# taz.de -- Rohstoffe im Jahre 2049: Weniger, schlauer, besser verbrauchen
       
       > Mit seiner Ressourcen-Studie gibt das Freiburger Öko-Institut eine
       > umfängliche Problembeschreibung unseres Rohstoffhungers.
       
 (IMG) Bild: Insgesamt werden in Deutschland jährlich rund 50 Millionen Tonnen Kies und Sand allein für den Wohnungsbau verbraucht
       
       Berlin taz | Kleines Spielchen gefällig? Welches Wort passt nicht in diese
       Reihe: Kies, Neodym, Gips? Neuer Versuch: Stahl, Steine, Zinn?
       Wahrscheinlich haben Sie es schon erraten: Keines fällt raus, sie passen
       alle, denn alle sind für unseren Alltag wesentliche Rohstoffe. Damit sind
       Problem und Herausforderung des mehrjährigen Projekts des Öko-Instituts
       beschrieben, das nun in dem großen Abschlussbericht [1][„Deutschland 2049 –
       Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Rohstoffwirtschaft“] gemündet ist.
       
       Dieser befasst sich mit den Folgen des immensen Rohstoffverbrauchs im
       Industrieland Deutschland und macht Lösungsvorschläge, ihn zu senken. Dabei
       nimmt das Institut notwendigerweise beinahe die gesamte Wirtschaft und
       Gesellschaft in den Blick. Am Donnerstag hat es den Bericht der
       Öffentlichkeit vorgestellt.
       
       Gut zehn Autoren haben daran mitgearbeitet. In Bezug auf Umfang und
       Finanzierung ist das Projekt für das Öko-Institut etwas Besonderes:
       Normalerweise sind die Untersuchungsgegenstände seiner rund 120
       Wissenschaftler deutlich enger gefasst. Finanziert werden die Arbeiten von
       den Auftraggebern aus Industrie, Verwaltung, Politik oder Organisationen.
       Der Bericht zur Rohstoffwende hingegen ist ein Eigenprojekt des Instituts,
       aus Bordmitteln finanziert, um die „vielen Fragmente, an denen wir
       arbeiten, einmal in ein großes Ganzes zu stellen“, so Projektleiter
       Matthias Buchert.
       
       Entlang der vier „Bedürfnisfelder“ Mobilität, Wohnen, Arbeiten sowie
       Information und Kommunikation werden Szenarien für den Verbrauch ganz
       unterschiedlicher Rohstoffe ermittelt, vom gängigen Massenrohstoff Kies aus
       der Grube um die Ecke bis zum seltenen Industriemetall Neodym aus China.
       Der Bericht liefert nicht die eine Zahl, mit der sich die
       Rohstoffproduktivität messen ließe: „Es ist nicht sinnvoll, Massenrohstoffe
       wie Sand und Kies nach denselben Kriterien zu beurteilen wie seltene
       Industriemetalle“, sagt Buchert.
       
       Zwei Beispiele: Wie viel Kies ist unter welchen Rahmenbedingungen nötig, um
       Straßen zu bauen, Wohn- und Geschäftsgebäude? Neben Sand ist Kies der
       wichtigste Massenrohstoff in Deutschland. Das Öko-Institut bewertet
       Kiesgruben als mäßig kritisch, weil sie Flächen verbrauchen und die
       Landschaft zerstören. Diese negativen Auswirkungen der Gewinnung ließen
       sich nur durch eine „Dämpfung der nachgefragten Primärmenge“ verringern,
       schreiben die Forscher und halten es für möglich, im Jahr 2045 mit fast der
       Hälfte des heutigen Verbrauchs auszukommen. Derzeit werden in der
       Bundesrepublik rund 57 Millionen Tonnen Kies eingesetzt, in 30 Jahren
       sollen es nur noch 23 Millionen sein.
       
       ## Sanierung ist günstiger
       
       Gelingen soll dies durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die dazu führen,
       den vorhandenen Gebäudebestand länger zu nutzen und neuen Wohnraum
       insgesamt effizienter zu schaffen. So wird ein „Gebäude-Check“
       vorgeschlagen, ähnlich dem TÜV beim Auto. „Bislang reagiert die Bauaufsicht
       erst, wenn die Dachziegel vom Haus fallen und Passanten gefährden“, sagt
       Buchert. Künftig könnten alle paar Jahre Prüfer Gebäude besichtigen und
       einen Zustandsbericht anfertigen, Schäden könnten frühzeitig erkannt und
       repariert werden. „Für eine Sanierung sind mindestens 80 Prozent weniger
       Rohstoffe nötig als für einen Abriss und Neubau“, so Buchert.
       
