Einsatz im Zweifel wert ist.
       
       „Wenn ich sterbe“, sagt Michał Prokopowicz, „dann im Kampf.“
       
       Die Autorin und der Fotograf wurden durch das Gabriel-Grüner-Stipendium der
       Agentur Zeitenspiegel gefördert.
       
       1 Jun 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christina Schmidt
       
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