# taz.de -- Kolumne Helden der Bewegung: Der Arschhebelmann
       
       > Für 8,5 Millionen Euro kam Pierre-Michel Lasogga einst zum HSV. Andere
       > haben ein goldenes Füßchen, dieser Stürmer hat Hüftgold.
       
 (IMG) Bild: Seltener Torjubel: Pierre-Michel Lasogga
       
       Im deutschen Sport hat sich eine Art regionaler Subtypus etabliert, ähnlich
       dem dicken Bayern in kurzen Hosen in der Volksmusik oder dem frisurbegabten
       jungen Mann aus Österreich im Pop: das Berliner Babyface. Es zeichnet sich
       aus durch eine leichte Fülle um die Hüfte und eine leichte Leere im Blick.
       Im Handball wird es vertreten von Paul Drux, in der Leichtathletik durch
       Robert Harting, im Boxen präludierte Axel Schulz das Phänomen.
       
       Fußballerisch relevant ist an dieser Stelle Pierre-Michel Lasogga, auch
       wenn das diverse Hertha-Fans anders sehen werden. Eine ähnlich selige
       Ungläubigkeit wie die Saisonverläufe unter Dardai löst in Hertha-Kneipen
       regelmäßig die Erinnerung daran aus, dass der HSV einst 8,5 Millionen Euro
       für Lasogga überwies; in diese Summe passt Salomon Kalou quasi fünfmal
       rein. Klar, Lasogga mochte man hier; jetzt, wo der HSV das dicke Gehalt
       überweist, mag man ihn allerdings noch ein Stück lieber.
       
       Lasogga ist (obwohl in Gladbeck geboren) das Ideal des Berliner Babyface,
       denn zu seinen Pausbacken kommt noch die entsprechende Mutter. Und
       tatsächlich ist Kerstin Lasogga ein Phänomen: Starke Frauen haben es im
       Fußball-Boulevard eher schwer, wo Spielerfrau häufiger ein Karrieremerkmal
       zur Monetarisierung eines Instagrams-Accounts zu sein scheint.
       
       Die Geringschätzung und Verachtung, die Claudia Effenberg, Gaby Schuster,
       Angela Häßler und Martina Illgner entgegenschlugen, zeugt von der
       tiefsitzenden Angst vor Frauen, die mehr darstellen als sonnenbebrilltes
       Halbzeitpausen-Füllbildmaterial.
       
       ## Vom Hinterschinken zur Seite geschoben
       
       Von diesen sogenannten starken Spielerfrauen gibt es aktuell nur mehr
       wenige, und Kerstin Lasogga ist die große Ausnahme. Es hat ihr nicht einmal
       geschadet, zu Beginn der Saison vor versammelter VIP-Lounge Dietmar
       Beiersdorfer zusammengefaltet zu haben, weil ihr Sohn auf der Tribüne hatte
       Platz nehmen müssen. Man versteht so etwas inzwischen, die Figur der
       präsenten Mutter ist aktuell dank der Kardashians und Katzenbergers medial
       recht präsent.
       
       Andere haben ein goldenes Füßchen, Lasogga hat Hüftgold. Wie kaum ein
       anderer schafft er es, bei hohen Bällen seinen Arsch derart in den
       Gegenspieler hineinzuschieben, dass bei jenem der Eindruck entstehen muss,
       er sei gerade auf einen Kreisverkehr aufgefahren und hänge jetzt mit drei
       Rädern in der Luft, während sich um ihn herum die Welt weiterdreht. Der
       Tunnel gilt im Fußball als die schlimmste Demütigung für einen Verteidiger;
       unverständlicherweise, denn was kann frustrierender sein, als von einem
       Stück Hinterschinken zur Seite geschoben zu werden?
       
       Dieses Hebelverfahren ist Lasoggas signature move, er ist der
       Arschhebelmann. Im Zeitalter der Polyvalenz baut Lasogga auf ein klar
       definiertes Profil. Das freilich hat sich als problematisch herausgestellt,
       denn – wohl auch im Vertrauen auf Lasoggas Qualitäten – der HSV hat in den
       vergangenen Spielzeiten die Fähigkeit verloren, ein Spiel zu gestalten.
       Hohe Bälle vorne rein, und dann dings. Wozu das Stück Rasen gut sein soll
       zwischen Mittellinie und gegnerischem Sechzehner, hat sich der Mannschaft
       in den letzten Jahren nicht so recht erschlossen. Und wenn sich da dann der
       Gegner hinstellt, sind Erstaunen und Missmut groß.
       
       Diese Einfallslosigkeit in der Offensive hat sich zwar diese Saison mit
       Bobby Woods fortgesetzt, exemplarisch dafür steht aber Lasogga. Wo andere
       einen Pass von 25 Metern sehen, sieht er erst mal ein Problem. Es spricht
       allerdings deutlich für ihn, dass er sich davon kaum beeindrucken lässt;
       Wille und Einsatzbereitschaft bei Lasogga sind vorbildlich. Den Arsch, den
       er hat, reißt er sich in jeder Minute auf. Im Grunde ist Pierre-Michel
       Lasogga also ein klassischer, nein: ein ausgezeichneter Zweitligaspieler.
       
       20 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederic Valin
       
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