       Weitere Vorschläge: Keine neue Straßen mehr ab 2030, Mehrfamilien- sollten
       den Vorzug vor Einfamilienhäusern bekommen und Letztere verstärkt aus Holz
       gebaut und neben nachwachsenden Rohstoffen vermehrt Recyclingmaterial
       eingesetzt werden; derzeit kaum messbar, soll der Anteil von
       wiederverwertetem Beton auf 10 Prozent steigen.
       
       Ganz anders sehen die Vorschläge im Fall von Neodym aus. Zwar wird dieser
       Industrierohstoff mit den stark magnetischen Eigenschaften nur in kleinen
       Mengen eingesetzt – derzeit liegt der Verbrauch bei deutlich unter 500
       Tonnen im Jahr. Dafür sind die Folgen der Gewinnung schwerwiegend. Dabei
       fallen radioaktive Metalle wie etwa Thorium an, außerdem große Mengen
       toxischer Schlämme, die Böden und Grundwasser der Bergbauregionen
       vergiften. Im Hauptförderland China herrschen im Bergbau zudem schlechte
       Arbeitsbedingungen und Korruption.
       
       Anders als beim Kies geht es dem Öko-Institut hier nicht darum, die Mengen
       absolut zu senken, sondern die Förderung des Metalls zu verbessern. Hier
       empfiehlt es, die rechtlich verbindlichen unternehmerischen
       Sorgfaltspflichten auszuweiten sowie Zertifizierungssysteme für Rohstoffe,
       ähnlich der Regulierung für Konfliktmineralien in der EU, zu etablieren.
       Wichtig sei, „dass je nach Rohstoff (-cluster) maßgeschneiderte
       Instrumente zum Einsatz kommen“, heißt es in dem Bericht. Gegenstand
       künftiger Untersuchungen müsse es sein, ob die Zertifizierungen gesetzlich
       vorgeschrieben oder besser freiwillig erfolgen sollten, zudem müssten
       „Unternehmen und Konsumenten bereit sein, in menschenrechtlich und
       ökologische Standards zu investieren und den damit verbundenen höheren
       Preis zu bezahlen“.
       
       ## Panikartige Reaktionen
       
       Das Öko-Institut präsentiert seinen Rundumschlag in einer Zeit, in der das
       Ressourcenthema wieder in die Fachöffentlichkeit zurückgedrängt wird.
       Während die Knappheit von Seltenen Erden 2011 „fast panikartige Reaktionen“
       heraufbeschworen habe, sagt Buchert, beschäftigt es heute wieder die
       Nachhaltigkeitsabteilungen in den Firmen und die ökologisch und sozial
       interessierte Forschung und Zivilgesellschaft.
       
       Hermann E. Ott vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie hat
       während seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter für die Grünen in der
       Wachstumsenquete des Bundestags gearbeitet – und also Erfahrungen mit der
       Rezeption eines Mammutberichts, der den Ressourcenverbrauch in Deutschland
       auf allen Ebenen eindämmen möchte. „Unser Abschlussbericht hat weniger
       Resonanz gefunden, als möglich gewesen wäre“, sagt er, „aber die Themen
       fließen immer noch ein in Forschungsprojekte.“
       
       Dabei hätten es grundsätzlich alle Vorschläge schwer, die in Verboten oder
       Regelungen mündeten. „Nur mit Aufklärung, Überzeugungsarbeit und
       ‚anstupsen‘ bekommen sie das Problem aber nicht in den Griff.“ Dessen
       unbeirrt greift das Öko-Institut auf alle Instrumente zurück, mit denen
       sich Produktion und Konsum nachhaltiger gestalten ließen: das Planungs-,
       Steuer- und das Ordnungsrecht, ökonomische Mittel genauso wie Information
       und die Aufforderung zur Selbstregulierung. Das Ziel, das Buchert
       formuliert, ist so einfach wie groß: „Die negativen Einflüsse der
       Rohstoffnachfrage müssen deutlich zurückgehen“.
       
       18 May 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Abschlussbericht_D2049.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
       
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