# taz.de -- Mafia verdient an Aufnahmecamps: Das Business mit den Flüchtlingen
       
       > 32 Millionen soll ein Mafiaclan in Süditalien beim Betrieb eines
       > Flüchtlingslagers für sich abgezweigt haben. Der Staat schaute jahrelang
       > weg.
       
 (IMG) Bild: Soldaten patroullieren im Flüchtlingscamp Isola Capo Rizzuto
       
       Rom taz | Ein Priester, ein katholischer Manager und ein Mafiaclan sollen
       einträchtig über Jahre hinweg in Süditalien Millionen mit einem
       Flüchtlingslager verdient haben. Zu Wochenbeginn hat die Staatsanwaltschaft
       Crotone gleich 68 Haftbefehle ausgestellt, wegen Bildung einer mafiösen
       Vereinigung, Betrug, Unterschlagung.
       
       In Haft sitzen jetzt die Betreiber des Aufnahmecamps in der kalabrischen
       Kleinstadt Isola Capo Rizzuto, das 1.200 Menschen Platz bietet, ebenso wie
       die örtlichen Mafiosi von der ’Ndrangheta. Sie sollen mit dem
       Flüchtlingsbusiness seit 2006 rund 32 Millionen Euro beiseite geschafft
       haben. Die Schlüsselfigur ist der örtliche Pfarrer Edoardo Scordio, der
       seinerzeit die religiöse Bruderschaft „Misericordia“ („Barmherzigkeit“) aus
       der Taufe hob und mit dem Verein den Zuschlag zur Verwaltung des
       Flüchtlingslagers erhielt.
       
       Als Manager berief der fromme Mann Leonardo Sacco, von dem ein Kronzeuge
       behauptet, dieser sei der illegitime Sohn des Priesters. Zu verlässlichen
       Geschäftspartnern bei Lieferungen für das Lager und der Auswahl der
       Beschäftigten avancierten die Mitglieder der örtlichen Mafiafamilie Arena.
       
       „Essen, wie man es normalerweise nur an Schweine verfüttert“, sei den
       Migranten gegeben worden, so Staatsanwalt Nicola Gratteri. Das
       Geschäftsmodell beschrieb er so: „Als sich 500 Menschen im Lager befanden,
       wurden Mittags nur 250 Essenportionen geliefert, wer leer ausging, konnte
       nur hoffen, am Abend etwas abzubekommen, während der Priester, der Manager,
       die Mafiabosse Kinos, Theater, Villen, Luxusautos, Luxusyachten erwarben.“
       
       ## Fürstliche Bezahlung
       
       Die Staatsanwälte rechnen vor, dass die Flüchtlinge den Staat von 2006 bis
       2017 etwa 100 Millionen Euro kosteten und dass von dieser Summe etwa 32
       Millionen Euro in den Kassen der Mafiabosse landeten. Und da im Lager
       einfach alles – oft genug mit Scheinrechnungen – fürstlich bezahlt wurde,
       fand der Priester, Edoardo Scordio, seinerseits nichts dabei, ganz
       offiziell eine Rechnung über „geistlichen Beistand“ für die Flüchtlinge
       auszustellen, sein Jahreshonorar betrug stolze 150.000 Euro. Insgesamt soll
       der Priester einen Gewinn von 3,5 Millionen Euro eingestrichen haben.
       
       Erneut wird mit diesem Fall deutlich, dass Flüchtlinge zu einem Business
       geworden sind, das auch die organisierte Kriminalität anzieht. In Rom läuft
       gegenwärtig ein Prozess, [1][in dem Vertreter einer großen Genossenschaft
       und Exponenten der organisierten Kriminalität gemeinsam mit diversen
       Politikern angeklagt sind]. Sie sollen ihrerseits über Jahre hinweg im
       großen Stil Flüchtlings- und Romalager in der Hauptstadt mit dem Ziel
       betrieben haben, illegal Millionen zu kassieren. „Mehr als mit
       Drogenhandel“ ließe sich mit den Migranten verdienen, äußerte der Chef der
       Genossenschaft in einem Telefongespräch, das von den Fahndern abgehört
       wurde.
       
       Und auch Italiens größtes Flüchtlingscamp im sizilianischen Mineo – es
       bietet 2.000 Menschen Platz, ist aber oft mit bis zu 4.000 Flüchtlingen
       belegt – zog Geschäftemacher an. In Kürze soll in Catania der Prozess gegen
       17 Angeklagte eröffnet werden; ihnen werden Bestechung und Manipulation
       einer öffentlichen Ausschreibung vorgeworfen. 35 Euro pro Tag zahlt der
       Staat für die Unterbringung von Flüchtlingen – in den großen Camps kommen
       so Millionensummen zusammen.
       
       Und es ist der Staat selbst, der bisweilen wegschaut. So verfasste schon im
       Jahr 2007 eine Ermittlungseinheit der Carabinieri einen Bericht über die
       Machenschaften der Betreiber des Camps von Isola Capo Rizzuto, die jedoch
       jetzt erst, zehn Jahre später, verhaftet wurden.
       
       16 May 2017
       
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