# taz.de -- Koalitionsgespräche in Kiel: Volle Fahrt nach Jamaika
       
       > Für CDU, Grüne und FDP soll es in Kiel jetzt schnell gehen auf dem Weg
       > zur Koalition. Der Grüne Habeck gibt derweil Parteifreund Trittin Kontra.
       
 (IMG) Bild: Wollen keine „Gockeleien“, eigentlich: die Verhandlungsführer der Grünen Monika Heinold und Robert Habeck
       
       Kiel taz | Nun soll alles ganz flott gehen. In dieser Woche beginnen in
       Kiel die Verhandlungen von CDU, Grünen und FDP über die Bildung einer
       Jamaika-Koalition. Keine zwei Wochen später, am 13. Juni, soll der Vertrag
       bereits vorliegen. In nur vier thematischen Runden wollen die Parteien ihre
       in etlichen Punkten unvereinbar scheinenden Differenzen lösen.
       Vorsichtshalber aber ist noch ein Reservetermin vorgesehen. Sollten
       anschließend ein CDU-Parteitag sowie in Mitgliederentscheiden die Basis von
       Grünen und Gelben zustimmen, soll die neue Regierung am 28. Juni im Landtag
       gewählt werden.
       
       Zuvor aber gilt es, sich unideologisch anzunähern. In der Finanz- und
       Haushaltspolitik, erster Verhandlungspunkt am Donnerstag, ist eine rasche
       Einigung zu erwarten. Alle drei Parteien wollen ausgeglichene Haushalte.
       Die bundesweit sprudelnden Steuermehreinnahmen sind da hilfreich, wecken
       aber auch Begehrlichkeiten. Die grüne Verhandlungsführerin Monika Heinold
       indes, seit fünf Jahren knochentrockene Finanzministerin, wird sich keinen
       Zentimeter mehr bewegen als unumgänglich.
       
       Ein veritables Problem in der Innen- und Flüchtlingspolitik ist der
       bestehende Abschiebestopp nach Afghanistan, den CDU und FDP aufheben
       wollen. Die grüne Fraktionschefin Eka von Kalben, die neben Heinold,
       Bisher-Umweltminister Robert Habeck und Parteichefin Ruth Kastner das grüne
       Verhandlungsquartett bilden, [1][bezeichnete das in der taz.nord als
       „inhuman“]. In diesem Punkt wird vor allem die CDU, die das
       Innenministerium für sich beansprucht, über ihren Schatten springen müssen.
       
       Ein weiterer Streitpunkt dürfte die Sozialpolitik werden. Habeck sieht die
       grüne Perspektive in einer Jamaika-Koalition darin, „linker zu werden“.
       Dazu dürfte im Bunde mit CDU und FDP auch eine grüne Übernahme der
       Sozialpolitik gehören. Hier aber muss die Partei ihr Profil erst noch
       schärfen. Und das Sozialressort werden die Grünen kaum bekommen – das will
       FDP-Landeschef Heiner Garg, der den Posten bereits in der schwarz-gelben
       Landesregierung von 2009 bis 2012 bekleidete. Und Heinold und Habeck wollen
       dort bleiben, wo sie sind: im Finanz- sowie im Umwelt- und
       Energieministerium.
       
       Teils erhebliche Differenzen gibt es zwischen den drei Parteien zudem in
       der Verkehrs- und Energiepolitik, bei der Landwirtschaft und in der
       Schulpolitik. CDU-Ministerpräsident in spe Daniel Günther will das
       achtjährige Turboabitur möglichst rasch und flächendeckend wieder
       abschaffen, Grünen-Fraktionschefin Kalben indes warnt vor „neuen Debatten
       über die Schulstruktur“.
       
       ## Konflikte sind lösbar
       
       Bei gutem Willen aller Beteiligten scheinen die Konflikte aber lösbar.
       „Wenn man es wirklich will, findet man auch inhaltliche Lösungen“, glaubt
       Habeck. FDP-Mann Garg bekräftigt: „Die Bereitschaft, an einem Strang zu
       ziehen, ist bei allen Partnern da.“ Auch menschlich kommen alle
       Spitzenleute, trotz früherer Rivalitäten, miteinander klar.
       
       Habeck kritisierte in der Welt am Sonntag vielmehr seinen Parteifreund
       Jürgen Trittin, der der FDP zu einer Ampelkoalition in Kiel geraten hatte:
       „Wenn man zwei große Partner zur Auswahl hat, dann nimmt man den kleineren,
       dann hat man mehr vom Kuchen.“ Diese Aussage, so Habeck, habe eine Ampel
       „faktisch verbaut“. „Wer Politik zum Machtgeschacher erklärt, verliert jede
       Glaubwürdigkeit.“
       
       Klar ist: Das Jamaika-Bündnis wird Disziplin brauchen, für überzogene
       Profilierungsversuche wird kein Platz sein. Habeck warnt deutlich vor
       „Gockeleien“, speziell an die Adresse der FDP und ihrer Allzweckwaffe
       Wolfgang Kubicki gerichtet. Daniel Günther sagte deshalb zu, alle Partner
       würden sich im Koalitionsvertrag hinreichend wiederfinden: „Wir werden auf
       Augenhöhe miteinander arbeiten.“
       
       Für den Fall, dass „Jamaika“ scheitert, droht eine Neuwahl. Denn die
       Alternativen – Große Koalition oder rot-grün-gelbe Ampel – haben SPD und
       FDP vehement ausgeschlossen.
       
       Für die Aufhebung des Landtags indes ist eine Zweidrittelmehrheit
       notwendig: Neben den Jamaika-Partnern müssten auch noch SPD oder AfD
       mitmachen. Die SPD aber hat bereits erklärt, dafür nicht zur Verfügung zu
       stehen, und auf die Hilfe der Rechtspopulisten will niemand setzen. Dann
       bliebe die abgewählte Küstenkoalition aus SPD, Grünen und SSW noch bis nach
       der Bundestagswahl am 24. September geschäftsführend im Amt. Das aber will
       auch niemand. Der Zwang zu „Jamaika“ ist also mächtig.
       
       29 May 2017
       
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