# taz.de -- Wachsender Antiziganismus: Unter Pauschalverdacht
       
       > Roma sind in Berlin umfassender Diskriminierung ausgesetzt, nicht zuletzt
       > durch Behörden. Der Verein Amaro Foro dokumentiert die Zunahme
       > antiziganistisch motivierter Vorfälle.
       
 (IMG) Bild: Demo gegen Antiziganismus 2013 in Berlin
       
       „Die sollen zurück nach Rumänien, die haben hier keine Ansprüche“, lautete
       der Satz, den die Mitarbeiterin eines Jobcenters einer
       leistungsberechtigten rumänischen Familie entgegenschmetterte. Kein
       Einzelfall, wie der Verein Amaro Foro dokumentiert.
       
       Die interkulturelle Jugendselbstorganisation von Roma und Nicht-Roma
       erfasst seit 2014 antiziganistische und diskriminierende Vorfälle gegenüber
       Roma und Menschen, die für Roma gehalten werden. 146 solcher Vorfälle
       wurden 2016 gemeldet, im Vorjahr lag diese Zahl noch bei 117. „Die
       Dunkelziffer ist unserer Meinung nach aber um einiges höher“, so
       Projektkoordinatorin Diana Botescu.
       
       ## 568 Vorfälle
       
       Zusätzlich wurden in diesem Jahr diskriminierende Medienberichte,
       Äußerungen in Kommentarspalten und Social-Media-Beiträgen dokumentiert.
       Insgesamt kommt der Verein so auf eine Zahl von 568 Vorfällen.
       
       „Roma oder Menschen, die dafür gehalten werden, erleben in Berlin eine fast
       umfassende und vor allem zunehmende Diskriminierung. Dies betrifft
       besonders den Kontakt zu Leistungsbehörden wie Jobcentern oder
       Familienkasse“, so Botescu. Der Umgang mit Antragssteller*innen sei von
       einem pauschalen Betrugsverdacht geprägt. Das schlage sich in
       Antragsablehnungen, langen Wartezeiten, antiziganistischen Beleidigungen
       und anderen Schikanen nieder. Betroffene erlebten neben diskriminierendem
       Verhalten durch einzelne Sachbearbeiter*innen auch institutionelle
       Diskriminierung. Die Bearbeitungszeit von Anträgen auf Kindergeld
       rumänischer und bulgarischer Staatsbürger*innen läge derzeit bei etwa
       anderthalb Jahren.
       
       ## Konten werden verweigert
       
       In zahlreichen Episoden dokumentiert der Bericht Diskriminierung in allen
       gesellschaftlichen Bereichen: auf der Straße, bei der Kontoeröffnung, die
       häufig verweigert wird, auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt, bei
       medizinischer Versorgung und in Schulen.
       
       Besonders dramatisch sei die Situation für Geflüchtete. Der Bericht von
       2016 erfasst erstmals die Lebensrealitäten von Roma-Asylbewerber*innen aus
       der Westbalkan-Region. Die Asylrechtsverschärfungen der Jahre 2014 und 2015
       und die Erklärung von vielen Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern
       führten in der Praxis zu Asylschnellverfahren, in denen auf
       Einzelfallprüfung verzichtet werde. Rassistische Diskriminierung der Roma
       in ihren sogenannten Heimatländern würde ignoriert. Menschen vom Westbalkan
       würden auch in Berlin in separaten Lagern untergebracht und möglichst
       schnell abgeschoben. Auch von der Abschiebung einer Minderjährigen, die aus
       der Grundschule abgeholt wurde, berichtet Mitarbeiterin Violeta Balog.
       
       Teil der Dokumentation ist außerdem ein Berliner Medienmonitoring. Von 130
       ausgewerteten Artikeln wurden 63 als diskriminierend qualifiziert, darunter
       auch Texte, die in der taz erschienen sind. Einer davon reproduziere das
       Bild des Nomadentums – angesichts der Tatsache, dass 95 Prozent aller Roma
       sesshaft seien, ein überholtes und diskriminierendes Klischee, erklärt
       Andrea Wierich, zuständig für das Medienmonitoring. Ein anderer taz-Artikel
       übertrage unkritisch Eigenschaften einzelner auf alle Roma. Dies sei
       ebenfalls typisch für stereotype Berichterstattung, die die Diskriminierung
       verstärke.
       
       30 May 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anne Pollmann
       
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