# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Die gemeine Murks-Theorie
       
       > Ist die Bundesliga so übel, wie Mario Gomez sagt, oder so
       > fortschrittlich, wie Xabi Alonso meint? Gegensätzlicher könnten die
       > Perspektiven kaum sein.
       
 (IMG) Bild: Der bekannteste Verfechter der Murks-Theorie: Mario Gomez
       
       Es ist auch in dieser Saison wieder sehr viel gesagt worden über den
       Fußball und die Bundesliga. Und manch einer glaubt ja, dass man mit dem
       Reden über den Fußball am besten gar nicht aufhören sollte. Der [1][FC
       Bayern], ein konsequenter Vertreter dieses Glaubens, bietet mittlerweile
       ein eigenes [2][24-Stunden-TV-Programm] an. Aber zwei Statements zum
       Zustand der Bundesliga fallen in dieser Saison doch heraus aus dem
       alltäglichen Gebrabbel, das sich so versendet.
       
       Die Murks-Theorie von Mario Gomez und die Entdeckung des taktischen
       Reichtums durch Xabi Alonso. Gegensätzlicher könnten die Binnenperspektiven
       von zwei gestandenen Akteuren dieser Liga kaum sein. „Mehr Gemurkse als
       sonst was“, beklagte Gomez schon vor Wochen, habe er in der Bundesliga
       festgestellt. Viele Spiele seien „von Druck, Angst, Nervosität und
       Einfach-nur-den-Arsch-retten-wollen“ geprägt. [3][Und Alonso verriet nun
       vor dem letzten Spieltag der Süddeutschen Zeitung], die taktische
       Experimentierlust in Deutschland sei größer denn je. Trainer wie
       Nagelsmann, Tuchel und Nouri seien eine absolute Bereicherung für den
       Fußball hierzulande, der europäischer und weniger deutsch werde.
       
       Ein klarer Fall von Wahrnehmungsstörung? Nur wem von beiden aber ist sie
       zuzuschreiben? Nun haben Gomez und Alonso sehr Unterschiedliches erlebt
       diese Saison. Im Gegensatz zu Gomez war Alonso selten dabei, wenn auf
       beiden Seiten des Spielfeldes gemurkst wurde. Zum anderen liegen die
       Ansichten vielleicht weniger weit auseinander, als es scheint. Vielleicht
       haben gar beide recht. Die taktische Variabilität von Teams mit kleinem
       Etat – an dieser Stelle muss man Christian Streich vom SC Freiburg oder
       auch Maik Walpurgis vom FC Ingolstadt trotz des Abstiegs nennen – hat zu
       einer Nivellierung in der Liga geführt. Und darunter leidet das
       Distinktionsbestreben von Vereinen wie Schalke 04, Bayer Leverkusen oder
       eben von Gomez Team, dem VfL Wolfsburg.
       
       Das Sehnen der finanzstärkeren Klubs, dass ihr Fußball immer ein kleines
       bisschen wenigstens auch nach Bayern München und Glamour aussehen soll,
       wird durch die Wirklichkeit kontrastiert, dass man auf dem Spielfeld kaum
       von Darmstadt 98 zu unterscheiden ist. Man vermag das gegnerische Spiel zu
       zerstören und hin und wieder gelingt auch mal ein Konter. Überfordert ist
       Schalke wie Darmstadt allerdings, wenn es ums Dominieren und Gestalten
       einer Partie geht.
       
       So kann eine Partie zwischen zwei solchen Mannschaften schon zur Zumutung
       werden. Da hat Mario Gomez zweifellos etliches Beweismaterial aus dieser
       Saison in der Hand. Aber Murks ist eben nicht Murks. Selten sind zwei
       Absteigern wie Darmstadt und Ingolstadt so viele Sympathien zugeflogen. Sie
       haben sich auf Augenhöhe mit dem alten Adel der Bundesliga hochgemurkst.
       Einen wirklichen Distinktionsgewinn können neben dem FC Bayern und Dortmund
       nur die Mäzeneklubs aus Leipzig und Hoffenheim verbuchen.
       
       In Wolfsburg und Leverkusen oder auf Schalke vermisst man dagegen
       Innovationskraft. Der Aufsteiger SC Freiburg, mit Platz sieben nun
       Europa-League-Kandidat, hat für einen Spottpreis die Suite mit Blick aufs
       Meer erhalten, die genannten anderen Klubs haben eine horrende Summe
       aufgebracht, um sich nun das Zimmer mit Blick auf die Straße zu teilen.
       
       21 May 2017
       
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